NZZ-Journalistin über deutsche Medien

"Manche Debatten werden nicht kontrovers genug geführt"

09:25 Minuten
Eine Illustration zeigt, wie ein Mann die Sprechblase eines zweiten Mannes mit Farbe übermalt.
Wenn sich eine Mehrheit der Journalisten als grün oder links einordne, fehle die Ausgewogenheit, meint die Journalistin Anna Schneider. © imago images / Ikon Images / Mark Airs
Anna Schneider im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Deutschen Medien fehle es an Kontroversen, meint die Journalistin Anna Schneider von der "Neuen Zürcher Zeitung". Polarisierende Stimmen wie den Kolumnisten Don Alphonso müsse es geben. Sie wünscht sich mehr Reflexion von der vermeintlichen Gegenseite.
Ein zu enges Meinungsspektrum attestiert die Journalistin Anna Schneider deutschen Medien. "Ich merke durchaus, dass manche Debatten nicht so kontrovers geführt werden, wie ich sie schön fände", sagt die Redakteurin der Neuen Zürcher Zeitung in Berlin. Deshalb gebe es für den Blick "von außen", wie ihn die NZZ habe, auch besonderes Interesse und Zuspruch hierzulande.
Anna Schneider im Porträt
Anna Schneider, Redakteurin im Berliner Büro der Neuen Zürcher Zeitung© Neue Zürcher Zeitung

Überlegen, was liberal ist

Schneider kritisiert zudem, dass man schnell ein Etikett wie etwa "konservativ" bekomme, was ein "großes Unding" sei. Sie selbst zum Beispiel spreche sich regelmäßig gegen das Gendern aus, vertrete damit also eine "für eher linke Menschen" unpopuläre Meinung: "Da bin ich für die natürlich schon das andere Ende des Spektrums, was halt nicht stimmt. Da würde ich mir ein bisschen mehr Reflexion wünschen und überlegen, was denn nun eigentlich liberal ist und wo eine Mitte sein könnte."
Umstrittene Journalisten wie den "Welt"-Kolumnisten Don Alphonso alias Rainer Meyer findet sie wichtig. Sie stimme mit diesem zwar nicht immer überein: "Ihn grundsätzlich jetzt zu streichen, sehe ich aber eben auch nicht ein. Ich weiß auch nicht, wohin das führen sollte, wenn es solche Stimmen nicht mehr gibt."

Debatte um journalistische Verantwortung

Zuletzt hatte Don Alphonso in seiner Kolumne das TV-Magazin Panorama für einen Beitrag über einen Bundeswehr-Soldaten und dessen vermutliche Nähe zur "Identitären Bewegung" angegriffen. Er warf der Redaktion vor, mit Natascha Strobl keine Expertin, sondern eine "Aktivistin" zu dem Fall befragt zu haben, die vor "linksgerichteten Gruppen" auftrete. Daraufhin erhielt Strobl heftigste Angriffe von Rechtsextremisten auf Twitter.
Schneider findet es gleichwohl richtig, vonseiten der "Welt"-Chefredaktion der Kolumne "freien Lauf" zu lassen, "weil es ja trotzdem auch nicht sein kann, dass immer Kontaktschuld greift und diese Redakteure dann verantwortlich sind, dass irgendwelche wirklich Rechtsextremen sich an dieser Frau Natascha Strobl abarbeiten. Also man kann ja quasi nicht zum Schweigen gebracht werden, weil das irgendjemanden irgendwo triggern könnte – was aber nicht bedeutet, dass man sich nicht überlegen sollte, was man wo wie sagt." Das liege in jedermanns Verantwortung, so Schneider.
(bth)
Das gesamte Gespräch mit Anna Schneider hören Sie hier:

Anna Schneider (geboren 1990 in Klagenfurt) ist seit November 2019 Redakteurin im Berliner Büro der "Neuen Zürcher Zeitung", zuvor leitete sie das Innenpolitikressort und das Politische Feuilleton. Schneider studierte Jura und Kunstgeschichte in Wien, wo sie später eine Zeitlang auch lehrte. 2014 bis 2017 war sie Referentin für Verfassung und Menschenrechte im Parlamentsklub von NEOS. 2017 wurde sie Mitglied des Gründungsteams von Addendum, einer österreichischen Medien- und Rechercheplattform.

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