Oans, zwoa, gsuffa

Von Tom Noga |
Das Hofbräuhaus auf der Paradise Road in Las Vegas ist ein originalgetreuer Nachbau der berühmtesten Bierstube der Welt in München. Es kostete zwölf Millionen Dollar und wurde 2004 von den bekanntesten Deutschen in Las Vegas, nämlich den Magiern Siegfried und Roy, eröffnet. Nicht ganz stilsicher - aber so ist das nun mal in Las Vegas.
Sinzger: "Jetzt sind wir hier im Eingangsbereich vom Hofbräuhaus. Da haben wir den hostess counter, weil der Amerikaner ja nicht ins Lokal reingeht und einen Tisch suchen will für sich selber, sondern er ist es gewohnt, dass er zum Hostessen-Counter kommt und dann von der hostess zum Tisch begleitet wird. Jetzt gehen wir rein in die Schwemme. Der Name Schwemme, weil die Gäste wie in München rein kommen, praktisch rein schwimmen und wieder raus schwimmen. Daher das Wort Schwemme.” "

""Jetzt sind wir in der Schwemme. In der Schwemme können wir 380 Leute bewirten. Wir haben hier die gleichen großen Tische wie in München, wo zwischen zehn und acht Leute Platz finden. Sehr stabil, weil die Leute, speziell am Wochenende, wenn sie ein bisschen was getrunken haben, auf die Bänke steigen, mit dem Krug in der Hand, und mit der Band mitsingen."

Der Sinzger Toni ist ein kleiner Mann mit eisgrauen Haaren. Er deutet auf einen Schrank aus Eichenholz. Darin lagern die Maßkrüge – wie im Münchener Original des Hofbräuhauses. Auch die Decke mit dem Stuckdekor und den naiven Malereien ist der Mutter aller Bierhäuser maßstabgetreu nachempfunden. Und überm Eingang hängt – was sonst – ein Bild von Ludwig, dem Zweiten, des legendären Königs von Bayern.

Las Vegas und das Hofbräuhaus, das passt, findet Sinzger. So hat der ehemalige Kriminalpolizist das schon gesehen, als seine drei Partner vor gut fünf Jahren mit dieser Idee an ihn herangetreten sind. Vegas ist die Stadt der Illusionen. Die Welt und ihre Geschichte in Miniatur: Vom Eiffelturm zur Brooklyn Bridge, vom Comer See zu den Pyramiden von Gizeh, vom antiken Rom zum Fantasy-Nachbau von Schloss Neuschwanstein ist es jeweils nur einen Katzensprung.

Sinzger geht durch einen Rundbogen, darüber steht "Durst ist schlimmer als Heimweh". Dahinter der Biergarten.

Sinzger: "Wir haben einen ähnlichen Brunnen wie die in München, haben fünf Kastanienbäume, den klassischen Biergartenbaum. Die Stämme sind echt, aus Holz, und die Blätter sind von China, aus Plastik. Es ist gut gemacht und schaut gut aus. Also, wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, alles möglichst authentisch zu machen."

Nun ja, in diesem Biergarten sitzt man nicht im Freien, und der schöne blaue, bayerische Himmel unter der Decke ist ebenso gemalt wie die Häuserfassade an den Wänden. Eine Konzession an das Wüstenklima, sagt der Sinzger Toni, vor allem im Sommer, steigt das Thermometer in Las Vegas auf weit über 40 Grad. Wer will da schon draußen sitzen?

Auf der Bühne in der Schwemme bereitet sich die Band auf ihren Auftritt vor, vier Mann, alle in Tracht: knielange Lederhosen, Bergstiefel, grobe Strümpfe, weiße Hemden. Bassist und Gitarrist tragen rote Pullunder überm Hemd mit dem Tiroler Adler darauf.

Die Trenkwalder, stellt Sinzger vor, benannt nach ihrem Sänger und Ziehharmonikaspieler, Hubert Trenkwalder, den alle nur Hubsi nennen. Die Trenkwalder sind Veteranen im Hofbräuhaus Las Vegas. Kurz nach der Eröffnung, im April 2004, haben sie zum ersten Mal hier gespielt. Dies ist ihr fünftes Engagement. Einen Monat lang, jeden Abend von 5 bis 11, am Wochenende von 6 bis Mitternacht.

In der alten Welt spielen sie rockige Heimatlieder. Werbestrategen nennen das Neue Volksmusik. Dem Publikum in Las Vegas dürfen sie mit so etwas nur in homöopathischen Dosen kommen.

Trenkwalder: "Wir haben uns jetzt professioneller auf diese Location eingestellt. Vor fünf Jahren hätte ich mir nicht gedacht, dass jemand sagt: Spielt’s doch ... would you play 'Lilli Marleen'? Und das heißt für jede Band, die hier ist auch, dass wir auch den 'Chicken dance' spielen müssen, und da hört für einen Musiker der Spaß auf. Den Ententanz, an schlimmen Abenden drei oder vier Mal. Aber wenn du dann die Vierjährigen siehst, komplett auszucken, ist es eh schon gerechtfertigt, dass du’s gemacht hast. Da sind wir dann weniger Musiker als Dienstleister, oder?"

Hubsi trägt das dunkelblonde Haar nackenlang. Er streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Es ist kurz vor sechs, die Tische sind zur Hälfte besetzt – Zeit für den Auftritt. Eine Kellnerin im Dirndl bringt vier Maßkrüge auf die Bühne. Die steins, wie sie hier heißen, sind gerade mal zu einem Viertel voll.

Ich hoffe, Sie mögen Polka und Volksmusik, begrüßt Hubsi das Publikum, denn damit werden wir Sie die nächsten sechs Stunden unterhalten. Das erste Lied heißt "Griaß Gott". Und weil das hier niemand versteht, schiebt er eine Erklärung nach: Das heißt so viel wie "hello folks".

Es geht leise los. Heinos "Bergvagabunden". "Grüne Tannen" – auch das kennt man vom Blonden mit der schwarzen Sonnenbrille. "Es ist so schön ein Musikant zu sein" von den Volksmusikveteranen Slavko Avsenik und seinen Original Oberkrainern. Das Schlagzeug dezent getupft, Gitarre und Bass nur gestrichen. Es ist Essenszeit, da soll die Musik nicht stören. Mit Leberkäs, Weißwurst und Brezen ist die Speisekarte natürlich eine exakte Kopie der Münchener.

Das erste Prosit – wie in München zu jeder halben Stunde. Die Trenkwalder heben ihre steins. Das ist eine deutsche Tradition, erklärt Hubsi, und die will gelernt sein. In Las Vegas beginnt das Prosit mit der Aufforderung "Everybody raise your steins". Dann auf Deutsch: "Die Krüge ..." – "... hoch ...", sollen die Zuschauer antworten.

Doch damit nicht genug. Es folgen die Mitgröhlrefrains aus Aprés-Ski-Hölle und Ballermann-Bestiarium: "Prost Du Sack – Prost Ihr Säcke", "Hasta la vista – olé". Und ein dreifaches Zickezacke – hoi hoi hoi. Die Leute machen begeistert mit, obwohl sie kein Wort verstehen.

Dann darf endlich getrunken werden. Die Atmosphäre wird lockerer. An einem Tisch in dritter Reihe findet eine Bachelor Party statt, ein Junggesellenabschied. Zehn, zwölf Männer schunkeln bierselig. In der Reihe dahinter klettern die ersten auf den Tisch. Sofort ist der Sinzger Toni zur Stelle – in amerikanischen Speiselokalen ist das aus hygienischen Gründen verboten.

Die erste Pause. Hubsi hastet raus, schnell eine Zigarette rauchen. Vor der Tür donnert der Verkehr vorbei. Das Hofbräuhaus liegt nicht am Las Vegas Boulevard, dem Strip, wie die schicken Hotels, sondern an einer Ausfallstraße zum Flughafen. Eine ungemütliche Gegend, nicht wie am Platzl in Münchens Altstadt. Aber wen stört das schon? Auch nicht, dass bayerisches Lebensgefühl hier von Österreichern verkauft wird.

Trenkwalder: "Erstens muss man sagen, dass die Auswahl für dieses kleine Landl Tirol, und Salzburg und Kärnten und die Steiermark vielleicht noch dazu, die ist so enorm, dass auf eine bayerische Band sicher 20 Tiroler Bands kommen. Von daher ist die Auswahl viel größer. Und die Leute hier machen überhaupt keinen Unterschied. Und wenn einmal ein Münchener kommt und sagt, das ist ein Skandal, ihr seid ja Tiroler, was macht ihr im Hofbräuhaus.... aber die sagen das natürlich nur bis wir zum ersten mal "Resi, ich hol dich mit meinem Traktor ab" gespielt haben, dann sind sie wieder beruhigt. Aber das passiert selten, vielleicht ein Prozent, der Leute, die ins Hofbräuhaus kommen, sind überhaupt deutsch. Also, wir sind Tiroler und wir stehen auf einer bayerischen Bühne in Las Vegas. Das passt so genau, wie hinten, die Knödel im Hofbräuhaus, die macht ja auch einer, der Ramón heißt und nicht Seppl."

Seit einer Woche sind sie wieder hier. So lange brauchst du, um dich zu akklimatisieren, sagt Hubsi. Die Hitze, die Klimaanlagen überall, der sechsstündige Auftritt jeden Tag. Und die besondere, mit nichts zu vergleichende Atmosphäre im Hofbräuhaus. Hier wird bayerisches Brauchtum nicht gelebt, sondern inszeniert. Als eine Freizeitoption in einer Unterhaltungsmaschinerie, die nie zum Stillstand kommt.

In der Welt der Volksmusik sind die Trenkwalder keine Top-Stars, aber auch keine kleinen Lichter. Sie sind im Musikantenstadl aufgetreten, nach wie vor die populärste Volksmusiksendung im Fernsehen, und auf so ziemlich allen großen Festivals.

Trenkwalder: "Wenn wir zu Hause auf einem Zeltfest spielen, dann kennen uns die Leute, und wir haben tendenziell ein Fünftel der Zuschauer auf unserer Seite, bevor wir das erste mal Mucks machen. In Las Vegas kennt uns, Riesenüberraschung, niemand. Und du kannst einen Super-Abend hinter dir haben, Bombenstimmung, alles auf den Tischen, und am nächsten Abend beginnt alles wieder von Null. Und das ist für einen Musiker, der jeden Abend bestehen will, ein Desaster. Du kannst nicht um 17 Uhr sagen: Liebe Leute, ich hoffe, ihr macht heute mit, denn gestern war eine Bombenstimmung. Das interessiert keinen, was gestern war, da kommen lauter frische Leute rein, 90 Prozent, die noch nie da waren. Die müssen von der Band begeistert sein, sonst werden die keinen guten Abend haben."

Noch kann von Bombenstimmung keine Rede sein. Vielleicht, weil noch nicht genug Bier geflossen ist. Vielleicht auch, weil der Schneewalzer kein Lied ist, das die Leute zum Mitgehen animiert. Immerhin, die Schwemme hat sich gefüllt, fast alle Tische sind voll besetzt.

Ein älteres Ehepaar kommt herein, die Effenhauers, David und Lynn. Er: groß, hager, weißhaarig, sie klein und rundlich mit viel zu großer Brille. Das Paar wird direkt vor der Bühne platziert. Eine Kellnerin stellt einen schmiedeeisernen Aschenbecher mit der Aufschrift Stammtisch vor ihnen auf. Lynn und David Effenhauer winken den Musikern zu. Die grüßen zurück und legen einen Zahn zu. Mit dem "Lumberjack March", vulgo: "Die lustigen Holzhackerbuam". Dazu stapfen sie im Rhythmus von einem Ende der Bühne zur anderen.

David Effenhauer hat als Controller in einem internationalen Konzern mit Sitz in Brüssel gearbeitet. Von dort haben Lynn und er Europa erkundet und sich wie viele Amerikaner in Bayern verliebt. Oder in das, was man bei Kurzabstechern vom Freistaat wahrnimmt. Als das Hofbräuhaus in Las Vegas, ihrem Altersdomizil, vor gut vier Jahren eröffnet hat, haben sie das als Wink des Schicksals gesehen.

Lynn Effenhauer: "Wir gehen jede Woche ins Hofbräuhaus. Und diese Band ist ein unserer liebsten. Sie haben so viel Energie. Und sie spielen wunderbare Musik, einen Mix aus bekannten Märschen und Stimmungsliedern, vor allem später am Abend."

David Effenhauer: "Sie begeistern mich jedes mal. Wie sie sich bewegen, wie sie tanzen - sie verdienen sich ihr Geld im Schweiße ihres Angesichts."

Das Stimmungsbarometer steigt. John Denvers "Country Roads" ist zwar so bayerisch wie das Kufsteinlied amerikanisch, mal abgesehen davon, dass der Sänger bürgerlich Henry John Deutschendorf hieß. Aber das Lied ist eine große amerikanische Gefühlsmaschine. Feuerzeuge werden in die Höhe gereckt, alle wiegen sich im Takt: Take me home, country roads - führt mich nach Hause, nach dort, wo ich hin gehöre.

Am Stammtisch wird es voll. Die Jähnigs trudeln ein, Siglinde im Dirndl, Frank in Tracht. Eigentlich kommen sie aus Hannover, aber im Grunde ihres Herzens sehen sie sich als Bayern. "Ich habe in München gelebt", sagt Frank Jähnig, "diese Meriten habe ich mir verdient." Dann sind da zwei Männer in kurzen Lederhosen, Haferlschuhen und Wadenstrümpfen. Beide haben ihre eigenen Bierkrüge mitgebracht.

Rainer: "Ich bin der Rainer aus Rosenheim, jawoll. Dies ist mein Stammtisch hier."

Rainer ist drahtig, ein ehemaliger Berufssoldat mit Raspelschnitt und Vollbart. Vor fünfzehn Jahren hat er sich in Las Vegas zur Ruhe gesetzt. Seitdem ist er nicht mehr in seiner bayerischen Heimat gewesen.

Der andere Mann heißt Mark und kommt aus Henderson, einer Schlafstadt bei Las Vegas. Er ist groß und hager, mit grau melierten Haaren und einer gewaltigen Nase. Er legt einen Zettel auf den Tisch, darauf steht "Schnitzeljagd", sein word of the day. So lernt er deutsch: jeden Tag ein anderes Wort. Bis heute kann er nicht recht fassen, dass einer wie er, der Deutschland und Bayern nur aus der Ferne kennt, hier am Stammtisch sitzen darf.

Regie Wenn möglich die deutsch geradebrechten Passagen in OT 10 frei stellen. Dann die entsprechenden Sätze in der Übersetzung (blau gekennzeichnet) weg lassen.

Mark: "Es hat lange gedauert, bis ich akzeptiert wurde. Ich bin seit der Eröffnung fast jeden Abend hier. Ich saß immer dort drüben am Fenster. Ich hatte keine Ahnung, was ein Stammtisch ist, aber mir fiel dieser Typ auf, Rainer, der immer am selben Platz saß. Und er bemerkte mich, ich war ja immer da. Und nach langer Zeit sprach er mich an: Ey, du, komm mal her. Wir redeten über dies und das, schließlich sagte er: Du bist in Ordnung, ab jetzt sitzt du hier. Und jetzt, Jahre später, bin ich einer von ihnen."

Schließlich Beth, eine Frau in den Zwanzigern. Sie steckt in einem knallengen Dirndl, die blonden Haare hat sie sich zu Korkenzieherlocken gedreht. Sie ist deutscher Abstammung, aber mit dem Land ihrer Großeltern hat sie nie viel zu tun gehabt. Bis sie vor zwei Jahren nach Las Vegas gezogen ist und das Hofbräuhaus entdeckt hat.

Beth: "Dies ist meine Kultur, die Kultur meiner Familie. Hier spüre ich meine Wurzeln. Ach, das ist so toll!"

Sie klatscht in die Hände wie kleines Mädchen. Ihre Familie ist aus Norddeutschland ausgewandert. Allzu bayerisch das nicht.

Halb neun abends. Hubsi stimmt auf der Trompete die amerikanische Nationalhymne an. Sofort springen alle in der Schwemme auf, auch am Stammtisch. Die Effenhauers und Jähnigs, Rainer, Mark und Beth. Die rechte Hand schnellt zum Herzen und dann wird mitgesungen.

Die Hymne ist der Auftakt zur Party. Es folgt Neil Diamonds Schmachtfetzen "Sweet Caroline". Und ein wildes Potpourri aus Ländlern, Märschen und Polkas. Der Schlagzeuger haut kräftiger zu, Bassist und Gitarrist greifen stärker in die Saiten. Und Hubsi fegt wie ein Irrwisch über die Bühne. In der Schwemme stehen alle auf den Bänken, johlen, tanzen und feiern. Am Stammtisch dagegen übt man sich in vornehmer Zurückhaltung. Nur Mark und Toni schlagen mit zwei Holzlöffeln den Takt mit.

Pause für die Trenkwalder, Auftritt Lynn, ein blondiertes Männlein in schwarzer Lederhose. Er schleppt einen Maßkrug mit Weißwein mit sich herum. Den Wein füllt er zum Trinken in einen Kelch um – warum, bleibt sein Geheimnis. In den 90er-Jahren hat Lynn im Excalibur eine Show mit deutschem Liedgut auf die Bühne gebracht. Im Hofbräuhaus ist er für die Pausenunterhaltung zuständig. Damit die Zuschauer in Feier- und vor allem Trinklaune bleiben, animiert er sie mit Wettkämpfen wie dem Halten eines vollen Maßkruges am, ausgestreckten Arm.

Lynn platziert eine Freiwillige am Bühnenrand, den Trichter seines Alphorns zwischen den Beinen, und bläst eine Melodie – sehr zur Freude der männlichen Zuschauer.

Dann eine deutsche Tradition, wie Lynn erklärt. Wetttrinken, die Männer eine Maß Bier auf ex, die Frauen eine halbe. Alles drängt sich um die Bühne. "Weg da, ich sehe nichts", herrscht Rainer ein paar Jungs an, die sich vor dem Stammtisch aufgebaut haben.

Rainer: "Die trinken einen halben Liter Bier, und machmal zeigen sie ihre Möpse."

Die Jähnigs blicken betreten zur Seite, Mark lächelt zustimmend. Doch seiner Miene sieht man an, dass er nicht recht weiß, wovon sein Freund geredet hat. Hubsi ist vom Rauchen zurück und schaut sich das Spektakel auf der Bühne an.

Hubsi: "Die Leute im Hofbräuhaus sind ja größtenteils kultiviert und echt dankbar, aber manchmal ist es echt eine Freak Show. Wir haben das einmal erlebt, da ist eine Dame rein gekommen, die war wirklich Pamela-Anderson-mäßig, da hast du gesehen, so hat Gott sie sicher nicht erschaffen. Und es war schon klar, dass sie beruflich irgendwas macht, weil der Mann, mit dem sie da war, der hat optisch nicht zu ihr gepasst. Der war ein bisschen dicker und hat nach Geld ausgeschaut. Und dann hat sie gesagt, sie hat einen special request, sie würde gerne auf der Bühne singen, 'I wanna be loved by you' von Marilyn Monroe. Und das war wirklich ein Wahnsinn: Sie hat gesungen, wir haben dazu ein bisschen improvisiert, damit sie das Gefühl hat, wir sind ihre Begleitband, und 800 Menschen im Hofbräuhaus haben sich ausschließlich auf zwei schlagende Argumente in der Bühnenmitte konzentriert und das war wirklich schub, schubidu – ein Wahnsinn! Und du darfst ja nicht lachen, das wäre ihr gegenüber unfair und dem Mann, der sich sehr gefreut hat über das Geburtstagsständchen."

Das Wetttrinken ist zu Ende – ohne besondere Vorkommnisse. Und die Party geht weiter. Mit Stimmungskrachern wie "Viva Colonia", "Ein Stern" oder – immer wieder gern genommen in den USA: ,"Sweet Home Alabama". Und schließlich mit dem Tirolerlied.

Beth beugt sich herüber, die Frau mit den Korkenzieherlocken. Letztes Jahr war sie zum ersten mal in ihrem Leben in Deutschland.

Beth: "Freunde von mir haben in München gelebt, und wir sind ins Hofbräuhaus gegangen. Es war ähnlich und doch ganz anders – irgendwie verrückt. Das Essen war super, wie hier. Aber die Band hat nur kurz gespielt und dann eine endlose Pause gemacht. Irgendwann haben sie weiter gespielt, zwei, drei Lieder – und wieder eine Pause. Da finde ich es hier besser, hier ist mehr Stimmung. Seltsam auch, dass dort Männer sitzen und Karten spielen. Aber alle waren freundlich."

Ach ja, München, seufzt Siglinde Jähnig. Die Seen, die verschneiten Berge ... In Deutschland hat sie als Verwaltungsangestellte gearbeitet und Frank, ihr Mann, als freiberuflicher Journalist. Kein schlechtes Leben, aber vor zehn Jahren haben sie beschlossen, neu anzufangen. An einem neuen Ort, in Las Vegas eben. Und mit einer neuen Geschäftsidee, einem Heiratsservice, dem einzigen hier in deutscher Sprache. Ein bisschen Nostalgie ist mit im Spiel gewesen, schließlich haben sie selbst sich in Las Vegas das Ja-Wort gegeben.

Das Geschäft läuft gut, Menschen glücklich machen, das ist auch etwas fürs Herz. Und das Wetter in Las Vegas ist einmalig – wann regnet es hier schon mal? Immer warm, immer diese strahlend blaue Himmel. Und trotzdem ...

Siglinde Jähnig: "Das Hofbräuhaus ist für uns die kleine Kneipe an der Ecke auch wenn sie etwas groß ausgefallen ist, aber in Las Vegas ist alles ein bisschen größer. Diese Stadt ist sehr anonym, es sind sehr viele Touristen in der Stadt. Und hier trifft man sich. Wenn wir hier her kommen, wissen wir immer, wir treffen bekannte Gesichter und haben Spaß zusammen."

Kurz vor Mitternacht, das letzte Lied. Zwanzig, dreißig Zuschauer harren noch aus. Beth ist längst nach Hause gefahren. Die Effenhauers und Jähnigs verabschieden sich. Ein Händedruck hier, ein Händedruck dort und ein kurzes Winken zur Bühne - bis morgen.

Auch Mark und Toni machen sich schließlich auf, nicht mehr ganz stabil auf den Beinen.

Toni: "Das Hofbräuhaus ist für uns ausgewanderte Bayern ein Stück Heimat. S’gefalllt uns, das Bier ist guat, die Madeln san fesch."

Verschwitzt und erschöpft verstauen die Trenkwalder ihre Instrumente. Während die anderen ein Bier trinken, geht Hubsi raus, eine Zigarette rauchen. Morgen um sechs wird er wieder auf der Bühne stehen. Vor einem neuen Publikum. Nur am Stammtisch werden dieselben Leute sitzen. Beth und Rainer und Mark und die Effenhauers und Jähnigs.

Hubsi: "Das sind alles liebe Leute, die sind alle sehr bemüht, und die unterstützen uns auch sehr und versuchen, uns eine heimelige Atmosphäre zu schaffen. Das ist eine Art Vor-Ort-Fanclub, den wir hier haben. Für die sind wir schon dankbar, aber es schon sicher, wenn man als Deutscher oder Österreicher in Amerika lebt und sich für einen Weg des Lebens entschieden hat und dann jeden Tag am Abend in diese verlorene Atmosphäre zurück kehrt – irgend was ist da faul, das ist mir vollkommen klar. Und die einmal im Monat daher kommen, die machen mir einen frischeren Eindruck als die Leute, die da hocken und sagen: schade eigentlich, wäre ich doch dort geblieben. Aber wehe, du fragst sie das, keiner wird dir das bestätigen, die sagen all, die finden es super, sie trinken nur gerne ihr Bier, und es ist einfach gemütlich."

Ein letzter Zug an der Zigarette. Dann machen sich die Trenkwalder auf den Weg zu ihrem Hotel. Zu Fuß. Und schweigend. Zehn Minuten, um nach einem Kräfte zehrenden Abend in einem bizarren Paralleluniversum runter zu kommen. Immerhin: Den Ententanz hat sich heute niemand gewünscht.