Nur die Auflage zählt
"Gegen Ende des Morgens" erschien bereits in den späten 60er Jahren. Doch Michael Frayns Roman hat an Aktualität nichts eingebüßt: Es geht um den tristen Arbeitsalltag zweier Londoner Journalisten, die beruflich mit Banalitäten um Auflage kämpfen und privat vom großen Durchbruch träumen.
Der Journalismus ist spätestens seit Balzacs Roman "Verlorene Illusionen" (1843) ein publikumswirksames Thema, nicht zuletzt im Kino: Der Film "Die Unbestechlichen" über die Aufdeckung des Watergate-Skandals durch zwei Reporter (1976) war und ist ein Welterfolg.
Auch Michael Frayns soeben auf Deutsch erschienener Roman "Gegen Ende des Morgens" ist im Journalistenmilieu angesiedelt. Michael Frayn, ehemaliger Journalist von Fleet Street, dem Zentrum der britischen Presse, erzählt in holzschnittartiger, zuweilen fast karikaturistischer Manier einige Monate aus dem Leben von zwei Journalisten, die Ende der 1960er Jahre bei einer großen englischen Tageszeitung in Fleet Street arbeiten. Längst gibt es Fleet Street als Institution ("synonym mit dem Zeitungswesen", wie Frayn in seinem sehr lesenwerten Nachwort schreibt) nicht mehr. Aber auch wenn sich die historischen Hintergründe geändert haben, so ist doch der Journalismus und sind manche seiner Grundstrukturen geblieben, und der Roman hat, obwohl das englische Original bereits 1967 erschienen ist, seine grundsätzliche Aktualität behalten.
Anders als der Watergate-Film zeichnet Frayns Roman jedoch alles andere als ein positives Bild von investigativem Journalismus. Vielmehr entlarvt er satirisch die Belanglosigkeit eines Journalismus, der irgendetwas produziert, damit die Seiten gefüllt werden und die Auflagen stimmen (und Einzelne Karriere machen). Darin ähnelt er Balzacs "Verlorenen Illusionen", der freilich noch viel illusionsloser ist. Letztlich geht es aber um mehr als um Journalismus: nämlich um kapitalistische Karrierestrukturen und -enttäuschungen.
John Dyson leitet die Abteilung, die das produziert, was die Zeitung neben der Tagespolitik füllt: Unterhaltung, Kreuzworträtsel, Vermischtes. Seine Zuständigkeit für Banalitäten hindert ihn nicht am Traum von der ganz großen Karriere. Seine Tage verbringt er freilich mit Lamentieren über die viele Arbeit, mit Wichtigtuereien und Lunchpausen, während die eigentliche (Klein-)Arbeit von seinem Mitarbeiter Bob erledigt wird — auch wenn der nicht weniger träumt und dabei nicht weniger lethargisch (nur etwas fleißiger) als John ist.
Ein absurder Fernsehauftritt Dysons, mit dem er den Durchbruch zu schaffen hofft, eine nicht weniger absurde Dienstreise nach Arabien, die Glamour verspricht und doch nur aus Hindernissen besteht, so dass am Ende keiner der mitreisenden Journalisten die angeflogenen Flughäfen verlässt, gehören zu den satirischen Highlights des Romans. Bobs Leben erschöpft sich in Kleinkram und Entscheidungsunfähigkeit, und so trennt er sich aus Bequemlichkeit nicht von seiner heiratswilligen Freundin, die ihm eigentlich gleichgültig ist. Seine Träume vom großen Romanerfolg setzt er höchstens in satirische Privatbriefe im Stil von James Joyce um.
Oberflächlichkeit, Lebenslügen, das Schwanken zwischen der Welt der Erfolgreichen und Reichen und dem bescheidenen, finanziell bedrängten Leben im Vorort sind Themen des Romans, der nie sentimental oder pathetisch wird, sondern konsequent ironisch-satirisch-skurril erzählt. Ein gelungener Abgesang auf Fleet Street.
Rezensiert von Gertrud Lehnert
Michael Frayn: Gegen Ende des Morgens
Aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow
Dörlemann Verlag, Zürich 2007
319 Seiten, 21,90 Euro
Auch Michael Frayns soeben auf Deutsch erschienener Roman "Gegen Ende des Morgens" ist im Journalistenmilieu angesiedelt. Michael Frayn, ehemaliger Journalist von Fleet Street, dem Zentrum der britischen Presse, erzählt in holzschnittartiger, zuweilen fast karikaturistischer Manier einige Monate aus dem Leben von zwei Journalisten, die Ende der 1960er Jahre bei einer großen englischen Tageszeitung in Fleet Street arbeiten. Längst gibt es Fleet Street als Institution ("synonym mit dem Zeitungswesen", wie Frayn in seinem sehr lesenwerten Nachwort schreibt) nicht mehr. Aber auch wenn sich die historischen Hintergründe geändert haben, so ist doch der Journalismus und sind manche seiner Grundstrukturen geblieben, und der Roman hat, obwohl das englische Original bereits 1967 erschienen ist, seine grundsätzliche Aktualität behalten.
Anders als der Watergate-Film zeichnet Frayns Roman jedoch alles andere als ein positives Bild von investigativem Journalismus. Vielmehr entlarvt er satirisch die Belanglosigkeit eines Journalismus, der irgendetwas produziert, damit die Seiten gefüllt werden und die Auflagen stimmen (und Einzelne Karriere machen). Darin ähnelt er Balzacs "Verlorenen Illusionen", der freilich noch viel illusionsloser ist. Letztlich geht es aber um mehr als um Journalismus: nämlich um kapitalistische Karrierestrukturen und -enttäuschungen.
John Dyson leitet die Abteilung, die das produziert, was die Zeitung neben der Tagespolitik füllt: Unterhaltung, Kreuzworträtsel, Vermischtes. Seine Zuständigkeit für Banalitäten hindert ihn nicht am Traum von der ganz großen Karriere. Seine Tage verbringt er freilich mit Lamentieren über die viele Arbeit, mit Wichtigtuereien und Lunchpausen, während die eigentliche (Klein-)Arbeit von seinem Mitarbeiter Bob erledigt wird — auch wenn der nicht weniger träumt und dabei nicht weniger lethargisch (nur etwas fleißiger) als John ist.
Ein absurder Fernsehauftritt Dysons, mit dem er den Durchbruch zu schaffen hofft, eine nicht weniger absurde Dienstreise nach Arabien, die Glamour verspricht und doch nur aus Hindernissen besteht, so dass am Ende keiner der mitreisenden Journalisten die angeflogenen Flughäfen verlässt, gehören zu den satirischen Highlights des Romans. Bobs Leben erschöpft sich in Kleinkram und Entscheidungsunfähigkeit, und so trennt er sich aus Bequemlichkeit nicht von seiner heiratswilligen Freundin, die ihm eigentlich gleichgültig ist. Seine Träume vom großen Romanerfolg setzt er höchstens in satirische Privatbriefe im Stil von James Joyce um.
Oberflächlichkeit, Lebenslügen, das Schwanken zwischen der Welt der Erfolgreichen und Reichen und dem bescheidenen, finanziell bedrängten Leben im Vorort sind Themen des Romans, der nie sentimental oder pathetisch wird, sondern konsequent ironisch-satirisch-skurril erzählt. Ein gelungener Abgesang auf Fleet Street.
Rezensiert von Gertrud Lehnert
Michael Frayn: Gegen Ende des Morgens
Aus dem Englischen übersetzt von Miriam Mandelkow
Dörlemann Verlag, Zürich 2007
319 Seiten, 21,90 Euro