Oasis-Dokumentation "Supersonic"

"Wir waren nie Britpop"

Liam (l.) und Noel Gallagher von der britischen Rockband Oasis bei einer Pressekonferenz 1999 in London, wo sie bekanntgaben, dass Bassist Paul "Guigsy" McGuigan angekündigt habe, die Band zu verlassen.
Liam (l.) und Noel Gallagher von der britischen Rockband Oasis bei einer Pressekonferenz 1999 in London, wo sie bekanntgaben, dass Bassist Paul "Guigsy" McGuigan angekündigt habe, die Band zu verlassen. © picture-alliance / dpa / epa PA Fiona Hanson
Von Matthes Köppinghoff |
Oasis waren lange Zeit das Aushängeschild des Britpop. Der Film "Supersonic" porträtiert die Band um die zwei charismatisch-verrückten Brüder Liam und Noel Gallagher. Allrdings ignoriert er auch ihre die Skandale und das unrühmliche Ende der Band.
Auch sieben Jahre nach der Trennung von Oasis kreischen ihre Fans: Die Oasis-Doku "Supersonic" feierte ihre Deutschland-Premiere in Berlin, und sogar die beiden Ex-Mitglieder Liam Gallagher und Paul "Bonehead" Arthurs waren da. Fans und Journalisten drängten sich um die beiden, um ein Autogramm oder einen Kommentar von Liam abzustauben:
"Es ist die Wahrheit, und es sind die Fakten. Hier ist Oasis, und wir waren echt cool. Und sind immer noch cool."
Die Macher der Oscar-prämierten Amy Winehouse-Dokumentation "Amy" haben sie sich jetzt Oasis gewidmet: Der Geschichte von ein paar einfachen Typen aus Manchester und deren Aufstieg zu einer der größten Bands der 90er, wenn nicht der Popgeschichte.
Oasis war eine Band, die nicht nur für Hits wie "Wonderwall" stand: Ein extremes Selbstbewusstsein, etliche Streitereien mit anderen Bands und sogar untereinander.
Endlich war wieder eine Band aus der Arbeiterklasse da, ganz schlichte Typen von der Insel, mit der sich viele identifizieren konnten. Im Gegensatz dazu standen die Rivalen von der anderen großen Britpop-Band Blur: Artschool-Kids aus der gebildeten Mittelschicht. Diese Bands trafen den Nerv der 90er.

Das Wort "Britpop" kommt im Film nicht vor

Oasis hatten aber vor allem eins: Die beiden charismatisch-verrückten Brüder Liam und Noel Gallagher, die für Fans zu Ikonen wurden. Der nie endende Streit der beiden war für die britische Klatschpresse immer eine Schlagzeile wert – denn stets hatte einer der beiden einen fragwürdigen Kommentar auf Lager. Heute verleugnen Ex-Frontmann Liam Gallagher und Ex-Gitarrist Bonehead sogar die Schublade "Britpop" – ein Wort, das im Film übrigens nicht einmal genannt wird.
"Wir waren nie Britpop, man. Wir waren Oasis und nicht Britpop. All' diese Bands in Camden, wie Menswear... das war alles Quatsch, ich war froh damit nichts zu tun zu haben. Wir waren im Vergleich dazu auf einem ganz anderen Planeten und hatten mit der Britpop-Szene nichts zu tun. Wir waren einfach eine Rock And Roll-Band, Punkrock... wir waren echt."
Da kann man in der Tat auch anderer Meinung sein – denn natürlich waren Oasis neben Blur, Pulp und Suede eine der größten Britpop-Bands, die sogar mit der britischen Flagge posierten und ihre Gitarren in den Farben des Union Jack lackierten.
Fest steht: Erfolgreich waren Oasis; auch, wenn es viele Aufs und Abs gab. Skandalträchtige Sprüche wie "Eine Nase Koks ist wie eine Tasse Tee zum Frühstück", schlechtere Platten und am Ende die Trennung der Band 2009. Im Film werden allerdings nur die ersten drei Jahre der Band gezeigt – "Supersonic" endet bei dem Karriere-Höhepunkt: Zwei ausverkauften Open-Air-Konzerten in Knebworth 1996, für das 2,6 Millionen Menschen Karten haben wollten. Die Frage ist: Warum endet er genau da, eben bevor es mit Oasis bergab ging?
"Der Film handelt von unserem Aufstieg: Von nichts nach Knebworth in drei Jahren. Also warum sollte man sich über alles danach aufregen. Klar, da gab es schon ein paar tolle Sachen danach, auch wenn das meiste davon echt nicht so gut war... man sollte nicht so viel auf die Clowns geben die sich jetzt beschweren. Der Film ist über den Anfang bis Knebworth."

Film zeigt fast nur die großen Erfolge

Zwar ist Liam Gallagher der Meinung, dass es nur um die glorreichen ersten drei Jahre von Oasis gehen sollte. Dennoch: Ein großer Vorwurf, dem man "Supersonic" durchaus machen darf – der Film feiert sich selbst. Es werden fast ausschließlich die ganz großen Erfolge gezeigt: Die ersten beiden Alben, die von Fans und Kritikern gefeiert wurden, ausverkaufte Konzerte – und wie schnell und anscheinend reibungslos das alles vor sich ging. Das zeigen die Macher in vielen unveröffentlichten Filmmitschnitten von damals – und aktuellen Interviews.
"Liam war immer cooler als ich: Er hatte einen besseren Gang. Er sah besser aus als ich und war größer. Er hatte einen besseren Haarschnitt und war lustiger. Auch wenn er gern mein Talent als Songschreiber gehabt hätte."
Kritik an ihnen selbst deutet der größere Bruder Noel im Film nur an – für ihn war Liam mit Abstand der beste Sänger seiner Zeit.
"Da gab es eine Zeit , da war Liam der beste Sänger der Welt. Und auch der beste Frontmann, und er sah auch noch gut aus. Das waren die magischen Jahre. Der Trick ist: Das muss man auch beibehalten."
Trotzdem zeigt der Film auch sehr intime Momente, in dem er die schwierigen Familienverhältnisse der Gallaghers beleuchtet. So erzählen Liam und Noel in "Supersonic" auch von ihrem Vater. Der schlug seine Frau, verprügelte regelmäßig die Söhne, bis die Mutter mit ihren Kindern vor ihrem Mann fliehen musste.

"Liam ist wie ein Hund, ich wie eine Katze"

"Supersonic" behandelt auch den Moment, als Vater Gallagher Jahre später versucht den Kontakt zu seinen mittlerweile erfolgreichen Söhnen wieder aufzunehmen. Und die beiden lehnen ab. Ein sehr hartes Thema, bei dem man nach der Beweihräucherung der eigentlich so kühl-arroganten Brüder die Familie doch ein bisschen besser versteht. Vielleicht erklärt das sogar die schwierige Bruder-Beziehung zwischen Songschreiber Noel und dem Frontmann und Sänger Liam. Brüder, die in einer Hassliebe verbunden sind:
"Ich hasse den Begriff 'Geschwisterrivalität'. Aber tatsächlich ist es genau das. Ich kenne meinen Bruder wie niemand anders – Liam ist wie ein Hund, ich wie eine Katze. Katzen sind sehr unabhängig, sie scheren sich einen Dreck, Hunde sind eher so 'spiel mit mir, spiel mit mir, wirf den den Ball für mich' – die brauchen wirklich Gesellschaft."
"Supersonic" ist ein von sich sehr überzeugter Film und spiegelt die Gallagher-Brüder damit einwandfrei wieder. Dort, wo die Probleme für Oasis anfingen, endet er abrupt; Skandale werden nur angerissen, schlechte Alben und Streitereien mit Bands wie Blur vermisst man komplett. Es fehlen schlichtweg 13 Jahre Bandgeschichte und das unrühmliche Ende.
Einen großen Pluspunkt darf man allerdings nicht außen vor lassen: Der Film ist äußerst amüsant. Bei aller Arroganz hatten Oasis in ihrer ganzen Karriere einen schrägen, aber hohen Unterhaltungswert – speziell die brüderlichen Streitereien waren oft unfreiwillig komisch. Ein Streit zwischen Liam und Noel wurde sogar als CD veröffentlicht – und kam bis auf Platz 52 der britischen Charts. Zwei Brüder, die sich einfach nur anfauchen; wohl einmalig in der Musikgeschichte.
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