"Das ist Kosmetik, das ist gar nichts"
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Das Klimapaket der Bundesregierung werde keine Verhaltensänderung bei der Bevölkerung bewirken, meint der Ökonom Joachim Weimann. Bei den beschlossenen Maßnahmen fehlten "Instrumente", die eine kosteneffiziente Klimapolitik erlauben, kritisiert er.
Shanli Anwar: Die große Koalition hat sich gestern nach zähem Ringen auf ein Klimaschutzpaket geeinigt. Nach rund 19 Stunden wurde am Ende dann doch noch herausgefunden, was man so machen könnte: Geplant ist unter anderem ein CO2-Preis, der Benzin und Diesel sowie Heizöl und Erdgas verteuern soll, im Gegenzug soll es aber auch Entlastungen geben zum Beispiel durch günstigere Bahntickets, und Ökostrom soll schneller ausgebaut werden. Damit will Deutschland die Klimaziele bis 2030 erfüllen. Das Klimaschutzpaket war als großer Wurf angekündigt worden.
Ob das gelungen ist, darüber sprechen wir jetzt mit Joachim Weimann, Professor für Volkswirtschaft an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Es hagelt ja Kritik von allen Seiten zu diesem Klimapaket – aus Ihrer Sicht zu Recht?
Weimann: Aus meiner Sicht völlig zu Recht. Der große Wurf, was sollte das sein? Viele haben sich davon versprochen, dass wir wegkommen von der Klimapolitik, die wir bisher betrieben haben, die vor allen Dingen darin bestand, dass wir sehr, sehr viel Geld ausgegeben haben und dass wir sehr, sehr wenig Klimaschutz bekommen haben, weil diese Politik überhaupt keine Rücksicht darauf nimmt, was eigentlich für Kosten anfallen, wenn wir bestimmte Maßnahmen ergreifen.
Ökonomen fordern deswegen schon seit sehr langer Zeit einen Wechsel der Klimapolitik hin zu kosteneffizienten Instrumenten, also Instrumenten, bei denen die Menge an CO2, die ich einspare pro Euro, den ich einsetze, maximal wird, beziehungsweise bei denen die Kosten pro eingesparter Tonne minimal werden. Dieses Prinzip, das ein zutiefst ökologisches Prinzip ist, weil man damit den Klimaschutz letztendlich maximiert, dieses Prinzip haben wir 30 Jahre mit Füßen getreten – mit katastrophalen Folgen.
Und viele Ökonomen hatten sich davon versprochen, von diesem Klimapaket, dass da ein grundsätzliches Umdenken stattfindet, dass man hinkommt zu den Instrumenten, die kosteneffiziente Klimapolitik erlauben, also entweder ein Emissionshandel oder eine CO2-Besteuerung. Und was jetzt dabei herausgekommen ist, das ist wirklich zutiefst enttäuschend.
"Das ist ein Emissionshandel ohne Handel"
Anwar: Die CO2-Besteuerung, das war ja auch eigentlich zum Beispiel eins der Ziele der SPD. Jetzt hat sich die große Koalition aber eher auf einen Handel mit Zertifikaten geeinigt: Es soll einen Preis für den Ausstoß des klimaschädlichen Treibhausgases geben im Verkehr und bei Gebäuden. Ab 2021 soll es dann losgehen und es wird dann hochgeschüttelt, angefangen mit zehn Euro pro Tonne Kohlendioxid. Wäre aus Ihrer Sicht eine CO2-Steuer sinnvoller gewesen?
Weimann: Was die Koalition da beschlossen hat, das ist ein Emissionshandel ohne Handel. Das gibt es eigentlich gar nicht. Das ist eine Innovation der deutschen Politik. So was gibt es weltweit nicht, und kein Ökonom auf dieser Erde wäre vorher auf die Idee gekommen, dass man so etwas einführen kann.
Denn es gibt ja keinen Handel: Es wird einfach nur gesagt, wir geben Zertifikate aus und die haben einen festen Preis. Das ist ungefähr so wie eine Marktwirtschaft ohne Markt oder eine Planwirtschaft ohne Plan oder ein Auto ohne Motor. Das funktioniert natürlich als Handel überhaupt nicht. All die Wirkungen, die ein Emissionshandel haben sollte, finden nicht statt, weil das Kernelement, der Handel selbst, fehlt.
Zwei bis neun Cent pro Liter
Wir können die Zertifikate, die dort verlangt werden, nicht kaufen oder verkaufen, sondern die werden Ihnen zu einem festen Preis, wie eine Eintrittskarte an der Kinokasse, zugewiesen. Das hat mit Emissionshandel nichts zu tun. Wenn man das ganz genau nimmt, dann ist das äquivalent zu einer Steuer. Insofern hat sich die SPD da durchgesetzt. Im Grunde genommen ist es eine Steuer, denn Sie zahlen jetzt einfach für den Liter Diesel, für den Liter Benzin oder Heizöl ein bisschen mehr, Betonung auf ein bisschen. Denn diese Steuer hat am Anfang eine Höhe von, wenn man es bei Diesel berechnet, ungefähr zwei Cent pro Liter, und in der Endstufe werden es neun Cent pro Liter sein. Das liegt innerhalb der Schwankungsbreite, die der Autofahrer schon immer gewohnt war an der Zapfsäule.
Das wird nichts bewirken. Es wird keine Verhaltensänderung bewirken. Das wird gar nichts machen. Das hätte man auch weglassen können, weil wir haben ja schon längst CO2-Steuern bei Benzin, Diesel und Heizöl in Form der Energiesteuer, und diese Steuern liegen schon jenseits von 200 Euro die Tonne. Da packen wir jetzt noch mal so ein bisschen drauf, zehn Euro. Das ist Kosmetik, das ist gar nichts.
Anwar: Auf einer Seite also ein bisschen höhere Kosten, auf der anderen Seite sollen Bürgerinnen und Bürger auch entlastet werden, höhere Pendlerpauschale, Wechsel von Ölheizung auf klimafreundlichere Alternativen soll gefördert werden. Was sagen Sie zu diesen Maßnahmen, gehen die weit genug?
Weimann: Wenn man die Bürger entlasten wollte, dann müsste man eben zu einer kosteneffizienten Klimapolitik übergehen. Denn die Lasten für die Bürger entstehen ja dadurch, dass wir im Moment in der Situation sind, dass wir für die CO2-Einsparungen, die wir in Deutschland durchführen, viel zu viel bezahlen. Wir zahlen für eine Tonne CO2, die durch erneuerbare Energien realisiert wird, im Schnitt etwa 300 Euro. Wenn Sie das vergleichen mit dem Emissionshandel, den wir auf europäischer Ebene haben, da kostet die gleiche Tonne 25 Euro. Das ist der Faktor zwölf. Das heißt, wir verschwenden elf Euro CO2- Einsparung durch unsere Erneuerbaren und erhöhen die Kosten um 1200 Prozent. Und diese Lasten, die müssen die Bürger tragen.
Das wird jetzt ein bisschen umverteilt, weil man jetzt die EEG-Umlage absenkt – was natürlich nicht heißt, dass die Kosten sinken, nein, die werden nur anders verteilt, man versteckt sie jetzt ein bisschen. Das ist die Innovation. Ich kann da nicht sehen, dass das wirklich eine Verbesserung von Klimapolitik ist.
"Inzwischen ist der Ausbau massiv gebremst"
Anwar: Gerade die erneuerbaren Energien, die Sie gerade angesprochen haben, da soll der Ausbau ja noch weitergehen, mehr Ökostrom, mehr Ladesäulen für Elektroautos, die sollen dadurch attraktiver werden, Ausbau von Photovoltaik soll mehr gefördert werden. Sind Sie da kritisch, wenn Sie das hören?
Weimann: Ja, natürlich, sehr kritisch. Also erst einmal vorweg: Das Ziel ist, bis 2030 65 Prozent des in Deutschland nachgefragten Stroms aus Erneuerbaren zu produzieren. Da geht man immer davon aus, dass wir im Moment 40 Prozent Anteil haben. Das ist aber falsch, denn das Umweltbundesamt weist aus, dass wir etwa ein Drittel, etwas mehr als ein Drittel unseres erneuerbaren Stroms exportieren. Das heißt, wir haben tatsächlich nicht 40 Prozent erneuerbaren Strom, sondern nur 25 Prozent. Da sollen jetzt noch mal 40 Prozent draufgepackt werden, und zwar innerhalb von zehn Jahren. Für die ersten 25 Prozent haben wir aber schon 20 Jahre gebraucht, ungebremsten Ausbau, wenn man so will.
Inzwischen ist der Ausbau massiv gebremst, wir wollen aber trotzdem, dass noch mehr als fast das Doppelte in der halben Zeit dazukommt. Das ist völlig unrealistisch, es wird nicht funktionieren. Und es ist auch gut so, weil sich in den letzten 20 Jahren gezeigt hat, dass die Erneuerbaren einfach viel zu teuer sind, viel zu ineffizient, und deswegen der falsche Weg, um Klimapolitik zu machen.
Wie gesagt, wir geben für eine Tonne, die wir da einsparen, über 300 Euro aus. Da ist der Netzausbau und alles noch nicht drin. Wir könnten die gleiche Tonne für ein Zwölftel der Kosten haben. Das macht doch keinen Sinn, das dann auch noch weiter auszubauen. Da hätten wir endlich mal die Zahlen angucken und eine offene und ergebnisoffene Diskussion führen müssen, ob wir das noch weiter wollen. Das passiert leider nicht.
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