"Unsere Gesellschaft ist strukturell rassistisch"
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Seit Beginn des Jahres gibt es eine Anti-Rassismus-Klausel für Theater. Das Theater Oberhausen ist die erste Bühne, an der Künstler die Klausel in ihren Vertrag aufnehmen wollen. Intendant Florian Fiedler begrüßt sie, doch die Verwaltung sperrt sich.
Seit Januar gibt es eine Anti-Rassismus-Klausel für Theaterverträge, entworfen von der Juristin und Dramaturgin Sonja Laaser und der Regisseurin Julia Wissert. Das Performancekollektiv Technocandy will diese Klausel in seinem Vertrag für das aktuelle Stück "Schaffen" am Theater Oberhausen integriert sehen, das am heutigen Freitag Premiere feiert. Doch das ist bisher nicht passiert, obwohl Intendant Florian Fiedler selbst für die Klausel eintritt.
Im Ernstfall könnte die Klausel zur Absage einer Premiere führen, wenn die Produzenten oder andere am Stück Beteiligte sich rassistisch diskriminiert fühlen. Widerstände gebe es noch in der Theaterverwaltung, bedauert Fiedler im Deutschlandfunk Kultur.
Die Klausel soll kein Pranger sein
Dabei soll es gar nicht darum gehen, mit der Anti-Rassismus-Klausel jemand an den Pranger zu stellen, sagt Fiedler: "Der Leidensdruck muss schon sehr groß sein, bis jemand sagt, er bringt eine Premiere nicht raus. Deshalb finde ich das nicht so riskant. Aber es gibt eben Leute, die das als Risiko einschätzen. Und am Theater werden Verträge nicht nur von der Intendanz gemacht, sondern vor allem eben auch von der Verwaltung."
Ein Problem sei sicherlich, dass das Wort "Rassismus" bei einigen Leuten starke Emotionen hervorrufe, sodass es schwierig sei, darüber ruhig und sachlich zu reden. Mit Blick auf die Verwaltung erklärt Fiedler: "Vielleicht braucht es auch einfach noch mehr Zeit, um das juristisch abzuklären. Vielleicht ist es aber auch eine Haltungsfrage." Das Theater Oberhausen sei das erste, dass konkret mit der neuen Klausel konfrontiert werde und "bei denen das auch so öffentlich zum Thema wird".
Eine offene Diskussionskultur
Am Theater Oberhausen herrsche eine sehr offene Arbeitsatmosphäre und Diskussionskultur. Deshalb sei es schwierig, wenn dann ein so negativer Begriff wie "Rassismus" hängenbleibe und sei es auch nur im Zusammenhang mit der Diskussion um die Klausel.
Für Fiedler ist es auch eine Diskursfrage: "Ist man bereit, anzuerkennen, dass unsere Gesellschaft an sich – und nicht einzelne Theater – strukturell rassistisch ist aufgrund der Geschichte, die wir haben? Und wenn man bereit ist, das anzuerkennen, dann kann so eine Klausel natürlich auch helfen als Zeichen dafür, dass man bereit ist, sich damit auseinanderzusetzen."
Insofern zeige auch ein Theater, das diese Klausel verbindlich unterschreibe, dass es das Thema ernst nehme.
(mkn)