Obama wird in zweiter Amtszeit "stärker handeln können"

Lahme Ente oder starker Präsident - Wie gestaltet US-Präsident Barack Obama seine zweite Amtszeit?
Lahme Ente oder starker Präsident - Wie gestaltet US-Präsident Barack Obama seine zweite Amtszeit? © picture alliance / dpa /Kevin Dietsch / Landov
Susan Neiman im Gespräch mit Nana Brink |
In seiner zweiten Amtszeit habe Barack Obama mehr Spielraum als zuvor, sagt die Leiterin des Einstein Forums, Susan Neiman. So habe der US-Präsident 19 Punkte zur Reform der Waffengesetze benannt, die er auch ohne Zustimmung des Kongresses durchsetzen könne.
Nana Brink: 1,8 Millionen Menschen versammelten sich an einem eiskalten sonnigen Januartag 2009 in Washington, um den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika bei seinem Amtseid zu beobachten. Ein Traum schien sich damals zu erfüllen, die Nation hielt inne. Fast übermenschliche Fähigkeiten schrieb man diesem Barack Obama damals zu, gerade auch in Europa. Vier Jahre später wird er wieder als 44. Präsident der Vereinigten Staaten auf den Stufen des Kapitols vereidigt. Marcus Pindur .

Diesmal ist es zwar wärmer in Washington, aber nur vom Wetter her – ansonsten ist das Klima im politischen Washington mehr als frostig. Gerade wurde ja erst die fiskalische Klippe mühsam abgewendet, und das nächste Drama steht vor der Tür, die Anhebung der Schuldengrenze - ansonsten ist die größte Nation der Welt, die größte Wirtschaftsnation, bald zahlungsunfähig. Also, was haben die Amerikaner zu erwarten? Am Telefon ist jetzt Susan Neiman, Direktorin des Einsteinforums im Potsdam. Einen schönen guten Morgen, Frau Neiman!

Susan Neiman: Guten Morgen!

Brink: Was ist denn Ihre dringlichste Erwartung an den neuen Präsidenten Obama?

Neiman: Ich war einer der Menschen, die gefroren haben an dieser ersten Amtsvereidigung, und ich bin diesmal nicht dabei, das heißt, die Neuigkeit, oder das Erstaunen darüber, dass Barack Obama Präsident geworden ist, ist natürlich vorbei. Wir gewöhnen uns immer an das, was wir erreicht haben. Dennoch ist die Hoffnung wirklich nicht vorbei, und viele Amerikaner meinen, das ist ein noch wichtigerer Sieg als der erste – ich gehöre dazu.

Der erste hatte sehr viel mit den Enttäuschungen oder der Abschreckung, könnte man sagen, von der Politik Bushs zu tun, sodass man wirklich bereit war, diesen absolut ungewöhnlichen Kandidaten doch zu wählen. Die zweite Amtszeit hat damit zu tun, dass man doch - jedenfalls die Mehrheit des Landes ist ziemlich mit seiner Politik zufrieden oder wenigstens mit den Alternativen absolut unzufrieden. Und mit dieser Sicherheit ist Obama in der Lage, endlich Sachen zu tun, die politisch unmöglich gewesen waren – nehmen wir das neue Waffengesetz.

Brink: Aber darf ich da kurz mal einhaken, und zwar wenn wir gerade auf die Verschärfung der Waffengesetze zu sprechen kommen: Er hat ja eine weitgehende Verbesserung gefordert, aber er kommt ohne den Kongress damit nicht weiter, und wir wissen, der Kongress ist zutiefst gespalten, also die Mehrheit im Senat bei den Demokraten, beim Repräsentantenhaus nach wie vor bei den Republikanern. Das heißt, er kann ohne diesen Kongress nichts bewegen?

Neiman: Das stimmt nicht. Der hat sich ausdrücklich 19 Punkte ausgedacht, die er als Exekutiv, ohne die Zustimmung des Kongresses schon einführen kann, und er hat sich bereiterklärt, das zu tun. Sie haben natürlich recht, dass ein wirklich umfassendes Waffengesetz, wie wir uns in Europa erfreuen, wird er nicht ohne Kongress durchsetzen, das ist klar. Aber der Man weiß selber, was er ohne Kongress machen kann und was er nicht machen kann. Und er hat 19 Punkte schon ins Visier genommen, für die er die Zustimmung des Kongresses nicht braucht.

Brink: Aber für die Entscheidenden, nämlich die halbautomatischen Waffen und die Überprüfungen, das wird ohne das Repräsentantenhaus nicht gehen, weshalb ich noch mal darauf zu sprechen komme. Denn innenpolitisch sind die USA ja zerrissener denn je, also wenn wir uns die politische Situation angucken, gerade auch im Repräsentantenhaus, das ja wesentliche Gesetze auch verabschiedet. Muss der nächste Präsident nicht auch diese parteilichen Egoismen überwinden?

Neiman: Das hat er schon in der ersten Amtszeit versucht, und er hat endlich im Spätsommer 2011 erkannt, dass diese Spalte mit diesen Menschen nicht überwunden werden kann, also das wollte er. Die Unzufriedenheit mit dem Kongress ist schon nicht nur bei den Demokraten oder nicht nur bei Obama - das wird reflektiert in sehr vielen Umfragen. Also insofern müsste er diesmal kämpfen. Kein Mensch weiß im Augenblick, wie er diese Schuldenfrage löst. Es sind allerlei radikale, manchmal witzige Vorschläge gemacht worden, dass er zum Beispiel die Autorität hat, eine einzelne Münze über eine Trillion Dollar ins Leben zu rufen. Er hat jetzt gesagt, dass er das nicht tut, er hat aber auch ganz deutlich gesagt, dass er sich dieser Gewalt nicht beugt.

Brink: Also Sie meinen jetzt sozusagen die drohende Schuldengrenze, die Anhebung der Schuldengrenze, wenn das ja nicht passiert, dann droht ein Staatsbankrott. Aber auch da muss es ja eine Zusammenarbeit geben, und das ist ja – Sie haben Recht, die Umfragen sprechen zum Beispiel gerade bei den Waffengesetzen ja dafür, aber das münzt sich nicht um in Politik, und die Amerikaner sind es ja auch leid, wenn man sich das schlechte Image des Kongresses anguckt. Und noch mal gefragt, welch einen Spielraum hat denn da ein Präsident, oder welchen Spielraum hat er denn, denn er kann nicht wiedergewählt werden, das heißt, er kann sich freier bewegen, oder?

Neiman: Ja, ja, genau, das ist all unsere Hoffnung! Und deshalb spricht er auch viel deutlicher und radikaler als in der ersten Amtszeit, auch in der Außenpolitik. Ich freue mich sehr über seine Aussagen über Netanjahu, die hat er selber nicht auf einer Pressekonferenz präsentiert, aber das Weiße Haus hat es auch nicht dementiert. Das heißt er hat ganz klar gesagt, Netanjahu stellt eine Gefahr für den Staat Israel dar, dass er Israel in die Isolation treibt, und das ist eine ganz klare Botschaft.

Brink: Wenn ich das abschließend noch mal zusammenfassen darf, dann sehen Sie also, dass Obama mehr Freiheiten hat und nicht eine "Lame Duck" ist, wie man so schön sagt?

Neiman: Aber auf gar keinen Fall, nein. Er ist kein "Lame Duck" – also ein "Lame Duck" könnte er möglicherweise werden im vierten Jahr, obwohl, auch da haben Präsidenten Möglichkeiten zu handeln. Nein, nein, der ist verstärkt durch diese Wahlkampagne, verstärkt durch die Umfragen, und obwohl es natürlich radikale Gegner gibt, er wird stärker handeln können in der zweiten Amtszeit.

Brink: Susan Neiman, Leiterin des Einsteinforums in Potsdam, schönen Dank für das Gespräch!

Neiman: Ich habe zu danken!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Susan Neiman, US-amerikanische Philosophin und Leiterin des Potsdamer Einstein-Forums
Susan Neiman© picture alliance / dpa / Karlheinz Schindler