Nur eine beschnittene Frau ist rein?
Wenn Nicht-Afrikaner Genitalverstümmelung von Frauen kritisieren, wird ihnen schnell postkoloniale Überlegenheit unterstellt. Inzwischen kritisieren aber auch Einheimische, etwa in Guinea, die Praktiken. Vereinzelt sind darunter sogar Männer.
Hadja Kitagbe Kaba: "Beschneidung in Guinea ist positiv. Unsere Kultur ist so. Eine unbeschnittene Frau ist wie eine schmutzige Frau. Es gibt ein Wort in unserer Sprache: Die heißt "XXX". Das ist ein richtiges Schimpfwort. Darum wollen alle Frauen sauber sein, nicht "XXX". Das ist das Problem."
Hadja Kitagbe Kaba, eine große, vollschlanke Frau sitzt in einem Kaffee an der Strasse zwischen Conakry, der Hauptstadt Guineas und Kankan, ihrer Heimatstadt. Die Frauenrechtlerin ist traditionell gekleidet: Über einen mit Ornamenten bedruckten langen Rock trägt sie eine farblich passende weite Bluse.
Die 58-Jährige kommt zweimal im Jahr für ein paar Wochen aus ihrer Wahlheimat Berlin in ihre alte Heimat. Hier engagiert sie sich mit ihrem Verein "Mama Afrika" gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Die energische Frau mit den vielen kleinen Zöpfchen selbst ist beschnitten. Auch sie wusste bis zu dem Tag ihrer Beschneidung nicht, was das ist, erzählt Hadja Kaba.
"Was interessant ist auch bei der Beschneidung: Europäer haben mehr Informationen darüber als die Frauen aus meinem Dorf. Das ist so tabu. Eine gute Frau, das ist eine Frau, die redet nicht über Sex. Das ist eine Frau, die redet nicht darüber, wie man Kinder bekommt. Eine gute Frau, das ist eine, die redet nicht über Beschneidung."
Es gibt drei Arten von Beschneidung: Typ I, auch "Sunna" genannt, bedeutet das Wegschneiden der Vorhaut mit der ganzen oder einem Teil der Klitoris. Beim Typ II, der "Exzision", entfernt man die Klitoris sowie teilweise oder völlig die kleinen Schamlippen. Bei der "Infibulation", dem Typ III, werden die äußeren Genitalien ganz oder ein Teil davon entfernt und die Vagina bis auf eine minimale Öffnung wieder vernäht. In Guinea wird - in Anführungsstrichen – "nur" der Typ I, manchmal auch der Typ II gemacht. Hadja Kaba geht davon aus, dass fast alle guineischen Frauen beschnitten werden, obwohl das seit 1969 gesetzlich verboten ist:
"Was bedeutet schon das Gesetz? Unser Land - 20, 25, 30 Prozent können lesen und schreiben, oder weniger, 30 Prozent. Die anderen sind Analphabeten. Was bedeutet Gesetz für einen Analphabeten? Die jungen Leute, die werden beschnitten. Bis der Tag kommt, wissen sie nicht, was Beschneidung ist. Nur: Du wirst schön. Du wirst sauber. Das sind die Wörter, die man immer hört, aber nicht, was es ist."
Aissatou, Teresse und Mmah gehen in Friguiagbé, einem kleinen Ort eine Autostunde von Conakry entfernt ins hiesige Lycée, dem Gymnasium. Die jungen Frauen im Alter von 15 – 18 Jahren erzählen, warum die Beschneidung für eine guineische Frau so wichtig ist und was ihnen ihre Mütter dazu gesagt haben:
Teresse: "Man hat uns erzählt, wenn du nicht beschnitten bist, wird man dich diskriminieren, und man hat gesagt, dass eine Unbeschnittene immer Lust auf Männer bekommt und denen hinterherläuft."
Mmah: "Ich habe über die Beschneidung verstanden, dass es eine gute Sache für uns Mädchen ist. Wenn man nicht beschnitten ist, wird man eine Prostituierte. Als ich das gehört habe, wollte ich beschnitten werden. Denn eine Prostituierte will ich nicht werden."
Aissatou: "Meine Eltern haben mir erzählt, dass es die Frauenbeschneidung seit der Prophetenzeit gibt und dass es so über die Zeit eine Tradition geworden ist."
Seit der Prophetenzeit – nicht nur die Eltern von Aissatou weisen darauf hin. Will man das allerdings überprüfen, stößt man bei den Recherchen nur auf einen vagen Hinweis: Die Beschneidung könnte Ausdruck für die Solidarität mit Hadschar, der biblischen Hagar, sein. Die Sklavin und Ehefrau Ibrahims, dem biblischen Abraham, hatte sich angeblich auf Befehl ihrer Mitfrau beschneiden lassen. Die Mädchen kennen diese Stelle im Koran nicht. Aber vielleicht der Imam von Friguiagbé?
Imam El hady Naby Camara kommt gerade vom Mittagsgebete aus der Moschee. Der Hadschi denkt lange nach, zupft an seinem grauen, gestutzten Kinnbart, schüttelt dann verneinend mit dem Kopf:
"Für die Jungen steht die Bescheidung im Koran, für die Mädchen nicht. Aber natürlich hat die Beschneidung eine sehr lange Tradition und wird deshalb bis heute gemacht."
Pater Frederik Lutie: "Das Wort Beschneidung ist biblisch. In der Geschichte vom Heiligen Paul steht, dass man die Vorhaut wegnehmen muss. Für die Kirche ist die Beschneidung der Jungen kein Problem. Bei Frauen sind wir allerdings dagegen. Frauen zu beschneiden, finde ich nicht normal."
Sagt Frederik Luti, der katholische Priester des Ortes Friguiagbé. Der Seelsorger weiß, dass nicht nur muslimische Frauen beschnitten werden. Auch Christinnen – seien sie katholisch oder Anhänger der evangelischen Freikirche – und auch die Anhänger der Naturreligionen lassen ihre Mädchen beschneiden. Derusé zum Beispiel. Die 25-Jährige ist bekennende Katholikin und wird in wenigen Wochen ihre 10-jährige Tochter traditionell beschneiden lassen.
"Die Religion schreibt nicht vor, dass wir es machen sollen. Es steht nicht in der Bibel geschrieben. Aber wir beschneiden die Mädchen, weil Nichtbeschnittene unrein sind. Danach feiern wir ein Fest für sie. Dieser Tag ist ihr Tag, ein ganz besonderer Tag, denn jetzt wird sie als Frau anerkannt. Ich habe keine Angst um meine Tochter, dass ihr bei der Beschneidung etwas zustoßen könnte. Ich bete zu Gott, dass er uns hilft."
In keiner der großen Religionen gibt es eine religiöse Rechtfertigung für das grausame Ritual, und dennoch werden täglich fast 6000 Mädchen weltweit Opfer der Genitalverstümmelung. Eigentlich sehen alle monotheistischen Weltreligionen im Menschen die perfekte Schöpfung des Allmächtigen, der kein Schaden zugefügt werden darf. "Wir haben den Menschen in schönstem Ebenmaß erschaffen." - steht zum Beispiel im Koran, in der Sure 95, Vers 4.
Und im muslimischen Offenbarungsbuch steht auch, dass es die eheliche Pflicht des Mannes ist, seine Frau zu befriedigen. Doch wie soll das bei einer beschnittenen Frau gehen, fragt Sekou Bangoura. Der 48-Jährige hat in Deutschland studiert, arbeitet als Bauingenieur in Friguiagbé und ist strikt gegen die weibliche Genitalverstümmelung.
"Ich hatte eine Freundin. Sie war beschnitten und auch genäht. Ich wusste nicht, dass sie auch genäht war. Ich kriegte keine Lust, mit ihr Sex zu haben. Man sieht die Verletzung. Dann kriegst du auch keine Lust. Das geht nicht."
Die Frau ist geschaffen worden, um zu leiden - dieses Bild der guineischen Frau wird in den Liedern, die während des Rituals gesungen werden, vermittelt. Doch es sind nicht nur die Schmerzen während des Rituals. Die Mädchen leiden ein Leben lang, erzählt Teressé:
"Ich habe meine Mutter gefragt, warum ich immer diese Schmerzen bekomme? Meine Mutter konnte darauf nicht antworten. In der Schule hat man uns dann gesagt, dass kommt durch die Beschneidung. Das habe ich meiner Mutter erzählt. Jetzt tut es ihr leid, was sie mir angetan hat. Ich bin das letzte Mädchen. Wenn meine Mutter noch ein Kind bekommen würde und es wäre ein Mädchen, würde sie es nicht mehr machen lassen. Denn über meine Schmerzen ist meine Mutter verzweifelt."
Aufklärung ist deshalb so wichtig, sagt Hadja, die Frauenrechtlerin, vor allen in den Schulen. Dort kann man auch die Jungen erreichen, sie für dieses Thema sensibilisieren. Bela erzählt, wie die Jungs in ihrer Klasse auf das Thema reagiert haben.
"Die Jungs sind geteilter Meinung: Die einen sagen, es ist gut, es ist eine Tradition und die Mädchen müssen beschnitten werden. Sonst heiraten wir sie nicht. Die anderen sagen, es ist schlecht und sollte verboten werden, denn durch die Beschneidung haben viele Frauen Probleme."
Den Jungen muss klar werden, dass auch sie die Situation der Frauen verändern können. Männer müssen sagen, wir wollen keine beschnittene Frau mehr. Dann wird sich manche Mutter überlegen, ob sie ihre Tochter beschneiden lässt und sie vielleicht unverheiratet bleibt. Schon heute wollen viele Mütter nicht, dass ihre Töchter noch beschnitten werden und schicken sie deshalb für längere Zeit zu Verwandten in weitentfernte Dörfer oder Städte. Wenn die Mädchen zurückkommen, sagt man: Sie sind beschnitten.
Hadja Kitagbe Kaba: "Aber das ist für mich wie Theater. Das ist keine Lösung. Die Lösung muss klar sein. Alle müssen selber verstehen, dass es nicht gut ist. Das ist die beste Lösung. Und das geht mit Aufklärung."
Aufklärung ist wichtig. Mindestens genauso wichtig ist die Mithilfe der Imame, um diesen Brauch zu beenden. In einem Land wie Guinea, in dem sich fast 80 Prozent der Menschen zum Islam bekennen, wo die Menschen gottgläubig sind, geht fast nichts ohne die Korangelehrten – das weiß Hadja Kaba.
Andere muslimisch geprägte Länder haben es vorgemacht: In Ägypten zum Beispiel wurde schon 2006 ein Beschluss, eine so genannte Fatwa, vom Großmufti von Ägypten Ali Dschum’a unterzeichnet. Darin brandmarkt der oberste Korangelehrte die weibliche Genitalverstümmelung als eine ererbte Unsitte, die keine textliche Grundlage im Koran hat und gemäß der Lehren des Islam zu unterbinden ist. Mit seiner Unterschrift, erklärt Frauenrechtlerin Kaba, besiegelt der Großmufti geltendes Recht. Auch in ihrer Heimat Guinea sieht Hadja Kaba deshalb die Imame in der Pflicht, denn ihre Worte haben bei den Menschen Gewicht.
"Der Imam ist da - von Montag bis Sonntag. Die Leute beten hinter ihm fünfmal am Tag. Fünfmal sehen sie eine Person. Die Leute denken, das ist der Imam, das ist der Hüter der Tradition. Und wenn die Traditionellen sagen, das ist nicht gut, das dürfen sie nicht machen – dann machen sie es auch gleich nicht mehr."
Hadja Kitagbe Kaba, eine große, vollschlanke Frau sitzt in einem Kaffee an der Strasse zwischen Conakry, der Hauptstadt Guineas und Kankan, ihrer Heimatstadt. Die Frauenrechtlerin ist traditionell gekleidet: Über einen mit Ornamenten bedruckten langen Rock trägt sie eine farblich passende weite Bluse.
Die 58-Jährige kommt zweimal im Jahr für ein paar Wochen aus ihrer Wahlheimat Berlin in ihre alte Heimat. Hier engagiert sie sich mit ihrem Verein "Mama Afrika" gegen die weibliche Genitalverstümmelung. Die energische Frau mit den vielen kleinen Zöpfchen selbst ist beschnitten. Auch sie wusste bis zu dem Tag ihrer Beschneidung nicht, was das ist, erzählt Hadja Kaba.
"Was interessant ist auch bei der Beschneidung: Europäer haben mehr Informationen darüber als die Frauen aus meinem Dorf. Das ist so tabu. Eine gute Frau, das ist eine Frau, die redet nicht über Sex. Das ist eine Frau, die redet nicht darüber, wie man Kinder bekommt. Eine gute Frau, das ist eine, die redet nicht über Beschneidung."
Es gibt drei Arten von Beschneidung: Typ I, auch "Sunna" genannt, bedeutet das Wegschneiden der Vorhaut mit der ganzen oder einem Teil der Klitoris. Beim Typ II, der "Exzision", entfernt man die Klitoris sowie teilweise oder völlig die kleinen Schamlippen. Bei der "Infibulation", dem Typ III, werden die äußeren Genitalien ganz oder ein Teil davon entfernt und die Vagina bis auf eine minimale Öffnung wieder vernäht. In Guinea wird - in Anführungsstrichen – "nur" der Typ I, manchmal auch der Typ II gemacht. Hadja Kaba geht davon aus, dass fast alle guineischen Frauen beschnitten werden, obwohl das seit 1969 gesetzlich verboten ist:
"Was bedeutet schon das Gesetz? Unser Land - 20, 25, 30 Prozent können lesen und schreiben, oder weniger, 30 Prozent. Die anderen sind Analphabeten. Was bedeutet Gesetz für einen Analphabeten? Die jungen Leute, die werden beschnitten. Bis der Tag kommt, wissen sie nicht, was Beschneidung ist. Nur: Du wirst schön. Du wirst sauber. Das sind die Wörter, die man immer hört, aber nicht, was es ist."
Aissatou, Teresse und Mmah gehen in Friguiagbé, einem kleinen Ort eine Autostunde von Conakry entfernt ins hiesige Lycée, dem Gymnasium. Die jungen Frauen im Alter von 15 – 18 Jahren erzählen, warum die Beschneidung für eine guineische Frau so wichtig ist und was ihnen ihre Mütter dazu gesagt haben:
Teresse: "Man hat uns erzählt, wenn du nicht beschnitten bist, wird man dich diskriminieren, und man hat gesagt, dass eine Unbeschnittene immer Lust auf Männer bekommt und denen hinterherläuft."
Mmah: "Ich habe über die Beschneidung verstanden, dass es eine gute Sache für uns Mädchen ist. Wenn man nicht beschnitten ist, wird man eine Prostituierte. Als ich das gehört habe, wollte ich beschnitten werden. Denn eine Prostituierte will ich nicht werden."
Aissatou: "Meine Eltern haben mir erzählt, dass es die Frauenbeschneidung seit der Prophetenzeit gibt und dass es so über die Zeit eine Tradition geworden ist."
Seit der Prophetenzeit – nicht nur die Eltern von Aissatou weisen darauf hin. Will man das allerdings überprüfen, stößt man bei den Recherchen nur auf einen vagen Hinweis: Die Beschneidung könnte Ausdruck für die Solidarität mit Hadschar, der biblischen Hagar, sein. Die Sklavin und Ehefrau Ibrahims, dem biblischen Abraham, hatte sich angeblich auf Befehl ihrer Mitfrau beschneiden lassen. Die Mädchen kennen diese Stelle im Koran nicht. Aber vielleicht der Imam von Friguiagbé?
Imam El hady Naby Camara kommt gerade vom Mittagsgebete aus der Moschee. Der Hadschi denkt lange nach, zupft an seinem grauen, gestutzten Kinnbart, schüttelt dann verneinend mit dem Kopf:
"Für die Jungen steht die Bescheidung im Koran, für die Mädchen nicht. Aber natürlich hat die Beschneidung eine sehr lange Tradition und wird deshalb bis heute gemacht."
Pater Frederik Lutie: "Das Wort Beschneidung ist biblisch. In der Geschichte vom Heiligen Paul steht, dass man die Vorhaut wegnehmen muss. Für die Kirche ist die Beschneidung der Jungen kein Problem. Bei Frauen sind wir allerdings dagegen. Frauen zu beschneiden, finde ich nicht normal."
Sagt Frederik Luti, der katholische Priester des Ortes Friguiagbé. Der Seelsorger weiß, dass nicht nur muslimische Frauen beschnitten werden. Auch Christinnen – seien sie katholisch oder Anhänger der evangelischen Freikirche – und auch die Anhänger der Naturreligionen lassen ihre Mädchen beschneiden. Derusé zum Beispiel. Die 25-Jährige ist bekennende Katholikin und wird in wenigen Wochen ihre 10-jährige Tochter traditionell beschneiden lassen.
"Die Religion schreibt nicht vor, dass wir es machen sollen. Es steht nicht in der Bibel geschrieben. Aber wir beschneiden die Mädchen, weil Nichtbeschnittene unrein sind. Danach feiern wir ein Fest für sie. Dieser Tag ist ihr Tag, ein ganz besonderer Tag, denn jetzt wird sie als Frau anerkannt. Ich habe keine Angst um meine Tochter, dass ihr bei der Beschneidung etwas zustoßen könnte. Ich bete zu Gott, dass er uns hilft."
In keiner der großen Religionen gibt es eine religiöse Rechtfertigung für das grausame Ritual, und dennoch werden täglich fast 6000 Mädchen weltweit Opfer der Genitalverstümmelung. Eigentlich sehen alle monotheistischen Weltreligionen im Menschen die perfekte Schöpfung des Allmächtigen, der kein Schaden zugefügt werden darf. "Wir haben den Menschen in schönstem Ebenmaß erschaffen." - steht zum Beispiel im Koran, in der Sure 95, Vers 4.
Und im muslimischen Offenbarungsbuch steht auch, dass es die eheliche Pflicht des Mannes ist, seine Frau zu befriedigen. Doch wie soll das bei einer beschnittenen Frau gehen, fragt Sekou Bangoura. Der 48-Jährige hat in Deutschland studiert, arbeitet als Bauingenieur in Friguiagbé und ist strikt gegen die weibliche Genitalverstümmelung.
"Ich hatte eine Freundin. Sie war beschnitten und auch genäht. Ich wusste nicht, dass sie auch genäht war. Ich kriegte keine Lust, mit ihr Sex zu haben. Man sieht die Verletzung. Dann kriegst du auch keine Lust. Das geht nicht."
Die Frau ist geschaffen worden, um zu leiden - dieses Bild der guineischen Frau wird in den Liedern, die während des Rituals gesungen werden, vermittelt. Doch es sind nicht nur die Schmerzen während des Rituals. Die Mädchen leiden ein Leben lang, erzählt Teressé:
"Ich habe meine Mutter gefragt, warum ich immer diese Schmerzen bekomme? Meine Mutter konnte darauf nicht antworten. In der Schule hat man uns dann gesagt, dass kommt durch die Beschneidung. Das habe ich meiner Mutter erzählt. Jetzt tut es ihr leid, was sie mir angetan hat. Ich bin das letzte Mädchen. Wenn meine Mutter noch ein Kind bekommen würde und es wäre ein Mädchen, würde sie es nicht mehr machen lassen. Denn über meine Schmerzen ist meine Mutter verzweifelt."
Aufklärung ist deshalb so wichtig, sagt Hadja, die Frauenrechtlerin, vor allen in den Schulen. Dort kann man auch die Jungen erreichen, sie für dieses Thema sensibilisieren. Bela erzählt, wie die Jungs in ihrer Klasse auf das Thema reagiert haben.
"Die Jungs sind geteilter Meinung: Die einen sagen, es ist gut, es ist eine Tradition und die Mädchen müssen beschnitten werden. Sonst heiraten wir sie nicht. Die anderen sagen, es ist schlecht und sollte verboten werden, denn durch die Beschneidung haben viele Frauen Probleme."
Den Jungen muss klar werden, dass auch sie die Situation der Frauen verändern können. Männer müssen sagen, wir wollen keine beschnittene Frau mehr. Dann wird sich manche Mutter überlegen, ob sie ihre Tochter beschneiden lässt und sie vielleicht unverheiratet bleibt. Schon heute wollen viele Mütter nicht, dass ihre Töchter noch beschnitten werden und schicken sie deshalb für längere Zeit zu Verwandten in weitentfernte Dörfer oder Städte. Wenn die Mädchen zurückkommen, sagt man: Sie sind beschnitten.
Hadja Kitagbe Kaba: "Aber das ist für mich wie Theater. Das ist keine Lösung. Die Lösung muss klar sein. Alle müssen selber verstehen, dass es nicht gut ist. Das ist die beste Lösung. Und das geht mit Aufklärung."
Aufklärung ist wichtig. Mindestens genauso wichtig ist die Mithilfe der Imame, um diesen Brauch zu beenden. In einem Land wie Guinea, in dem sich fast 80 Prozent der Menschen zum Islam bekennen, wo die Menschen gottgläubig sind, geht fast nichts ohne die Korangelehrten – das weiß Hadja Kaba.
Andere muslimisch geprägte Länder haben es vorgemacht: In Ägypten zum Beispiel wurde schon 2006 ein Beschluss, eine so genannte Fatwa, vom Großmufti von Ägypten Ali Dschum’a unterzeichnet. Darin brandmarkt der oberste Korangelehrte die weibliche Genitalverstümmelung als eine ererbte Unsitte, die keine textliche Grundlage im Koran hat und gemäß der Lehren des Islam zu unterbinden ist. Mit seiner Unterschrift, erklärt Frauenrechtlerin Kaba, besiegelt der Großmufti geltendes Recht. Auch in ihrer Heimat Guinea sieht Hadja Kaba deshalb die Imame in der Pflicht, denn ihre Worte haben bei den Menschen Gewicht.
"Der Imam ist da - von Montag bis Sonntag. Die Leute beten hinter ihm fünfmal am Tag. Fünfmal sehen sie eine Person. Die Leute denken, das ist der Imam, das ist der Hüter der Tradition. Und wenn die Traditionellen sagen, das ist nicht gut, das dürfen sie nicht machen – dann machen sie es auch gleich nicht mehr."