Odyssee eines DDR-Teenagers
Auf dem Ozeandampfer MS Berlin tritt Micha 1958 die ungewisse Reise in Richtung New York an. © imago images / Arkivi
"Wir sollen nach Amerika?"
29:13 Minuten
Micha wächst als Waisenkind in der DDR auf. 1958 holt ihn seine ältere Schwester in die USA, wo er sich schnell einlebt. Doch dann gerät er bei einer Reise in die alte Heimat zwischen die Fronten des Kalten Krieges und sein Leben wird zum Albtraum.
Micha wächst nach dem Krieg in der DDR auf. Als er zehn Jahre alt ist, stirbt erst seine Mutter und dann sein Vater. Micha ist Vollwaise und landet nach vielem Hin und Her in einem Heim in Heiligenstadt. Auch sein jüngerer Bruder kommt in das Heim, und die Jungen sind froh, einen Ort gefunden zu haben, an dem sie bleiben können.
Dann werden sie im März 1958 in das Büro des Heimleiters gerufen, der ihnen einen Brief ihrer älteren Schwester Anne zeigt, die in den USA lebt: „Zu der fahrt ihr jetzt.“ Drei Tage später besteigen sie in Bremerhaven den Ozeanriesen „MS Berlin“. Zielhafen: New York.
Reise ins Ungewisse
Claas Christophersen erzählt in „Plus Eins“ von einem berührenden Nachkriegsschicksal. Micha ist 14, als er die Reise ins Ungewisse antritt, und er hat vor allem Angst: „Ich habe nur darüber nachgedacht, hoffentlich erkennst du deine Schwester! Und was passiert, wenn die nun gar nicht da ist? Ja, dann müssen wir wieder zurück. Aber wohin denn?“
Tatsächlich sieht dann alles nach einer fast märchenhaften Wendung aus: Anne wohnt in Collingdale, Pennsylvania, einem gut situierten Vorort von Philadelphia, und Micha und sein Bruder leben sich dort schnell ein. Freunde, Highschool, Football-Team: Es ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten.
Heimatbesuch gerät zum Albtraum
Doch dann kommt alles anders. Als Anne mit den beiden Jungen im Sommer 1960 eine Reise in die DDR machen will, um Verwandte zu besuchen, werden sie an der innerdeutschen Grenze aus dem Auto gezogen und in ein sogenanntes Durchgangslager gesteckt. Aus dem Märchen wird ein Albtraum: Micha und sein Bruder dürfen nicht wieder ausreisen – und müssen in der DDR bleiben.
„Und was da nun alles passierte“, erinnert sich Micha viele Jahre später, „das war mir so was von fremd geworden ...“ Michas Geschichte: eine Nachkriegsodyssee, ein Schicksal aus der Zeit des Kalten Krieges – und ein Junge, der keine Heimat finden darf.
(*) Redaktioneller Hinweis: Wir haben eine Bildunterschrift korrigiert.