Öffentlicher Dienst wird Wettbewerb "nicht gewinnen können"
Der Verband DBB Beamtenbund und Tarifunion warnt vor Arbeitskräftemangel im öffentlichen Dienst. In den nächsten zehn Jahren würden mehr als 700.000 Bedienstete pensioniert, sagt der Vorsitzende Peter Heesen. Zugleich fehle es an Nachwuchs.
Marietta Schwarz: Beamte genießen unzählige Vorteile gegenüber einer Beschäftigung auf dem freien Arbeitsmarkt: einen sicheren Arbeitsplatz, mehr Brutto vom Netto und eine ordentliche Pension. Umso mehr verwundert es, dass der Deutsche Beamtenbund schon seit Jahren auf den drohenden Arbeitskräftemangel im öffentlichen Dienst hinweist. Auch heute wird dies ein zentrales Thema sein bei der Jahrestagung des Deutschen Beamtenbundes, DBB, dessen Bundesvorsitzender Peter Heesen jetzt am Telefon ist. Guten Morgen, Herr Heesen!
Peter Heesen: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Erklären Sie uns das bitte noch mal: Warum sorgen Sie sich um Nachwuchs für diese ja doch eigentlich hoch attraktiven Arbeitsplätze?
Heesen: Na ja, über die Frage der Attraktivität kann man streiten. Aber die Sorge um Arbeitsplätze und Nachwuchsgewinnung haben wir eigentlich schon seit Langem. Ich will mal den Hintergrund deutlich machen, nehmen Sie mal die Zahlen eines Bundeslandes, in dessen Gebiet Sie senden, Brandenburg: Wir hatten im Jahre 1990 in Brandenburg 86.000 Geburten und im Jahre 2002 waren es nur noch 18.200. Das heißt, es war für jeden erkennbar, dass durch diese Geburtenentwicklung der gesamte Arbeitsmarkt vor große Probleme, was die Nachwuchsfrage betrifft, gestellt wird. Und deshalb haben wir sehr früh auf diese Problematik hingewiesen und dabei auch immer wieder gesagt: Im Vergleich zur Wirtschaft ist der öffentliche Dienst eher benachteiligt.
Denn die Wirtschaft kann natürlich nach anderen Tarifen bezahlen, sie kann etwas drauflegen, das können wir nicht. Und wir haben nun die Problematik: Wir haben im öffentlichen Dienst in ganz Deutschland 1993 5,3 Millionen Beschäftigte gehabt und wir sind jetzt bei unter 3,6 Millionen. Das heißt, wir hatten einen gewaltigen Personalabbau, kaum Einstellungen von jungen Leuten. Und wir kommen jetzt in die Phase, wo Menschen in vermehrtem Maße ausscheiden, weil sie die Altersgrenze erreichen. Alleine in den nächsten zehn Jahren werden wir in Deutschland über 700.000 öffentlich Bedienstete aus Altersgründen verlieren und da brauchen wir neue Leute. Und die auf dem Markt zu gewinnen, der jetzt enger geworden ist, ist eine ganz große Problematik.
Schwarz: Sie haben gerade die Region Brandenburg als Beispiel genannt. Aber kommen wir mal auf die Bereiche, in denen Beamte tätig sind, zu sprechen, wo herrscht denn da der große Mangel?
Heesen: Also, der wohl eklatanteste Mangel ist neben der IT-Branche - die ist ja sowieso ein Problem für alle, übrigens auch für die Wirtschaft -, ist im Bereich der Techniker und Ingenieure. Wir finden ganz, ganz wenig Nachwuchs nur noch. Die wenigen Techniker und Ingenieure, die auf dem Markt sind, bekommen besonders gute Angebote in der freien Wirtschaft. Und da haben wir ganz, ganz große Probleme. Nehmen Sie mal das Beispiel der Bundeswehr, die Bundeswehr hat über 900 Stellen für Techniker und Ingenieure nicht besetzt. Das heißt, teure Gerätschaften, die wir für die Bundeswehr angeschafft haben, können nicht in hinreichendem Maße gewartet werden, weil eben das technische Personal fehlt. Und das ist natürlich ein erhebliches Problem auch für die Gestaltung der Dienstaufgaben, die wir in den vielen Bereichen haben.
Schwarz: Herr Heesen, Sie haben gesagt, um die Attraktivität dieser Arbeitsplätze sei es gar nicht so gut bestellt. Aber ist das nicht Jammern auf hohem Niveau? Niemand blickt da in eine so sorgenfreie Zukunft wie der Beamte, kein Beamter muss sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen. Das ist doch ein starkes Argument!
Heesen: Das ist völlig richtig, Frau Schwarz, das ist völlig richtig. Das ist das wirklich Sichere, der Arbeitsplatz, keine Frage. Trotzdem ist für junge Menschen, wenn sie vor der Entscheidung stehen, wohin sie gehen, die Frage auch wichtig, was man verdient. Und wir haben relativ begrenzte Einkommen. Sehen Sie mal, wenn wir über Menschen reden, die im mittleren Dienst etwa tätig sind, da reden wir über Einkommen von 1700 oder 1800 Euro. Das ist nun nicht das ganz Tolle. Und was wir auch leider feststellen müssen: Die Aufstiegsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst sind immer mehr begrenzt worden, weil natürlich es an den öffentlichen Haushalten klemmt.
Wir haben Probleme in der Finanzierung, es hat ja auch eine ganze Reihe von Sparmaßnahmen gegeben. Wir haben zum Beispiel in einigen Bundesländern völlige Streichung der sogenannten Sonderzuwendung, also das, was wir früher Weihnachtsgeld genannt haben. Es ist in allen Bundesländern gekürzt, wir sind fast nur noch auf der Hälfte. Also, diese Dinge merken die Menschen auch und in der Wahl, die sie haben, gehen sie dann doch oft lieber auch in die private Wirtschaft. Und das ist ein Wettbewerb, den wir am Ende, so fürchte ich, wenn die Arbeitskräfte noch knapper werden, nicht gewinnen können.
Schwarz: Dennoch, mehr Geld vom Steuerzahler für eine - ich bleibe dabei - privilegierte Berufsgruppe, das lässt sich gerade in diesen Zeiten sehr schwer vermitteln. Es gibt, Herr Heesen, Finanzexperten wie etwa Winfried Fuest, die kritisieren, das Pensionsniveau der Beamten ist auch viel zu hoch. Also wäre vielleicht Umschichten auch eine Alternative?
Heesen: Also, zunächst einmal rede ich ja nicht von mehr Geld vom Steuerzahler. Es ist ja eine Frage, was der Staat wofür ausgibt. Ich will das mal an einem Beispiel sagen, nehmen Sie mal die Bundesrepublik, den Bund: Da haben wir Personalkosten in einer Größenordnung von 8,4 Prozent des Bundeshaushalts. Einschließlich übrigens der Pensionskosten. Da kann man ja wirklich nicht von einer zu großen Personalmenge sprechen.
Wir haben im Übrigen, im internationalen Vergleich sind wir das Land, das am wenigsten ausgibt für das Personal des öffentlichen Dienstes, 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts! Nehmen Sie mal andere Länder, Frankreich, wir liegen bei 15 Prozent des BIP, oder nehmen Sie ein Land wie Dänemark, ist ja gar nicht so weit entfernt, 19,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Personal des öffentlichen Dienstes. Wir sind also in Europa sozusagen das Schlusslicht in der Finanzierungsgröße für den öffentlichen Dienst. Da ist das Problem nicht der öffentliche Dienst, sondern das Problem ist, dass die Ausgaben korrigiert werden müssten und nicht die Einnahmen erhöht, dafür bin ich nicht.
Schwarz: Also, Umschichten ist keine Option für Sie?
Heesen: Nein, ich sehe auch hier keinen Grund. Wenn wir noch an die Pensionen gehen, dann haben wir noch ein zusätzliches Problem in der Nachwuchsgewinnung. Das Einzige, was man überhaupt noch auf der positiven Seite sagen kann, das sind die Alterssicherungssysteme, wo wir im Übrigen auch selber bezahlen. Wir sind ja seit Langem, das heißt, seit 1998, in einer Mitfinanzierung der Alterssicherung über eine Kapitaldeckung. Auch das ist eine Sache, die gut vorankommt, auch das wollten wir tun, um eine langfristige Sicherheit im Rahmen der demografischen Entwicklung zu schaffen, und auch da sind wir gut vorangekommen.
Schwarz: Der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes und der Tarifunion Peter Heesen war das. Herr Heesen, danke für das Gespräch!
Heesen: Bitte schön, Frau Schwarz, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Peter Heesen: Guten Morgen, Frau Schwarz!
Schwarz: Erklären Sie uns das bitte noch mal: Warum sorgen Sie sich um Nachwuchs für diese ja doch eigentlich hoch attraktiven Arbeitsplätze?
Heesen: Na ja, über die Frage der Attraktivität kann man streiten. Aber die Sorge um Arbeitsplätze und Nachwuchsgewinnung haben wir eigentlich schon seit Langem. Ich will mal den Hintergrund deutlich machen, nehmen Sie mal die Zahlen eines Bundeslandes, in dessen Gebiet Sie senden, Brandenburg: Wir hatten im Jahre 1990 in Brandenburg 86.000 Geburten und im Jahre 2002 waren es nur noch 18.200. Das heißt, es war für jeden erkennbar, dass durch diese Geburtenentwicklung der gesamte Arbeitsmarkt vor große Probleme, was die Nachwuchsfrage betrifft, gestellt wird. Und deshalb haben wir sehr früh auf diese Problematik hingewiesen und dabei auch immer wieder gesagt: Im Vergleich zur Wirtschaft ist der öffentliche Dienst eher benachteiligt.
Denn die Wirtschaft kann natürlich nach anderen Tarifen bezahlen, sie kann etwas drauflegen, das können wir nicht. Und wir haben nun die Problematik: Wir haben im öffentlichen Dienst in ganz Deutschland 1993 5,3 Millionen Beschäftigte gehabt und wir sind jetzt bei unter 3,6 Millionen. Das heißt, wir hatten einen gewaltigen Personalabbau, kaum Einstellungen von jungen Leuten. Und wir kommen jetzt in die Phase, wo Menschen in vermehrtem Maße ausscheiden, weil sie die Altersgrenze erreichen. Alleine in den nächsten zehn Jahren werden wir in Deutschland über 700.000 öffentlich Bedienstete aus Altersgründen verlieren und da brauchen wir neue Leute. Und die auf dem Markt zu gewinnen, der jetzt enger geworden ist, ist eine ganz große Problematik.
Schwarz: Sie haben gerade die Region Brandenburg als Beispiel genannt. Aber kommen wir mal auf die Bereiche, in denen Beamte tätig sind, zu sprechen, wo herrscht denn da der große Mangel?
Heesen: Also, der wohl eklatanteste Mangel ist neben der IT-Branche - die ist ja sowieso ein Problem für alle, übrigens auch für die Wirtschaft -, ist im Bereich der Techniker und Ingenieure. Wir finden ganz, ganz wenig Nachwuchs nur noch. Die wenigen Techniker und Ingenieure, die auf dem Markt sind, bekommen besonders gute Angebote in der freien Wirtschaft. Und da haben wir ganz, ganz große Probleme. Nehmen Sie mal das Beispiel der Bundeswehr, die Bundeswehr hat über 900 Stellen für Techniker und Ingenieure nicht besetzt. Das heißt, teure Gerätschaften, die wir für die Bundeswehr angeschafft haben, können nicht in hinreichendem Maße gewartet werden, weil eben das technische Personal fehlt. Und das ist natürlich ein erhebliches Problem auch für die Gestaltung der Dienstaufgaben, die wir in den vielen Bereichen haben.
Schwarz: Herr Heesen, Sie haben gesagt, um die Attraktivität dieser Arbeitsplätze sei es gar nicht so gut bestellt. Aber ist das nicht Jammern auf hohem Niveau? Niemand blickt da in eine so sorgenfreie Zukunft wie der Beamte, kein Beamter muss sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz machen. Das ist doch ein starkes Argument!
Heesen: Das ist völlig richtig, Frau Schwarz, das ist völlig richtig. Das ist das wirklich Sichere, der Arbeitsplatz, keine Frage. Trotzdem ist für junge Menschen, wenn sie vor der Entscheidung stehen, wohin sie gehen, die Frage auch wichtig, was man verdient. Und wir haben relativ begrenzte Einkommen. Sehen Sie mal, wenn wir über Menschen reden, die im mittleren Dienst etwa tätig sind, da reden wir über Einkommen von 1700 oder 1800 Euro. Das ist nun nicht das ganz Tolle. Und was wir auch leider feststellen müssen: Die Aufstiegsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst sind immer mehr begrenzt worden, weil natürlich es an den öffentlichen Haushalten klemmt.
Wir haben Probleme in der Finanzierung, es hat ja auch eine ganze Reihe von Sparmaßnahmen gegeben. Wir haben zum Beispiel in einigen Bundesländern völlige Streichung der sogenannten Sonderzuwendung, also das, was wir früher Weihnachtsgeld genannt haben. Es ist in allen Bundesländern gekürzt, wir sind fast nur noch auf der Hälfte. Also, diese Dinge merken die Menschen auch und in der Wahl, die sie haben, gehen sie dann doch oft lieber auch in die private Wirtschaft. Und das ist ein Wettbewerb, den wir am Ende, so fürchte ich, wenn die Arbeitskräfte noch knapper werden, nicht gewinnen können.
Schwarz: Dennoch, mehr Geld vom Steuerzahler für eine - ich bleibe dabei - privilegierte Berufsgruppe, das lässt sich gerade in diesen Zeiten sehr schwer vermitteln. Es gibt, Herr Heesen, Finanzexperten wie etwa Winfried Fuest, die kritisieren, das Pensionsniveau der Beamten ist auch viel zu hoch. Also wäre vielleicht Umschichten auch eine Alternative?
Heesen: Also, zunächst einmal rede ich ja nicht von mehr Geld vom Steuerzahler. Es ist ja eine Frage, was der Staat wofür ausgibt. Ich will das mal an einem Beispiel sagen, nehmen Sie mal die Bundesrepublik, den Bund: Da haben wir Personalkosten in einer Größenordnung von 8,4 Prozent des Bundeshaushalts. Einschließlich übrigens der Pensionskosten. Da kann man ja wirklich nicht von einer zu großen Personalmenge sprechen.
Wir haben im Übrigen, im internationalen Vergleich sind wir das Land, das am wenigsten ausgibt für das Personal des öffentlichen Dienstes, 7,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts! Nehmen Sie mal andere Länder, Frankreich, wir liegen bei 15 Prozent des BIP, oder nehmen Sie ein Land wie Dänemark, ist ja gar nicht so weit entfernt, 19,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Personal des öffentlichen Dienstes. Wir sind also in Europa sozusagen das Schlusslicht in der Finanzierungsgröße für den öffentlichen Dienst. Da ist das Problem nicht der öffentliche Dienst, sondern das Problem ist, dass die Ausgaben korrigiert werden müssten und nicht die Einnahmen erhöht, dafür bin ich nicht.
Schwarz: Also, Umschichten ist keine Option für Sie?
Heesen: Nein, ich sehe auch hier keinen Grund. Wenn wir noch an die Pensionen gehen, dann haben wir noch ein zusätzliches Problem in der Nachwuchsgewinnung. Das Einzige, was man überhaupt noch auf der positiven Seite sagen kann, das sind die Alterssicherungssysteme, wo wir im Übrigen auch selber bezahlen. Wir sind ja seit Langem, das heißt, seit 1998, in einer Mitfinanzierung der Alterssicherung über eine Kapitaldeckung. Auch das ist eine Sache, die gut vorankommt, auch das wollten wir tun, um eine langfristige Sicherheit im Rahmen der demografischen Entwicklung zu schaffen, und auch da sind wir gut vorangekommen.
Schwarz: Der Bundesvorsitzende des Deutschen Beamtenbundes und der Tarifunion Peter Heesen war das. Herr Heesen, danke für das Gespräch!
Heesen: Bitte schön, Frau Schwarz, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.