"Inhaltliche Schritte" vor dem gemeinsamen Abendmahl
Das Treffen des Papstes mit dem Lutherischen Weltbund in dessen Gründungsstadt, im schwedischen Lund, ist für die katholische Kirche ein Schritt auf dem Weg zur Einheit der beiden Kirchen. Allerdings: Um das "Abendmahl" wird wohl noch länger gerungen.
Anne Françoise Weber: Monsignore Matthias Türk ist Mitarbeiter des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen und dort unter anderem für die Beziehungen zum Lutherischen Weltbund zuständig. Wenn der Papst jetzt in die Gründungsstadt dieses Weltbundes, ins schwedische Lund fährt, beendet das 500 Jahre Trennungsgeschichte?
Matthias Türk: Wir freuen uns katholischerseits auf die Begegnung, weil es deutlich zum Ausdruck bringt, wie die vergangenen 50 Jahre Einheitsgeschichte darstellen. Das heißt, in vielen Dokumenten, bis hin zur gemeinsamen Erklärung der Rechtfertigungslehre, sind wir entscheidende Schritte zu einer zukünftigen Einheit der Kirche gegangen. Es ist eine Wegmarke, eine Selbstbesinnung und ein Blick nach vorn auf dem Weg zur größeren Einheit.
Weber: Der Papst ist aber nicht Eingeladener, sondern Gastgeber dort?
Türk: Es ist so, dass der Papst für die katholische Kirche und der Präsident und Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes für die lutherische Seite ihre ökumenischen Partner zusammen einladen und nicht warten, dass die Einladung von der einen oder anderen Seite kommt, sondern zusammen die Initiative ergreifen, die anderen Partner weltweit ökumenisch einzuladen, einzubeziehen in den Prozess.
Weber: Und warum Lund? Wäre nicht doch Wittenberg der richtige Ort gewesen?
Türk: Die Überlegung, nach Lund in Schweden zu gehen, entstand aus der Situation heraus, dass 1947, zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, der Lutherische Weltbund dort begründet wurde, übrigens auch eine internationale Gemeinschaft, in der erstmalig wieder Deutsche in Form der deutschen evangelischen Landeskirchen Mitglied sein konnten. Deswegen ein ganz historischer Ort, ein kleines Jubiläum seit 1947 und für uns gemeinsam der geeignete Ort, um das Reformationsgedenken zu begehen.
Erst "Rechtfertigungslehre" und später "Abendmahl"
Weber: Steht nach dieser Begegnung dann die Einigung in Bezug auf das Abendmahl kurz bevor?
Türk: Wir haben verschiedene Etappen zu bewältigen, was die volle sichtbare Einheit der Kirche betrifft. Wir haben die grundlegende Einigung in der Frage der Rechtfertigungslehre, wie der Mensch von Gott und nicht durch sich selbst erlöst wird. Wir haben jetzt vor uns liegen "Kirche, Sakramentales Leben und Amt, kirchliches Dienstamt". Wenn wir diese Schritte inhaltlich gemeinsam meistern, dann ist auch das lang ersehnte Ziel der Eucharistiegemeinschaft, der Gemeinschaft am Tisch des Herrn, in nicht mehr so weiter Ferne.
Weber: Trotzdem, 500 Jahre Trennungsgeschichte, 50 Jahre Einheitsgeschichte, sagen Sie. Braucht man dann noch 450 Jahre, um bei der wirklichen Einheit zu landen?
Türk: Ich warne immer vor konkreten Zahlenangaben. Es ist nicht quantitativ, sondern es sind die qualitativen inhaltlichen Schritte, die unsere Arbeit kennzeichnen, und von daher kann das sehr bald der Fall sein, es kann aber auch noch eine längere Zeit dauern, bis die eben genannten Fragen inhaltlich geklärt werden konnten. Und das ist wichtig.
Weber: Katholische und evangelische Kirche in Deutschland haben ein gemeinsames Wort zum Jahr 2017 veröffentlicht. Ist das aus Sicht des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen völlig unterzeichenbar? Dass da zum Beispiel drin steht: Wir können gemeinsam den Ruf der Reformatoren zur Umkehr hören. Oder ist das eine Nähe, die es in Deutschland gibt, die aber aus vatikanischer Sicht weiter geht, als das hier möglich wäre?
Türk: Da können wir erfreut feststellen, dass die verschiedenen Ebenen sich stark ergänzen. Wir haben auch auf internationaler Ebene ein Dokument erstellt mit dem Titel: "Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformationsgedenken 2017", wo explizit auf die positiven Anliegen und auf den wichtigen Beitrag der Reformatoren und der Theologie, die von Martin Luther eingebracht wurde, hingewiesen wird. Es ist also ein Gewinn für die Gesamtkirche.
Und wenn wir die Positionen, wenn wir die Inhalte, die damals als kirchentrennend im Weg standen, anschauen, können wir heute sagen, dass wir diese Trennung überwunden haben. Zum Beispiel, was die Ablassthesen betrifft: Wir erarbeiten zurzeit auf internationaler Ebene einen gemeinsamen Kommentar, einen lutherisch-katholischen Kommentar zu den Thesen, um sie als Anregung und positive Bereicherung unserer gemeinsamen Theologie zu beschreiben. Von daher ergänzt sich das und ist schon auch als ökumenische Erfolgsgeschichte zu bezeichnen.
Weber: Ganz herzlichen Dank, Monsignore Matthias Türk vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen.
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