"Ein wildes Stück"
Die Stücke des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth gehören zu den meistgespielten des 20. Jahrhunderts. Nun hat ein Auktionshaus ein bisher unbekanntes Werk von ihm verkauft, das die Forscher freuen wird, meint Hubert Spiegel von der "FAZ".
Das Leben des auf Deutsch schreibenden Schriftstellers Ödön von Horváth, dessen Stücke wie "Geschichten aus dem Wiener Wald" vor allem in den 30er-Jahren erschienen, ist biografisch ausgeleuchtet. 1938 kam er in Paris im Alter von 37 Jahren tragisch ums Leben. In der Nationalbibliothek in Wien wird an einer historisch-kritischen Werkausgabe gearbeitet. Dort liegt auch ein großer Teil des Horváth-Nachlasses.
Das auf Autographen spezialisierte Berliner Auktionshaus Stargardt hat bei einer Versteigerung ein 95 Seiten starkes Typoskript von Horváth für 11.000 Euro verkauft. Den Zuschlag erhielt die Wienbibliothek, die ehemalige Wiener Stadt- und Landesbibliothek, die im Rathaus der Stadt untergebracht ist. Der Text trägt den Titel "Niemand".
Hubert Spiegel, Feuilleton-Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", durfte das Stück vor der Versteigerung lesen. Er nennt den Stil "sehr expressionistisch". Die Hauptfigur ist ein dämonischer Hausherrn. Als Nebenfiguren tauchen Prostituierte, Handwerker und Totengräber auf. Sein Leseeindruck:
"Überrascht, beeindruckt, erfreut. Eine überraschende Lektüre deswegen, weil es ein völlig wildes Stück ist. (...) Es ist ein Mietshausdrama. Es gibt einen dämonischen Hausherrn, der ist gleichzeitig ein Pfandleiher und Wucherer, der auf Grund einer Verkrüppelung böse geworden ist. Er sagt: Ich kann nicht laufen, aber ich habe mir alle Beine hier im Mietshaus untertan gemacht."