„Wir haben keine andere Welt im Kofferraum. Wir haben nur diese.“
Umweltschutz und katholische Kirche
Bischof Gregor Maria Hanke im Ingolstädter Liebfrauenmünster. Sein Bistum Eichstätt verfügt über 5000 Hektar land- und forstwirtschaftlich genutzten Boden.. © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Der Öko-Bischof von Eichstätt
10:44 Minuten
Bevor Gregor Maria Hanke im Jahr 2006 Bischof von Eichstätt wurde, baute er ein Kloster zu einem ökologischen Vorzeigeprojekt um. Daran will er im Bistum anknüpfen, schließlich sei die Bewahrung der Schöpfung im Christentum von zentraler Bedeutung.
Als Gregor Maria Hanke Bischof von Eichstätt wurde, galt sein Klima-Engagement in der katholischen Kirche noch als „exotisch“: Klimawandel ist damals kaum ein Thema, Kirchen werden mit konventionellem Strom erleuchtet und auf verpachtetem Kirchengrund landen Pestizide. Der Eichstätter Bischof will das ändern.
„Die Bewahrung der Schöpfung, die damit verbundene Achtsamkeit vor dem Leben, vor der Umwelt, das ist uns eigentlich eingestiftet in die christliche Genetik. So sage ich es. Die Güter dieser Erde gehören uns nicht, sie gehören uns allen, und wir haben Verantwortung, dass alle Menschen daran teilhaben“, schildert er seine Überzeugung.
Vom Kloster auf den Bischofsstuhl
Gregor Maria Hanke empfängt im barocken Eichstätter Bischofspalais. Auf dem Tisch steht Marmorkuchen, es gibt frischen Cappuccino und Saft. Seit 2006 ist er Bischof von Eichstätt.
Zuvor lebte er in der Benediktiner-Abtei Plankstetten, war erst nur Mönch, dann Priester und später Abt – und schon damals umweltbewusst. In den 13 Jahren seiner Amtszeit haben Abt Gregor und seine Mitbrüder aus Plankstetten ein Öko-Kloster gemacht, das noch immer als Vorzeigeprojekt gilt.
Lässt sich dieses Engagement auch auf ein ganzes Bistum übertragen? Der sanftmütige 67-Jährige hat ambitionierte Ziele. „Das Bestreben ist, dass wir CO2-neutral werden wollen als Bistum. Und wir sind schon seit einigen Jahren unterwegs, um hier die entsprechenden Maßnahmen umzusetzen, was natürlich nicht ganz einfach ist.“
2013 brachte das Bistum die sogenannte „Klimaoffensive 2030“ auf den Weg. So wurden alle diözesanen Einrichtungen auf Ökostrom umgestellt, Fotovoltaik-Anlagen installiert und Heizungen ausgetauscht.
Halbierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 als Ziel
Bis zum Jahr 2030 soll der Kohlendioxid-Ausstoß des Bistums Eichstätt halbiert werden verglichen mit den Werten von 2010.
Doch bisher läuft es schleppend. Das Zwischenziel, eine 25-prozentige Kohlendioxid-Reduktion bis 2020, wurde nicht erreicht. „Wir waren damals sehr optimistisch, euphorisch“, erinnert sich der Bischof.
Inzwischen habe man einen erheblichen Erkenntnisgewinn: „Wir haben die Breite derer, die sich für die Veränderung engagieren, nun erreicht. Wir wussten auch damals noch nicht, wie schwierig es ist, diese Vielzahl an selbstständigen Trägern mitzunehmen.“
Überzeugen statt anordnen
Die katholische Kirche ist hierarchisch aufgebaut. Als Bischof steht Gregor Maria Hanke weit oben. Theoretisch könnte er wie ein Monarch bestimmen, was in seinem Bistum gemacht wird. In der Realität werden die meisten Entscheidungen auf kleinerer Ebene getroffen.
Zum Bistum Eichstätt gehören 274 Pfarreien mit 489 selbstständigen Kirchenstiftungen. Gregor Maria Hanke versucht das Unmögliche: Das Bistum nachhaltig machen, ohne dabei jemandem auf die Füße zu treten. Er will überzeugen statt anordnen.
„Die selbstständigen Träger haben natürlich teilweise auch Sorge, dass sie finanziell durch Maßnahmen in eine Schieflage geraten“, sagt Hanke. „Da muss man ihnen beistehen. Wir müssen auch Stützfunktionen entwickeln, um diese nach vorne gerichteten Maßnahmen weiter voranzutreiben.“
Christians for Future
Größere Aufmerksamkeit in der gesamten katholischen Kirche bekam der Klimawandel im Jahr 2015, als Papst Franziskus seine zweite Enzyklika veröffentlichte. Unter dem Titel „Laudato Si“ beschäftigt sich die päpstliche Lehrschrift schwerpunktmäßig mit Umwelt- und Klimaschutz. Auch die Fridays for Future Proteste haben geholfen.
Aber es reicht nicht, findet Georg Sauerwein. „Das wird manchmal eher so wie ein Thema unter anderen Themen abgehandelt.“ Das spiegele sich dann mitunter in der Art und Weise, wie sich die Kirche engagiere: „Dass man was tut, aber das halt nicht im ausreichenden Maße; und dass man oft nicht das Wirkungsvollste tut, was man eigentlich tun könnte.“
Sauerwein engagiert sich bei "Christians for Future", einem bundesweiten Zusammenschluss von Christen und Christinnen, die sich als Teil der For-Future-Bewegung für Klimagerechtigkeit einsetzen.
Konkret fordern die Christians for Future zum Beispiel, dass die Kirchen intern über die Klimakrise informieren. Dass Kirchenoberhäupter sich öffentlich positionieren, etwa, indem sie bei Klimaprotesten mitmarschieren. Und dass alle Bistümer und Kirchen bis 2035 klimaneutral werden.
Dieses Datum hat sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) jetzt als verbindliches Ziel gesetzt. Den Fahrplan dazu will die evangelische Kirche nächstes Jahr veröffentlichen.
Kein verbindliches Dokument der katholischen Kirche
Bei der katholischen Kirche hingegen bleibe alles vage, kritisiert Astrid Hake vom Ökumenischen Netzwerk Klimagerechtigkeit: „Da gibt es halt Empfehlungen von der Deutschen Bischofskonferenz von 2018, wie das Thema Bewahrung der Schöpfung umgesetzt werden soll in den Bistümern“, sagt sie. „Aber es ist kein verbindliches Dokument, es sind eben Handlungsempfehlungen.“
Auf katholischer Seite stechen vor allem die Bistümer Freiburg, Köln und Augsburg heraus. Sie wollen bis 2030 klimaneutral werden.
Auch Eichstätt steht ganz gut da, schließlich gibt es Klimaziele, engagierte Umweltbeauftragte und einen sehr motivierten Bischof. Aber auch ihm gelingt es noch nicht, genug zu tun.
Von kleinen Schiffen und großen Tankern
Frater Andreas Schmidt aus dem nachhaltigen Kloster Plankstetten hat eine Vermutung, woran das liegen könnte: „Die Schwerfälligkeit eines Bischöflichen Ordinariats, denke ich, macht es einem Bischof schwer, hier durchzudringen. Es war natürlich in so einem kleinen Kloster mit damals vielleicht 20 Mönchen viel leichter, so etwas auf den Weg zu bringen“, sagt der Bruder aus Hankes einstigem Kloster.
Er vergleiche es immer mit einem Schiff. „Wir als Kloster Plankstetten sind da das kleine Schiff unterwegs. Und das Steuer ist vielleicht ein bisschen wendiger als bei einem großen Tanker wie der Diözese.“
Die Abtei liegt südlich von Neumarkt in der Oberpfalz, im gleichnamigen Pfarrdorf Plankstetten. Der Ort hat nicht mal 350 Einwohner, seine gesamte Infrastruktur ist mit dem Kloster verwoben.
Zum Beispiel gibt es keinen Supermarkt, dafür aber den Klosterhofladen mit Käse, saisonalem Obst, frischem Brot und Bier aus der Klosterbrauerei – alles bio, natürlich. Das gleiche verspricht die Klosterschenke nebenan, eines von zwei Gasthäusern im Ort.
Doch die Qualität habe ihren Preis, und den seien nicht alle bereit zu zahlen, sagt Frater Andreas Schmidt. „Wir würden uns mehr Umsetzung wünschen, hier gerade von unserer Diözese in Eichstätt, gerade im Bereich der Lebensmittelbeschaffung“, sagt der Frater. „Leider ist die Diözese kein Kunde von unseren Bioprodukten.“
Haushaltszwänge und Bequemlichkeit
In den Bistümern bremst vor allem die Verwaltung, mutmaßt der Benediktinermönch. Die Diözese Eichstätt etwa schreibt rote Zahlen. Das Geschäftsjahr 2020 wurde mit einem Minus von 3,8 Millionen Euro abgeschlossen.
Und dann spielt auch die Bequemlichkeit eine Rolle. Gregor Maria Hanke könne wenig ausrichten, wenn die Gemeinden nicht mithelfen, sagt Georg Sauerwein von Christians for Future. „Im Bistum Eichstätt sieht man das ganz gut: Die haben eine Ökostrom-Offensive, wo es darum geht, dass die Gemeinden Ökostrom beziehen sollen. Und laut deren eigenen Veröffentlichungen machen das bisher erst 50 Prozent der Gemeinden.“
Astrid Hake registriert auch eine gewisse Angst vor Veränderung, etwa bei Frage nach ökologischer Landwirtschaft.
„Wir hören, dass gerade in sehr konservativen Regionen Ökolandbau definitiv skeptisch betrachtet von vielen Landwirten wird und dass es auch Widerstände gibt. Es ist zum Teil Unwissenheit oder es wird dem nicht genug Bedeutung zugemessen. Die Gründe mögen total verschieden sein.“
Grundbesitzverwaltung der katholischen Kirche
Die katholische Kirche gehört zu den größten Grundbesitzern Deutschlands. Allein das Bistum Eichstätt hat 5000 Hektar Boden, der land- und fortwirtschaftlich genutzt wird.
Aber so einfach sei das nicht, sagt Bischof Hanke: „Ein Teil des Kirchengrundes gehört der jeweiligen Stiftung vor Ort und andere Flächen gehören der sogenannten Pfründestiftung. Die hat für ganz Bayern zentral den Verwaltungssitz in Regensburg. Also das ist hochkompliziert: Ja, und jetzt in diesem komplexen Gebilde das Bewusstsein zu schaffen, dass wir als Kirche vor Ort die Aufgabe haben, diese Flächen naturnah ökologisch zu bewirtschaften, da sind Sie im Häuserkampf.“
Die katholische Pfründepachtstelle in Regensburg verwaltet den kirchlichen Grundbesitz aller sieben Bistümer in Bayern. Sie kümmert sich auch um die Pachtverträge – noch ohne Öko-Voraussetzung.
Klimaschutz in der Seelsorge
Bischof Hanke und sein Team nehmen sich erst mal andere Bereiche vor. In der Seelsorge soll das Thema Klimaschutz einen wichtigeren Stellenwert bekommen.
Bewahrung der Schöpfung sei schließlich nichts, was man mal ein paar Monate oder Jahre mache, sondern es gehöre dauerhaft zum gelebten Glauben dazu, findet Hanke.
„Dass sie auch erkennen, das ist nicht etwas Aufgesetztes, wenn wir klimaneutral werden wollen, sondern das gehört zu unserem Weg“ sagt er.
Und inzwischen auch zum Weg der Bundesrepublik, die Klimaneutralität bis 2045 anstrebt. Bayern will es sogar bis 2040 schaffen.
Update für die Klimaoffensive
Auch das Bistum Eichstätt will vollständig klimaneutral werden. „Ich würde mir wünschen, wenn möglich bis 2035. Wir sind im Moment dabei, das ganze Konzept upzudaten“, erklärt der Bischof.
Die „Klimaoffensive 2030 plus“ soll im Laufe des kommenden Jahres vorgestellt werden – und dann wird Bischof Hanke vielleicht doch ein bisschen forscher für den Klimaschutz werben – damit es dann auch wirklich klappt.
„Zu sagen, sowohl im diözesanen als auch im politischen Bereich, wir können alles einvernehmlich regeln, das geht nicht. Wenn wir die Umwelt schützen wollen, müssen wir ganz klar sehen, dass dieser Wohlstand, wie wir ihn haben, dieser Lebensstil und dieser Standard so nicht zu halten ist“, spricht er Klartext.