OECD kritisiert "Wortgeklingel" der G8-Staaten

Eckhard Deutscher im Gespräch mit Birgit Kolkmann |
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) verlangt von der Agrarministerkonferenz der G8-Staaten ein Umschwenken in der Subventionspolitik. Die Wirtschaftskrise habe ein erhöhtes Problembewusstsein geschaffen, sagte der Leiter des Entwicklungsausschusses der OECD, Eckhard Deutscher. Man müsse jetzt auch danach handeln und die Agrarsubventionen in den reichen Ländern abbauen.
Birgit Kolkmann: Eckhard Deutscher ist langjähriger Entwicklungsexperte, war viele Jahre bei der Weltbank und leitet jetzt den Entwicklungsausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, OECD. Schönen guten Morgen in der Ortszeit, Herr Deutscher!

Eckhard Deutscher: Guten Morgen, Frau Kolkmann

Kolkmann: Ist denn das Thema jetzt ganz oben auf der Dringlichkeitsliste der Weltpolitik angekommen?

Deutscher: Ich habe da meine Zweifel. Die verschiedenen G8-Runden – die es im Vorfeld auf den sogenannten Gipfel, wenn sich die Präsidenten der G8 treffen werden – bringen natürlich konzeptionell das auf den Punkt, was im Augenblick an Problemen vorherrscht, also im Bereich der Landwirtschaft die nachhaltige Landwirtschaft, Kampf gegen Finanzspekulationen, die freien Märkte mit Regeln. Aber genau bei dem letzten Punkt, wie auch der italienische Landwirtschaftsminister Zaia gesagt hat, gibt es immer wieder Ausnahmen, sodass die eigene Klientel bedient werden muss. Wenn man also insgesamt die großen Ansprüche, die bei solchen Meetings, bei solchen Treffen immer gestellt werden, mit der Realität vergleicht, dann gibt es nach wie vor große Diskrepanzen. Wir sehen das auch in der Entwicklungspolitik, seit 2002 werden die Finanzierungen für die Entwicklungspolitik immer wieder versprochen, aber es wird nicht genug dafür getan. Wir müssen die Politik daran messen, was gesagt wird und wie hinterher tatsächlich gehandelt wird.

Kolkmann: Tun also vor allem die reichen Staaten im Augenblick oft genau das Falsche, dass sie sich und ihre Märkte schützen, statt den Armen zu helfen?

Deutscher: Ich fürchte, so ist es nach wie vor. Es wird mit großem Wortgeklingel immer wieder gesagt, wir müssen Afrika helfen, wir müssen Subventionen abschaffen, wir müssen die Ernährungssicherheit garantieren, aber wenn wir nur auf die Frage der Produktionsanreize für die eigene Landwirtschaft der G8-Staaten sehen, dann werden die Kleinbetriebe kaputtgemacht. In den G8-Ländern sind die meisten Kleinbetriebe bereits den Agrarfabriken zum Opfer gefallen und die Überschussproduktion wird dann als Billigware in die Entwicklungsländer exportiert, wo sich dann die Kleinbauern auch nicht wehren können, wo die eigene Landwirtschaft mit Subventionswaren der Reichen dann kaputtgemacht wird. Hier, bei der Frage der Subventionen, ist das ein ganz entscheidender Punkt, und ich hoffe, dass sich in der Abschlusserklärung, die ja heute morgen veröffentlicht werden soll, dass hier Aussagen gemacht werden auch über die Frage, wie man künftig mit Subventionen verfahren will, was ja seit Jahrzehnten öffentlich diskutiert wird, aber es wird kaum erfolgversprechend gehandelt.

Kolkmann: Wenn die großen Industriestaaten wie die USA oder auch wie die Europäische Union so verfahren, wann beginnt da ein großer Handelskrieg? Denn irgendwann werden sich ja große Staaten wie China, Indien, aber auch Staaten in Afrika schützen, indem sie dann eigene Handelsschranken aufbauen.

Deutscher: Ich glaube, die WTO-Runde der Welthandelsorganisation – hier jetzt endlich, was auch Jahrzehnte versprochen worden ist, hier muss es zu verbindlichen, globalen Regeln kommen. Die Welt hat sich so dramatisch verändert, Partikularinteressen, Einzelinteressen werden nicht mehr einen Siegeszug vorantreten. Deswegen sind auch die G8 zunehmend durch eine G20-Gruppe, wo also sehr viel mehr Länder beteiligt werden, um die globalen Probleme zu diskutieren, haben die G8-Länder immer mehr an Bedeutung verloren. Sie haben noch ihren Stellenwert, das will ich gar nicht bestreiten, aber um zu klaren, globalen Regeln zu kommen, einschließlich Gefahren eines globalen Handelskrieges, das geht nur mit G24 und – besser noch – mit dem Einschluss der Entwicklungsländer. Hier ist die WTO die richtige Adresse. Hier muss endlich zu Ergebnissen gekommen werden, die Zeiten sind vorüber, ich sage es noch einmal, dass Partikularinteressen Siegeszüge antreten. Hier muss auf die Globalisierungsherausforderungen angemessen und mit Qualität reagiert werden und das passiert derzeit nur in Ansätzen.

Kolkmann: Wäre es wichtig, dass eine Entscheidung in dieser Frage möglichst schon bis zum G8-Gipfeltreffen in Italien im Sommer gefunden wird?

Deutscher: Es wäre wünschenswert, aber ich glaube nicht, wer das internationale Verhandlungsgeschäft kennt, weiß, wie langsam die Prozesse hier gedeihen und dann immer auch mit einem gemeinsamen kleinen Nenner. Ich glaube, wir werden noch einige Jahre brauchen, aber mich stimmt optimistisch, dass sich hier, gerade auch nach der Finanz- und Wirtschaftskrise, dass sich hier neue Sensibilitäten entwickelt haben, was also internationale Organisation angeht, die Stärkung der internationalen Organisation. Die Weltbank ist heute nicht mehr, was die Weltbank noch vor zehn Jahren gewesen ist, der Internationale Währungsfonds, Strauss-Kahn ist in Tansania gewesen vor einigen Wochen, hier gibt es ein erhöhtes Problembewusstsein und nicht nur bei den Finanzorganisationen, auch im Rahmen der UN und auch bei den G8. Das stimmt mich optimistisch und wir werden noch einige Jahre dazu brauchen, aber ich glaube, die Erkenntnis, dass wir so nicht weitermachen können, diese Erkenntnis, die wird sich steigern.

Kolkmann: Eckhard Deutscher war das im Gespräch. Er ist Leiter des Entwicklungsausschusses der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, der OECD. Vielen Dank dafür, Herr Deutscher!

Deutscher: Gerne, auf Wiederhören!

Kolkmann: Auf Wiederhören.