Verkehrspolitik

9-Euro-Ticket lockt Autofahrer nicht von der Straße

08:08 Minuten
Zugreisende auf einem vollen Bahngleis, einige steigen in eine S-Bahn ein.
Der Andrang auf den öffentlichen Nahverkehr war durch das 9-Euro-Ticket war groß. Ob es als Erfolg zu werten ist, bleibt umstritten. © picture alliance /dpa / Arne Dedert
Christian Böttger im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Das 9-Euro-Ticket sei kein Erfolg, habe die Bahn überlastet und kaum neue Kunden gebracht, sagt Verkehrsexperte Christian Böttger. Der Staat sollte Geld nicht in neue Billig-Tickets investieren, sondern in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Das 9-Euro-Ticket läuft Ende August aus und nun werden mögliche Nachfolger diskutiert. Die Verkehrsunternehmen haben ein 69-Euro-Ticket ins Gespräch gebracht. Dabei ist die Bilanz des 9-Euro-Tickets bislang umstritten. Mit mehr als 31 Millionen Verkäufen sehen einige Stimmen darin einen Riesenerfolg, andere urteilen skeptischer.

Kritik an 9-Euro-Ticket

"Die Daten, die jetzt vorliegen, zeigen, dass es kein großer Erfolg ist", sagt der Berliner Verkehrsökonom Christian Böttger. Es sei viel zusätzlicher Verkehr verursacht worden, allerdings hätte sich kaum Verkehr von der Straße in die Bahn verlagert. Kaum jemand habe sein Auto stehen gelassen und sei stattdessen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren. "Das wäre eigentlich, was das Interessanteste wäre", so Böttger.
Das Anliegen der Bundesregierung sei auch gewesen, die Bürger zu entlasten. "Insofern hat es kein rein verkehrspolitisches, sondern auch sozialpolitisches Ziel gehabt", sagt Böttger.

Besser in Bahn investieren als Billigtarife

Das 9-Euro-Ticket habe dafür gesorgt, neu zu diskutieren, ob es in Deutschland nicht ein zu kompliziertes Tarifsystem gebe. "Es wäre sicherlich hilfreich, das etwas zu vereinfachen." Aber jedes neue ermäßigte Ticket erfordere zusätzliche staatliche Subventionen, die nach Böttgers Ansicht besser in den weiteren Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs investiert werden sollten. Die Bahn fahre schon jetzt am Rande ihrer Kapazität. Das Geld sollte nicht für Billigtickets ausgegeben werden, sondern um den Bahnverkehr in die Lage zu versetzen, mehr Fahrgäste zu befördern.
Böttger hält es für inakzeptabel, wie bisher mit einer überlasteten und überfüllten Infrastruktur zu leben. "Wir haben in Hamburg Situationen gehabt, wo der Bahnhof gesperrt werden musste, weil er so überfüllt war", kritisiert er. Im Fernverkehr bezahlten Fahrgäste viel Geld und blieben auch mit dem Zug auf der Strecke stecken. "Wir müssen schon den Anspruch haben, dass wir eine funktionsfähige Infrastruktur haben." Sie sollte es interessant und schön machen, die Bahn zu nutzen.

Die Mehrheit der Wähler sind Autofahrer

Bisher bedeute der öffentliche Verkehr oft eine Einschränkung: "Man kriegt nicht immer einen Sitzplatz, man muss sich an einen Fahrplan halten." Oft sei es laut, rieche oder sei eben unangenehm. Viele Leute bevorzugten das eigene Auto, obwohl es teurer sei. "Viele Leute sind auch mit billigen Angeboten nicht für den öffentlichen Verkehr zu begeistern", so der Verkehrsexperte mit Hinweis auf die Erfahrung mit dem 9-Euro-Ticket.
Zwei Drittel der Deutschen nutzten nie öffentliche Verkehrsmittel, betont Böttger. "Der Wähler ist eben Autofahrer." Deshalb moderiere die Politik eine breitere Debatte über Einschränkungen des Autoverkehrs gerne weg.

Besser Sammeltaxis auf dem Land

Auf dem Land müsse man realistisch sein, sagt Böttger. Er zeigte sich skeptisch, ob man dort eine flächendeckende Versorgung anbieten könne. "Wenn ich sehe, wie viele Busse leer herumfahren, so ist das weder ökologisch sinnvoll noch ökonomisch." Dort müsse über Alternativen wie beispielsweise Sammeltaxis nachgedacht werden.
(gem)

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