Oberammergau

Ein Muslim als Passionsspielleiter

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Der zweite Spielleiter der Oberammergauer Passionsspiele 2020, Abdullah Kenan Karaca. © picture alliance / dpa / Sven Hoppe
Von Michael Watzke |
Vor 15 Jahren wurde der Leiter der Passionsspiele, Christian Stückl, auf einen Jungen aufmerksam, der gespannt die Proben verfolgte. Jetzt hat er diesen jungen Muslim zu seinem Stellvertreter gemacht: Ein Porträt des Oberammergauers Abdullah Kenan Karaca.
Die Kirche bleibt im Dorf. Die Glocken von St. Peter und Paul klingen wie eh und je. Und doch ist etwas anders in Oberammergau - drei Tage nach der Passions-Revolution.
"Ich konnte nicht ruhig sitzen, ich war total ... ich bin's, glaube ich, immer noch ... total aufgewühlt. Weil ich das natürlich auch nicht kenne. Mit der Entscheidung geht's mir total gut. Ich freue mich einfach nur, dass es so ausgegangen ist."
Mit 13 zu fünf Stimmen entschied der Gemeinderat von Oberammergau, dass Abdullah Kenan Karaca der erste muslimische Spielleiter in der fast 400-jährigen Geschichte der Oberammergauer Passionsspiele wird.
"Ich weiß, dass es ein christliches Gelübde ist. Und da spielt meine Religion erstmal keine Rolle."
Nicht orthodox, aber auch nicht säkular
Abdullah Kenan Karacas Religion ist der Islam. Nicht der orthodoxe, aber auch nicht der rein säkulare, sagt Karacas Mentor und Entdecker. Der Katholik Christian Stückl war bisher alleiniger Festspielleiter. Nun wird er sich die Aufgabe mit einem 26-jährigen Deutschtürken teilen.
"Er hat, auch wenn er aus einem anderen religiösen Hintergrund kommt, ein großes Interesse. Wir waren gemeinsam in Israel. Wir diskutieren wahnsinnig viel über Religion. Ich spann' richtig, er will da hinein. Ihn zieht's da hinein. Er ist, er ist ... irgendwie brennt er dafür."
Christian Stückl hat ein Haus in Oberammerau. Das Erdgeschoss dieses Hauses hat er an einen Kiosk vermietet. Dieses kleine Tabak-Standl ist eine Art Barometer für die Stimmung unter den 5000 Einwohnern von Oberammergau. Wer hier die Kunden fragt, was sie von der Entscheidung für Abdullah Karaca halten, trifft zwei Lager. Die einen, meist jüngeren, sagen:
"Mich freut's wahnsinnig, dass der Abdullah zweiter Spielleiter geworden ist."
"Ich bin sehr zufrieden und froh und stolz."
"Ich bin begeistert und froh, dass sie es so entschieden haben. Gigantisch!"
"Ich finde, Papst Franziskus kann stolz auf uns sein. Weil wir hier Integration leben."
Die andere Fraktion sagt, wenn sie sich denn offen äußert: "Sowas hätt's früher nicht geben ... "
"Also ich finde das so nicht richtig. Es hätte doch auch andere gegeben."
"Die Diskussion hätt' man sich sparen können."
"Ich bin auch nicht einverstanden mit der ganzen G'schicht!"
"I bin a echte Oberammergauerin. Mir tut das richtig weh."
Regisseur Christian Stückl während einer Premierenfeier von "Jedermann" bei den Salzburger Festspielen in 2012.
Regisseur Christian Stückl © picture alliance / dpa / Barbara Gindl
Ein echter Oberammergauer ist aber auch Abdullah Karaca. Geboren im benachbarten Garmisch, aufgewachsen im Dorf. Und seit dem Jahr 2000 auch bei der Passion dabei - als Schauspieler. Auf der großen Bühne des Freiluft-Theaters erlebte er die sagenhaft passionierte Präsenz des Regisseurs und Theater-Berserkers Christian Stückl.
"Es war, glaube ich, ziemlich genau an dieser Stelle hier. Etwas weiter hinten. Der hat immer die Menschen auf der Bühne von links nach rechts hin- und hergeschickt. Und das und das gewollt. Als Kind hat man das gar nicht verstanden. Man hat nur einen Mann gesehen, der da Theater macht."
Jetzt macht Abdullah Karaca selber Theater. Nach seiner Regie-Ausbildung in Hamburg inszeniert er am Münchner Volkstheater, zuletzt "Der große Gatsby" und "Woyzeck". Aktuell probt er "Romeo und Julia" in einem Theaterzelt in Oberammergau.
Anders als sein Vorgänger
Sein Stil, sagt Karaca, unterscheide sich von dem seines Förderers Christian Stückl.
"Ich bin manchmal nicht so ... so impulsiv wie er, glaube ich. Ich mach' das doch ein bisschen ... bisschen anders."
Wenn "Romeo und Julia" Mitte Juli Premiere feiert, können sich die Oberammergauer selbst ein Bild vom Regisseur Abdullah Karaca machen. Bürgermeister Arno Nunn ist jetzt schon überzeugt:
"Ich sehe das absolut als Chance. Es bildet das ab, was in der Gesellschaft passiert um uns herum. Warum soll das hier anders sein? Wir sollten fragen, wie steht der Mensch dazu? Wie ist er motiviert, das umzusetzen? Dafür ist er der richtige Mann. Er bringt das weiter und kann neue Aspekte hereinbringen und uns helfen, richtig gut zu werden."
Bis dahin bleibt Abdullah Kenan Karaca noch viel Zeit. Die nächsten Passionsspiele finden erst 2020 statt. Und auch dann wird in Oberammergau die Kirche noch im Dorf stehen.
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