Null Toleranz gegenüber Transfettsäuren

Von Udo Pollmer |
Seit Jahren sind die Transfettsäuren in der Diskussion, seit Jahren fordern Mediziner, deren Anteil im Essen zu senken. Inzwischen hat sich die Lebensmittelwirtschaft zu ihrer Verantwortung bekannt und eine Selbstverpflichtung unterschrieben - mit nicht nur positiven Folgen für die Verbraucher.
Wer kennt nicht das berühmte Wort Bismarcks: "Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie!" Ausnahmsweise soll es nicht um die Wurst gehen, sondern ums Gesetzemachen. Wobei "Gesetzemachen" ein wenig hochgegriffen ist. Es geht um eine Selbstverpflichtung, die die Lebensmittelwirtschaft auf Wunsch von Frau Aigner unterzeichnen durfte. Dadurch wird ein Gesetzgebungsverfahren umgangen, aber die Maßgabe ist für die Hersteller verbindlich wie ein Gesetz. Fürderhin dürfen Transfettsäuren in pflanzlichen Lebensmittelzutaten die 2-Prozent-Marke nicht überschreiten.

Warum sind Transfettsäuren so gefährlich? Mit dem Verzehr der Transen, wie sie manchmal auch genannt werden, steigt der Cholesterinspiegel etwas an. Und was besagt das? Gar nichts. Mit salzarmer Kost steigt bekanntlich auch das Cholesterin. Es fehlt nicht an Versprechungen, dass mit X Prozent weniger Transen so und so viele Herztote verhindert würden. Das ist auf dem Niveau von Diäten, die den Schwund von 6 Kilo Hüftgold in 12 Tagen garantieren.

Ehemals zentraler Bestandteil von Diätmargarine
Das Pikante: Die Transfettsäuren waren früher ein zentraler Bestandteil von Diät-Margarinen - ja, genau jenen, die vor Herzinfarkt schützen sollten, weil sie angeblich den Cholesterinspiegel senken. Stimmen die aktuellen Transen-Theorien, dann hat die Margarine dem Infarkt nicht vorbeugt, sondern begünstigt. In der Tat gibt es Hinweise auf ungünstige Effekte von Margarine auf das Herzkreislaufsystem. Aber ob das nun an den Transfettsäuren liegt, sei dahingestellt. Denn bei der klassischen Herstellung von Margarine, bei der sogenannten Teilhydrierung, entstehen noch ganz andere und ungewöhnlichere Fettsäuren.

Inzwischen verzichtet die Industrie bei Haushaltsmargarinen auf die Teilhydrierung, denn sie hat schonendere Verfahren entwickelt, um flüssige Öle streichfähig zu machen. Dadurch sind die Gehalte an Transfetten stark gesunken. Warum nicht die Gunst der Stunde nutzen, und die Transen ganz aus den Lebensmitteln verbannen? Ziel des Ministeriums ist in der Tat ein rigoroses Verbot aller Transfettsäuren in pflanzlichen Fetten.

Doch damit schützt man keinen Verbraucher, sondern bringt indirekt das Milchfett in Verruf. Denn in Sahne und Butter sind von Natur aus etwa 3 bis 5 Prozent drin. Die werden von den Bakterien im Pansen der Wiederkäuer produziert. Und Butter ist das Vorbild der Margarine. Wenn dann die Pflanzenfette mit dem Hinweis beworben werden: "Jetzt frei von Transfettsäuren", geht dies zulasten der tierischen Fette. Dann haben die Hersteller endlich einen Grund teure Sahne durch das billigere Pflanzenöl zu ersetzen. Das Ergebnis dieser "Selbstverpflichtung" auf Wunsch des Ministeriums für Verbraucherschutz ist damit vorhersehbar: Es wird mehr Milchimitate geben.

Null ist nicht gleich null
Und wie geriet das Ministerium auf diese schiefe Bahn? Das lag an EU-Kommissar Markos Kyprianou. Der war nach New York gereist, um sich über die Maßnahmen der Stadt zur Gesundheitserziehung ihrer Bürger zu informieren. In New York gilt für Transfettsäuren sogar eine Nulltoleranz. Doch dort war die Bedeutung von "null" eine andere, als Kyprianou annahm. In den USA meint "Zero", also null, dass sehr wohl Transfette drin sein dürfen. Im Falle von Frittierfett heißt null, dass bis zu fünf Prozent Transfettsäuren zulässig sind.

Doch diesen feinen aber wesentlichen Unterschied hat bei der EU und auch im Hause Aigner wohl niemand bemerkt. Deshalb soll nun in Europa eine echte "Nulltoleranz" Schritt für Schritt durchgesetzt werden.

Da hat das Ministerium wohl eine andere EU-Vorgabe missverstanden: Die Verwendung von Hirn ist seit einigen Jahren nicht mehr für Würste erlaubt – vom Gesetzemachen war nie die Rede. Mahlzeit!

Literatur:
Associated Press: European Union looks to NYC for advice on trans fat and smoking bans. 6. März 2007
European Union: EU Commissioner Kyprianou on official visit to US. Pressemeldung 28. Feb 2007, EC07-050EN
BfR: Trans-Fettsäuren sind in der Ernährung unerwünscht – zu viel Fett auch. Stellungnahme Nr. 015/2006
EFSA: Opinion oft he Scientific Panel in Dietetic Products, Nutrition and Allergies on an request from the Commission related tot he presence of trans fatty acids in foods and the effect on human health oft he consumption of trans fatty acids. EFSA Journal 2004; e81
Garg R et al: Low-salt diet increases insulin resistance in healthy subjects. Metabolism 2011; 60: 965-968
Jürgens G, Graudal NA: Effects of low sodium diet versus high sodium diet on blood pressure, renin, aldosterone, catecholamines, cholesterols, and triglyceride. Cochrane Database Systematic Reviews 2004; (1): CD004022
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