Ein Etappensieg für die Johnson-Gegner – mehr nicht
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Die von Boris Johnson verordnete Zwangspause für das britische Parlament ist beendet. Das oberste Gericht des Landes befand sie für illegal. Der Autor James Hawes sieht seine Heimat dennoch in einem vorbürgerkriegsähnlichen Zustand.
Nach zwei Wochen Zwangspause tritt am Mittwoch das britische Parlament, das Unterhaus, wieder zusammen. Elf Richter des Supreme Court in London haben einstimmig entschieden, dass es rechtswidrig war, der Königin zu empfehlen, das Parlament zu beurlauben und damit daran zu hindern, seine in der Verfassung festgeschriebenen Aufgaben wahrzunehmen.
Für den britischen Premier Boris Johnson ist das Urteil eine Niederlage, für den Schriftsteller James Hawes hingegen ein Grund zur Freude. Er ist "außer Rand und Band", wie er im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur sagt.
Vorbürgerkriegsähnliche Zustände
Der britische Romancier, Kafka-Biograph und Autor des provokanten Buches "Die kürzeste Geschichte Deutschlands" zeigt sich einerseits froh über den Ausgang des Rechtsstreits, malt aber andererseits ein düsteres Bild von der Zukunft seiner Heimat. Für Hawes befindet sich das Vereinigte Königreich in einem vorbürgerkriegsähnlichen Zustand.
Im Gespräch erinnert er an das Jahr 1640, also die Zeit vor dem Englischen Bürgerkrieg, als König Karl I. das Parlament nach nur drei Wochen wieder auflöste, nachdem es ihm Gelder für seine militärischen Vorhaben verwehrt hatte. Auch bezeichnet Hawes Regierungschef Johnson als "Condottiere", eine bis in die Mitte des 16. Jahrhunderts geläufige Bezeichnung für Söldnerführer.
Das nahe Ende des Vereinigten Königreichs
Hawes ist sich sicher, das Ende Großbritanniens ist nahe: "Wir sind jetzt im sogenannten Endspiel des Vereinigten Königreichs. Das ist die letzte Etappe des Verfalls des britischen Weltreichs. England wird schon bald alleine stehen – zum ersten Mal in 1000 Jahren."
Auf die Queen werde sich das Urteil nicht negativ auswirken, erklärt Hawes. Sie stehe über jeder Kritik wie einst der Kaiser in Deutschland: "Wir lieben unsere Königin." Schuld an der aktuellen Misere sei allein Johnson. Ob sich das Urteil aber negativ auf ihn auswirken werde, sei offen. Im Moment stehe der Premier im Schatten seines Beraters Dominic Cummings und wie er sei Johnson zum Äußersten bereit, so Hawes.
Johnsons Strategie bei Neuwahlen
Sollte es Neuwahlen geben, werde sich der amtierende Regierungschef als Freund des Volkes und Volkswillens inszenieren und damit in Stellung bringen gegen die Justiz, die Elite und "gegen das, was in Deutschland in den 1930er-Jahren Systempolitiker hieß. Das kann ganz gefährlich werden. Ich habe kein großes Vertrauen in meine Landsleute, wenn es zu dieser Frage kommt."