Ökonom: Von Schuldenschnitt für Griechenland ist keine Rede
Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Euro Working Group, Thomas Wieser, hat Mutmaßungen über einen Schuldenschnitt für Griechenland zurückgewiesen. Diese Vorschläge hätten "mit den Arbeiten der Troika nichts zu tun". Die EU-Finanzminister wollen heute über das weitere Vorgehen beraten.
Marietta Schwarz: Das griechische Parlament streitet über ein neues Sparprogramm, es ist die Voraussetzung für weitere Finanzhilfen der internationalen Geldgeber. Die sogenannte Troika soll ja in zwei Wochen prüfen, ob Athen 31,5 Milliarden Euro bekommt. Die Schuldenquote allerdings ist nach wie vor so hoch, dass jetzt wieder über einen Schuldenschnitt diskutiert wird – das fordert angeblich die Troika. Heute wollen die EU-Finanzminister in einer Telefonkonferenz über das weitere Vorgehen beraten. Einer, der ihre Beratungen und Entscheidungen mit vorbereitet, ist der Österreicher Thomas Wieser, Koordinator der Eurogruppe. Mit ihm habe ich vor dieser Sendung gesprochen. Herr Wieser, Bundeskanzlerin Merkel hat ja bereits einen Kurswechsel angedeutet, man müsse auf geänderte Gegebenheiten reagieren, sagt sie. Heißt das, die Mitgliedsstaaten werden Griechenland mehr Zeit, deutlich mehr Zeit bei den Reformen einräumen?
Thomas Wieser: Wir werden diese Telefonkonferenz heute Mittag haben, damit die 17 Minister der Eurozone zu hören bekommen, wie weit die Verhandlungen zwischen der Troika und den griechischen Behörden gediehen sind. Fertig sind sie mit den Verhandlungen noch nicht, wenn sie auch schon relativ nahe am Ende sind, aber bekanntlich die allerletzten Einigungsschritte sind immer die schwierigsten. Das heißt, wir hören uns mal an, wie schaut das mit den ganzen Bedingungen aus, die die Griechen erfüllen müssen, wie schaut das mit dem fiskalpolitischen Anpassungspfad aus, wie schaut das mit jenen Bestimmungen aus, die sicherstellen sollen, dass sich die Griechen nicht nur heuer, nicht nur nächstes Jahr, sondern auch in mehreren Jahren an die veränderten Auflagen halten.
Schwarz: Also Beratungen mit offenem Ausgang oder zumindest so weit offen, dass sie mir das jetzt nicht verraten können. Dennoch noch mal die Frage nach der Zeit, die ist ja nicht ganz neu, also wird seit Monaten diskutiert, und Zeit bedeutet ja eben auch Geld. Wenn man den Griechen mehr Zeit gibt, so heißt es aus EU-Kreisen, kostet das möglicherweise 30 Milliarden Euro – das ist ja kein Pappenstiel.
Wieser: Ich glaube, da müssten wir jetzt zwei Sachen voneinander unterscheiden. Das eine ist, wie schaut der fiskalpolitische Anpassungspfad im Rahmen des jetzt vorliegenden Programmes aus, also 2013/2014, und die zweite Frage ist, was ist danach. Die erste, da kann ich schon sagen, dass im Rahmen der jetzigen Verhandlungen möglicherweise Griechenland ein etwas flacherer Anpassungspfad angesichts des Konjunktureinbruches zugestanden werden könnte, wobei Konjunktureinbruch eine verharmlosende Situation ist. Griechenlands Bruttoinlandsprodukt ist seit Beginn der Krise um ein ganzes Viertel zurückgegangen. Also da würde ich nicht ausschließen, dass ein etwas gemäßigterer Anpassungspfad, wenn mal das ganze Programm zur Abstimmung gelangt, auch drin enthalten sein könnte.
Schwarz: Und das heißt jetzt was: ein gemäßigterer Anpassungspfad?
Wieser: Wir haben mit den Griechen als eines der Elemente der ganzen Verhandlungen des letzten Jahres und des vorletzten Jahres ein Ziel vor Augen gehabt, nämlich einen sogenannten Primärüberschuss von viereinhalb Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen. Das ist eine gewaltige Zahl, natürlich, und dieses Ziel von viereinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte eigentlich nun bald erreicht sein. Angesichts des Einbruchs der griechischen Wirtschaft halten wir das nur für sehr, sehr schwer erreichbar. Wir haben noch keine Entscheidung darüber getroffen, aber es könnte sein, dass das ein Jahr oder zwei verschoben werden könnte. Jetzt haben Sie auch eine Zahl genannt - kostet dieses mehr? Die Zahl, die Sie genannt haben, die ist mir unbekannt und ist weit überhöht. Es kann allerdings sein, dass es zusätzliche Liquidität kosten würde, aber nach alldem, was wir gehört haben, würde es keine zusätzlichen Mittel vonseiten der 16 Mitgliedsstaaten erforderlich machen, das könnte im Rahmen des bestehenden Programmes finanziert werden.
Schwarz: Herr Wieser, die sogenannte Troika, die fordert auch angeblich einen Schuldenschnitt, der Bericht liegt ja noch nicht vor. Lässt dieser Schuldenschnitt sich noch umgehen?
Wieser: Ich habe gestern den halben Tag mit den Kollegen von der Troika verbracht, einiges über das Programm diskutiert. Ich habe vorgestern den ganzen Abend mit den Kollegen von der Troika zusammengesessen und diskutiert und verhandelt, und an keinem dieser Diskussionsrunden und Verhandlungsrunden wurde jemals das Wort Schuldenschnitt erwähnt. Insofern denke ich, dass das Pressezitate sind, die im Rundlauf sich gegenseitig zitierend immer schneller und häufiger die Runde machen, aber mit den Arbeiten der Troika nichts zu tun haben.
Schwarz: Herr Wieser, wie soll Griechenland seine Schuldenquote in Zukunft erfüllen. Es kommt ja nicht so richtig auf einen grünen Zweig.
Wieser: Im Moment haben wir eine prekäre Wirtschaftslage in Griechenland, obwohl Griechenland – das sagen alle Mitglieder der Troika und alle auswärtigen Beobachter – gerade im fiskalpolitischen Bereich enorme Anstrengungen unternommen hat. Aber diese enormen Anstrengungen im Lichte eben des rapide zurückgehenden Bruttoinlandsproduktes nach außen hin den Eindruck erwecken mögen, als ob man auf der Stelle tritt. Jetzt ist in einem Klima, in dem man nicht genau weiß, wie es mit Griechenland weiter geht, schwer möglich, entsprechende Privatisierungen von Unternehmungen oder anderen Gütern vor allem an Ausländer vorzunehmen. Das Beste, was für Griechenland gemacht werden kann, ist, dass Griechenland auf einen Pfad der Rechtssicherheit, auf einen Pfad der ökonomischen Sicherheit gebracht wird, damit würden dann, so denke ich, die Investitionen steigen, Investitionen sowohl von griechischen Unternehmungen als auch Investitionen aus dem Ausland. Und die Rahmenbedingungen haben sich ja in der Tat ganz deutlich verbessert. Die relativen Lohnstückkosten sind deutlich gesunken, damit ist die Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Es gibt natürlich noch einiges zu tun am Rechtsrahmen, unternehmerischen Umfeld, aber sobald es im Rahmen dieses Programmes gelingt, wieder die Investitionsquote der Unternehmungen zu heben, dann kann es mit dem Wirtschaftswachstum in Griechenland wieder aufwärts gehen, und dann, glaube ich, würden wir alle eine relativ rasche Stabilisierung der Situation dort erleben. Wenn es nicht gelingt, diese Unsicherheiten zu beseitigen, dann wird das allerdings deutlich weniger positiv.
Schwarz: Thomas Wieser, Chefkoordinator der Eurogruppe, über die Verschuldung Griechenlands und die bevorstehenden Beratungen der EU-Finanzminister. Herr Wieser, vielen Dank für das Gespräch!
Wieser: Herzlichen Dank, alles Gute!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Schwarz: Also Beratungen mit offenem Ausgang oder zumindest so weit offen, dass sie mir das jetzt nicht verraten können. Dennoch noch mal die Frage nach der Zeit, die ist ja nicht ganz neu, also wird seit Monaten diskutiert, und Zeit bedeutet ja eben auch Geld. Wenn man den Griechen mehr Zeit gibt, so heißt es aus EU-Kreisen, kostet das möglicherweise 30 Milliarden Euro – das ist ja kein Pappenstiel.
Wieser: Ich glaube, da müssten wir jetzt zwei Sachen voneinander unterscheiden. Das eine ist, wie schaut der fiskalpolitische Anpassungspfad im Rahmen des jetzt vorliegenden Programmes aus, also 2013/2014, und die zweite Frage ist, was ist danach. Die erste, da kann ich schon sagen, dass im Rahmen der jetzigen Verhandlungen möglicherweise Griechenland ein etwas flacherer Anpassungspfad angesichts des Konjunktureinbruches zugestanden werden könnte, wobei Konjunktureinbruch eine verharmlosende Situation ist. Griechenlands Bruttoinlandsprodukt ist seit Beginn der Krise um ein ganzes Viertel zurückgegangen. Also da würde ich nicht ausschließen, dass ein etwas gemäßigterer Anpassungspfad, wenn mal das ganze Programm zur Abstimmung gelangt, auch drin enthalten sein könnte.
Schwarz: Und das heißt jetzt was: ein gemäßigterer Anpassungspfad?
Wieser: Wir haben mit den Griechen als eines der Elemente der ganzen Verhandlungen des letzten Jahres und des vorletzten Jahres ein Ziel vor Augen gehabt, nämlich einen sogenannten Primärüberschuss von viereinhalb Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen. Das ist eine gewaltige Zahl, natürlich, und dieses Ziel von viereinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollte eigentlich nun bald erreicht sein. Angesichts des Einbruchs der griechischen Wirtschaft halten wir das nur für sehr, sehr schwer erreichbar. Wir haben noch keine Entscheidung darüber getroffen, aber es könnte sein, dass das ein Jahr oder zwei verschoben werden könnte. Jetzt haben Sie auch eine Zahl genannt - kostet dieses mehr? Die Zahl, die Sie genannt haben, die ist mir unbekannt und ist weit überhöht. Es kann allerdings sein, dass es zusätzliche Liquidität kosten würde, aber nach alldem, was wir gehört haben, würde es keine zusätzlichen Mittel vonseiten der 16 Mitgliedsstaaten erforderlich machen, das könnte im Rahmen des bestehenden Programmes finanziert werden.
Schwarz: Herr Wieser, die sogenannte Troika, die fordert auch angeblich einen Schuldenschnitt, der Bericht liegt ja noch nicht vor. Lässt dieser Schuldenschnitt sich noch umgehen?
Wieser: Ich habe gestern den halben Tag mit den Kollegen von der Troika verbracht, einiges über das Programm diskutiert. Ich habe vorgestern den ganzen Abend mit den Kollegen von der Troika zusammengesessen und diskutiert und verhandelt, und an keinem dieser Diskussionsrunden und Verhandlungsrunden wurde jemals das Wort Schuldenschnitt erwähnt. Insofern denke ich, dass das Pressezitate sind, die im Rundlauf sich gegenseitig zitierend immer schneller und häufiger die Runde machen, aber mit den Arbeiten der Troika nichts zu tun haben.
Schwarz: Herr Wieser, wie soll Griechenland seine Schuldenquote in Zukunft erfüllen. Es kommt ja nicht so richtig auf einen grünen Zweig.
Wieser: Im Moment haben wir eine prekäre Wirtschaftslage in Griechenland, obwohl Griechenland – das sagen alle Mitglieder der Troika und alle auswärtigen Beobachter – gerade im fiskalpolitischen Bereich enorme Anstrengungen unternommen hat. Aber diese enormen Anstrengungen im Lichte eben des rapide zurückgehenden Bruttoinlandsproduktes nach außen hin den Eindruck erwecken mögen, als ob man auf der Stelle tritt. Jetzt ist in einem Klima, in dem man nicht genau weiß, wie es mit Griechenland weiter geht, schwer möglich, entsprechende Privatisierungen von Unternehmungen oder anderen Gütern vor allem an Ausländer vorzunehmen. Das Beste, was für Griechenland gemacht werden kann, ist, dass Griechenland auf einen Pfad der Rechtssicherheit, auf einen Pfad der ökonomischen Sicherheit gebracht wird, damit würden dann, so denke ich, die Investitionen steigen, Investitionen sowohl von griechischen Unternehmungen als auch Investitionen aus dem Ausland. Und die Rahmenbedingungen haben sich ja in der Tat ganz deutlich verbessert. Die relativen Lohnstückkosten sind deutlich gesunken, damit ist die Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Es gibt natürlich noch einiges zu tun am Rechtsrahmen, unternehmerischen Umfeld, aber sobald es im Rahmen dieses Programmes gelingt, wieder die Investitionsquote der Unternehmungen zu heben, dann kann es mit dem Wirtschaftswachstum in Griechenland wieder aufwärts gehen, und dann, glaube ich, würden wir alle eine relativ rasche Stabilisierung der Situation dort erleben. Wenn es nicht gelingt, diese Unsicherheiten zu beseitigen, dann wird das allerdings deutlich weniger positiv.
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