Getackerte Laserlinien, KI und schwarze Löcher
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Die Kunst der Zukunft will das Nxt Museum in Amsterdam präsentieren. Es ist das erste Haus in den Niederlanden, das sich ganz und gar der New Media Art verschrieben hat. Unser Reporter hält die Ausstellung für eine Offenbarung.
Es werde gleich etwas lauter, warnt Bogomir Doringer. Dann öffnet der Kurator die Tür zur allerersten Ausstellung des Nxt Museum in Amsterdam. Wir betreten einen dunklen Raum und werden sofort von Sensoren erfasst. Ringe und Linien aus Licht formen sich auf dem Boden um unsere Füße und folgen uns, egal wohin wir gehen.
Gemeinsam erschaffen wir Besucher so ein Raster, das uns verbindet. "Connected" heißt das Werk von Roelof Knol. Der Künstler hat für die Installation mit dem Sounddesigner Marc Mafhoud zusammengearbeitet, erklärt der Kurator: "Jedes Mal, wenn jemand den Raum betritt, wählt der Computer willkürlich einen von 60 Klängen aus. So entsteht eine Art Komposition."
Distanz und Nähe
Scannen und gescannt werden. Dieses Thema zieht sich als roter Faden durch die Ausstellung. Doch die Show heißt "Shifting Proximities". Es geht um Distanz und Nähe, um ständige Veränderung und um Technologie. Direktorin Merel van Helsdingen:
"Ich würde sagen, es geht darum, sich an der Spitze der technischen Entwicklungen in der Kunstwelt zu bewegen. Es geht uns um Kunst, die moderne Werkzeuge nutzt, um unsere moderne Zeit zu erklären und zu reflektieren."
Das Nxt Museum ist das erste Haus in den Niederlanden, das ausschließlich Medienkunst ausstellt. Gegründet hat Van Helsdingen das Museum mit ihrer Geschäftspartnerin Nathasha Greenhalgh. Finanziert wird das Projekt von der niederländischen Rabobank und einer Handvoll privaten Geldgebern.
In zweieinhalb Jahren von der Idee zur Eröffnung
Dass private Investoren mitunter politischen Ballast mitbringen, ist van Helsdingen bewusst: "Ich habe auch schon Nein zu Leuten gesagt, die investieren wollten. Ich wusste, das wären nicht die Richtigen gewesen, für das, was wir hier machen wollen."
Nur rund zweieinhalb Jahre dauerte es von der Idee bis zur Eröffnung. Trotz Covid-19. Die Bauteams konnten mit Sicherheitsabstand arbeiten. Und einige Künstler entwarfen ihre Installationen für Räume, die sie nie betreten haben.
"Wenn wir Werke installiert haben, haben wir das aufgenommen und auf unseren Bildschirmen geteilt. Künstler haben sich aus Melbourne, Los Angeles und New York per Video zugeschaltet, damit niemand herfliegen musste, um die Ausstellung zu bauen", sagt van Helsdingen.
Kurator Bogomir Doringer tritt durch einen Vorhang in einen Zwischenraum. "Transition rooms" nennt das Team die Räume, die die Installationen verbinden. Hier wird das nächste Werk angekündigt. Wie überall im Haus wird auch hier mit Projektionen gearbeitet. Analoge Schilder sucht man im Nxt Museum vergeblich.
Keine Smartphones
Das Kollektiv United Visual Artists bespielt mit "Topologies" einen 25 Meter langen Raum. Über uns schwebende Projektoren tackern Laserlinien ins Dunkel, schieben Lichtwände durch den Tunnel und verlieren sich dann in einem eigenen Rhythmus. Socialmedia-geschult möchte man das Smartphone aus der Tasche ziehen und Videos machen – würde dann aber die Hälfte verpassen. Ein Problem, über das Kurator Doringer viel nachgedacht hat:
"Deine Erfahrung hier mit der Welt zu teilen, das würde uns sichtbarer machen. Aber ist es das, was wir wollen? Wie distanzieren wir uns von der Instagram-Experience? Und wie sprechen wir über das Verhältnis von Technologie und Körper? Überraschenderweise stimmen wir mit einer ersten Besucherumfrage überein, die klar sagte: keine Telefone."
Wer sich auf die Kunstwerke im Nxt Museum einlässt, begibt sich auf eine Reise, die derzeit kaum ein anderes Museum bieten dürfte. Manche Installationen verwandeln naturwissenschaftliche Funde in jenseitige Welten. Andere simulieren schwarze Löcher. Und wer allein in einem der Räume steht, spürt, dass dort künstliche Intelligenzen wohnen, die Gäste eher dulden als begrüßen.
Schon in normalen Zeiten wäre diese Ausstellung ein Erfolg. In Zeiten von Covid-19, nach Monaten ohne Konzerte, Clubnächte und Galerien, ist diese Ausstellung eine Offenbarung.