Ökostrom

"Brauchen keinen Welpenschutz mehr"

Heiko von Tschischwitz im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Lichtblick-Vorstandsvorsitzender Heiko von Tschischwitz hat die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Gabriel für eine Reform der Energiewende begrüßt. Man solle nicht mehr nur auf Subventionen setzen.
Korbinian Frenzel: Wenn man Post kriegt von seinem Stromanbieter und da von Preisanpassungen die Rede ist, dann weiß man als geschulter Verbraucher, da scheut sich jemand vor dem ehrlichen Wort Preiserhöhung. Die Kunden von Lichtblick, dem Ökostrom-Anbieter, die haben vor ein paar Wochen einen Brief erhalten, in dem ihnen mitgeteilt wurde, dass die Strompreise angepasst werden an die Marktlage, und da hat man sich nicht gescheut vor dem ehrlichen Wort, verständlicherweise, denn die Preise sinken. Das hat uns stutzig gemacht, denn wir kennen ja alle das Lied von den stetig steigenden Strompreisen und wer daran schuld ist – der rasant wachsende Ökostrom-Anteil. Heiko von Tschischwitz kann und muss uns das erklären. Er ist der Vorsitzende der Geschäftsführung von Lichtblick und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Heiko von Tschischwitz: Guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Macht die Energiewende den Strom gar nicht teurer, sondern billiger?
Tschischwitz: Ein Stück weit ist beides richtig. Was stimmt, ist, dass die EEG-Umlage in den letzten Jahren immer weiter gestiegen ist. Das ist die Umlage, über die die regenerativen Energien finanziert werden, und das ist auch die Begründung, warum die meisten Stromversorger ihre Preise in den letzten Jahren immer weiter angehoben haben. Es stimmt aber auch, dass immer mehr Ökostrom ins Netz drängt, immer mehr Wind- und Sonnenstrom erzeugt wird, und zwar in Konkurrenz zu Atom- und Kohlestrom, und das gibt ein höheres Angebot, und ein höheres Angebot senkt die Preise, und das ist in den letzten Jahren auch passiert. Die Preise an den Großhandelsmärkten sind ganz stark gesunken. Was wir gemacht haben, wir haben das beides zusammengezählt – wir haben also nicht nur die erhöhten Kosten an unsere Kunden durchgereicht, sondern wir haben auf der anderen Seite auch mal geguckt, was sparen wir denn, und auch wenn das in der Energiewirtschaft vielleicht unüblich ist, haben wir da den Saldo gebildet, und da kam insgesamt eine Senkung raus, und haben das dann an unsere Kunden weitergegeben.
Frenzel: Das heißt, wenn Sie das können, dann könnten das eigentlich auch die anderen, also auch die großen wie RWE oder Vattenfall?
Tschischwitz: Das ist so, ja.
Frenzel: Man könnte jetzt den großen Anbietern zugute halten, dass die natürlich massive Probleme haben durch den wachsenden Ökostrom-Markt, weil der ihnen das Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken kaputt macht. Können Sie das teilen, diese Einschätzung?
Tschischwitz: Dass der Ökostrom den Großen das Geschäft mit den konventionellen Kraftwerken kaputt macht, das stimmt. Aber da hat der Verbraucher ja nichts mit zu tun. Das ist ja ein anderes Geschäftsfeld. Und jetzt zu sagen, ich hab in der Erzeugung Verluste und muss deshalb die Margen erhöhen bei meinem Endverbraucher – das kann der Versorger tun, wir haben ja einen liberalisierten Markt, aber dann muss jeder Verbraucher selber entscheiden, ob das eigentlich der Versorger ist, von dem er versorgt werden möchte.
Ausbau lokaler Stromnutzung "zwingend"
Frenzel: Aber es beschreibt ja ganz gut das Problem dieser Energiewende. Die Bundesregierung will da jetzt ran, will die Ökoförderung senken oder drosseln. Das sind die Pläne von Wirtschaftsminister Gabriel. Das soll helfen, die Preise stabil zu halten. Wie bewerten Sie das als Ökostrom-Anbieter? Ist das eine gute Idee, weil eben die Preise nicht weiter wachsen, oder gefährdet er damit das Ziel, dass wir ja eigentlich mehr Strom aus erneuerbaren Energien haben wollen?
Tschischwitz: Ich glaube, dass das, was Gabriel macht, richtig ist. Die Erneuerbaren brauchen ja keinen Welpenschutz mehr, sie sind jetzt in der Pubertät und müssen auch Verantwortung übernehmen, und das wird mit dem Gesetzesentwurf oder mit den Vorschlägen, die Gabriel jetzt veröffentlicht hat, versucht, dass die Subventionen behutsam zurückgeführt werden und gleichzeitig, Wind, Sonne und Biomasse in den Markt integriert werden. Und ich glaube, dass das der richtige Weg ist. Das ist ein Spagat, aber das, was da vorgeschlagen wurde, ist im Großen und Ganzen, glaube ich, in Ordnung.
Frenzel: Also Sie teilen die Befürchtung nicht, die zum Beispiel ein baden-württembergischer Ministerpräsident, der ja jetzt auf die Windkraft guckt und sagt, wenn man da einen Deckel drauf setzt, dann wird das zwangsläufig dazu führen, dass die Erneuerbaren nicht mehr so stark wachsen. Werden Sie nicht mehr so stark wachsen?
Tschischwitz: Sie werden vielleicht nicht mehr ganz so stark wachsen, aber ich glaube, dass die Zeiten vorbei sind, wo die Erneuerbaren allein auf Subventionen setzen. Dass jetzt die Länder kommen mit strukturpolitischen Interessen und auch die ganzen Unternehmensverbände mit Partikularinteressen, das war ja klar. Gabriel hat gesagt, dass er sich davon nicht beirren lassen möchte, und ich hoffe, dass er das auch tut. Sondern dass er zuhört und guckt, wo man vielleicht noch ein bisschen was tun kann, und im Großen und Ganzen aber daran festhält, an dem, was er vorgeschlagen hat.
Es gibt ein paar Punkte, wo man noch was machen kann. Ich glaube, dass bei der Marktintegration noch weiter gegangen werden kann. Da ist der Vorschlag, dass bisher nur große EEG-Kraftwerke in den Markt entlassen werden sollen, also den Strom direkt vermarkten sollen. Da kann man, glaube ich, mutiger sein, das kann man auch für Kleinstanlagen ruhig schon machen. Da gibt es einen Markt für, da gibt es Anbieter für, da spricht eigentlich gar nichts dagegen, das zu tun.
Und dann gibt es einen zweiten Punkt, der, glaube ich, in der Energiewende sehr, sehr wichtig ist, das ist die lokale Vermarktung, die lokale Nutzung von Ökostrom. Da ist bisher vorgesehen, dass nur Einfamilienhäuser begünstigt werden, also dass ganz kleine Anlagen die Möglichkeit erhalten, den Strom auch direkt zu vermarkten. Und das ist ganz sicher falsch. Man darf bei der Energiewende nicht nur an Einfamilienhäuser denken, sondern man muss auch Mehrfamilienhäuser einbeziehen. Das bedeutet, wenn man die lokale Stromnutzung auch ausbauen möchte, und das halte ich für zwingend, dann muss man das so gestalten, dass zum Beispiel auch Wohnungsbaugesellschaften das nutzen können.
"Großkraftwerke wird es in Zukunft nicht mehr geben"
Frenzel: Sie sprechen sich ja stark für eine dezentrale Versorgung aus, das habe ich aus Ihren Äußerungen vorher auch herausgelesen, so sprechen Sie auch jetzt. Unsere Kollegen vom Deutschlandfunk, die haben gestern mit dem RWE-Chef, mit Peter Terium gesprochen, und da war eigentlich die Frage, wozu brauchen wir dann große Anbieter noch, wenn sich dann Ihre Idee zum Beispiel durchsetzen würde. Und seine Antwort war die:
Peter Terium: Über 50 Prozent, sogar bis 75 Prozent nicht von den Bürgern abgenommen wird, sondern von entweder Großindustrie, große Städte oder von Handelsunternehmen beziehungsweise Mittelstand. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Bayer oder BASF seine Stromversorgung für den Chemiepark in Ludwigshafen irgendwie von Fotovoltaik aufs Dach holt.
Frenzel: Das sagt der Vorstandsvorsitzende von RWE. Was sagen Sie denn dazu? Ist da was dran? Also klar, für die private Versorgung kann das funktionieren, aber für einen Industriestandort Deutschland brauchen wir schon größere Kapazitäten.
Tschischwitz: Ich glaube, dass das mittelfristig nicht mehr so sein wird. Herr Terium kann ja gar nichts anderes sagen. Er führt einen Konzern, der lange Zeit die Energiewende ja nicht als Chance gesehen hat, sondern als Gefahr und jetzt versucht, sich zu drehen, wo er merkt, es geht irgendwie gar nicht mehr anders. Er hat natürlich recht, dass wir, Stand heute, nicht alle Großkraftwerke ausschalten können. Aber die Großkraftwerke, und das sagen auch die Kollegen von Terium inzwischen, die wird es in Zukunft, also in 10, 20, 30 Jahren, wird es die nicht mehr geben. Das ist ein bisschen wie die Dinosaurier nach dem Meteoriteneinschlag vor 65 Millionen Jahren. Noch für die zu kämpfen, macht überhaupt keinen Sinn.
Sondern es ist ganz sicher so, dass wir dezentral, also die gesamte Welt bewegt sich ja, das ist ja ein Megatrend in Richtung Dezentralität, der weit über die Energiewirtschaft hinausgeht. Und die Häuser werden nicht nur ihren eigenen Strom erzeugen, sondern die werden mehr Strom erzeugen, als sie brauchen, und den kann man dann auch bündeln. Und wenn man ihn geschickt steuert und optimiert, auch für industrielle Zwecke nutzen. Das geht nicht morgen, wie gesagt, aber in 15 Jahren sind wir da schon einen Riesenschritt weiter.
Frenzel: Das sagt Heiko von Tschischwitz, der Vorsitzende der Geschäftsführung des Stromanbieters Lichtblick. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Tschischwitz: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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