Nur Fliegen ist schöner

Von Georg Gruber |
Der Flughafen Oberschleißheim ist einer der ältesten in Deutschland - und schon seit vielen Jahren außer Betrieb. Vor kurzem wurde dort wieder geflogen, doch alles nur virtuell, am Computer, im Flugsimulator.
Eine große lichte Halle: Die historischen Propellermaschinen sehen aus, als könnten sie jederzeit aufs Flugfeld rollen. Doch ins Cockpit darf man nicht, los fliegen bleibt Wunschtraum. Diesen Traum erfüllen sich viele Möchtegernpiloten deshalb ganz privat in ihren eigenen vier Wänden, vor dem Computerbildschirm. Einmal im Jahr trifft sich die Szene auf der Flugsimulator-Konferenz. Eine Art Familientreffen für die, die es wirklich ernst meinen mit dem virtuellen Fliegen.

"Ich bin süchtig nach dem","

sagt Peter Weibhauser vom Flugsimulatorclub FSC, Regionalgruppe Bayern.

""Ich bin das schwarze Schaf im Club, ich fliege am liebsten kleine einmotorige Maschinen nach Sicht. Meine Standardstrecke ist hier von Schleißheim nach Salzburg oder Innsbruck, das fliege ich immer zur Entspannung. Das ist eine Stunde Flugzeit in etwa und das reicht mir. Meine Kollegen steigen meistens auf größere Flugzeuge um, aber ich bin mit dem kleinen sehr zufrieden."

Wer als Flugsimulant etwas auf sich hält, hält sich an die geltenden Flugregeln. Das Ziel ist es, am Bildschirm der Realität möglichst nah zu kommen.

"Je nach Ausstattung, die Sie extra dazu kaufen können, können Sie die wesentlichen Orientierungspunkte der Landschaft auch finden. Ich hab Autoverkehr drauf, ich hab fremden Flugverkehr drauf, Wetter, aktuelles Wetter hab ich drauf. (...) Ich hab gestern einen Dämmerungsflug gehabt, die untergehende Sonne hat die Berge beleuchtet, das ist wirklich sehr realistisch. Kritischer wird's, wenn Sie nach Innsbruck fliegen, dann müssen Sie über die Berge drüber, können Sie auch in die Wolken kommen, wenn Sie Pech haben, dann wird's ein bisschen anspruchsvoller."

Organisiert hat die Konferenz Winfried Diekmann, Geschäftsführer von Aerosoft, einer Firma, die Zusatzsoftware für Flugsimulationsprogramme entwickelt.

"Der typische Flugsimulant ist fast zu 100 Prozent männlich. Er hat ein Durchschnittsalter von etwa 50 Jahren, das heißt ein Viertel der Flugsimulanten sind im Rentenalter. Es ist also kein Kinderspiel.

Das Schöne ist ja auch, dass das Hobby keine Einschränkungen hat. Man kann es wirklich bis 80, wir haben Kunden, die gehen auf die 90 zu, die immer noch sagen, ich bin jeden Tag ein zwei Stunden in der Luft, das hält natürlich auch geistig relativ fit."

An mehreren Ständen am Rand der großen Halle und in einem Nebenraum werden Neuheiten präsentiert, zum Beispiel der neue Flugsimulator X-Plane 10, mit dem man, so das Versprechen, "ultrarealistisch" um die ganze Welt fliegen kann. Es geht auch eine Nummer kleiner, mit der Software Aerofly kann man die Bergwelt der Schweiz erkunden, auch hier ist die grafische Wiedergabe, die Detailgenauigkeit verblüffend. Man sieht einzelnen Bäume, Felsen, die Wellen auf dem Vierwaldstätter See.

"Was gut ist, hier ist auch beschrieben in der Landschaft, wo man sich gerade befindet. Man kriegt dann auch ein bisschen ein Gefühl als Nicht-Schweizer, wo man gerade hinwegdonnert."

Edwin Preis ist ein erfahrener Flugsimulant, seit 13 Jahren fliegt er am PC. Zu Hause hat er ein Lenkrad und Fußpedale für das Seiten- und Höhenleitwerk. Beim Probeflug auf der Messe muss er mit einem Joystick vorlieb nehmen.

"Was man gut merkt, ist das Ruckeln. Wenn das Fahrwerk ausfährt, gibt's einen kurzen Ruckler."

Doch er hat einen Fehler beim Landeanflug gemacht und eine gute Software verzeiht keine Fehler: Das Flugzeug dreht sich während der Landung und schlittert auf dem Dach in einen Begrenzungszaun.

"Anscheinend hatte ich das Fahrwerk nicht eingefahren oder ausgefahren. Und jetzt geh ma mal einen Looping probieren. Mal schaun, ob er den schön hinkriegt."

Das Fliegen am PC muss kein einsames Hobby sein, man trifft sich im Internet. Stefan Zimmermann ist seit zehn Jahren bei IVAO, einem Online-Netzwerk für Piloten und Fluglotsen mit rund 2.500 aktiven Mitgliedern allein in Deutschland.

"Die anderen Flugzeuge und Teilnehmer werden als Multiplayerflugzeuge im eigenen Flugzeugsimulator dargestellt, und man hat die Möglichkeit über Text als auch über Sprache mit den Fluglotsen und den anderen Piloten in Kontakt zu treten und dort auch den Sprechfunk darzustellen."

Alles wie im echten Leben, sagt Stefan Zimmermann und er weiß, wovon er spricht. Mittlerweile hat er eine Privatfluglizenz und arbeitet als Fluglotse. Frauen sind auf der Messe stark unterrepräsentiert. Kein Wunder: Im Deutsche Flugsimulatoren Club sind nur zwei, sagt eine der beiden, Claudia Schmitz-Groner. Vor über 20 Jahren schenkte sie ihrem Mann einen Simulator, seitdem fliegt auch sie.

"Ich versteh keine Frau, die nicht hinter dem Hobby von ihrem Mann steht. Und sagt: Sei doch froh, dass er nicht auf dem Fußballplatz oder in der Kneipe ist, sondern weißt, wo er ist. Und es macht Spaß."

Inzwischen haben die beiden ihr Hobby zum Beruf gemacht und einen Verlag gegründet, in dem seit fünf Jahren das FS Magazin erscheint, das Fachmagazin für Flugsimulation. Chefredakteur: Ihr Mann, Bert Groner. In dem Magazin wird neue Software vorgestellt, Zubehör getestet, über Trends berichtet.
"Klar ist ein Trend zu sehen, diejenigen die Geld haben, haben in den letzten Jahren vermehrt damit begonnen, eigene Cockpits zu bauen oder bauen zu lassen. Es gibt genügend Firmen inzwischen, die Rundumsorglos-Pakete anbieten, die dann im mittleren bis höheren sechsstelligen Eurobereich liegen."

Aber: Vorsicht ist angebracht:

"Ich warne davor, sich zu verschulden. Ich kenne also genügend Fälle, seitlich des Clubs, seitlich der Leserschaft, die sagen: Was soll ich tun, ich habe hier einen Kredit von 50.000 Euro, ich kann es nicht mehr zurück zahlen. Es sind also teilweise Tragödien, die da entstehen und das sollte unterbleiben."

Also aufgepasst: Auch das virtuelle Fliegen ist nicht ohne Gefahren.
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