Urwaldparadies akut bedroht
Die Erdöl-Förderung bedroht den Lebensraum der indigenen Völker im ecuadorianischen Amazonasgebiet. Dabei muss laut Verfassung für Megaprojekte in ihren Gebieten die Zustimmung der indigenen Bevölkerung eingeholt werden. Das geschieht nicht, und dagegen wehren sie sich.
"El petroleo mejora tu comunidad" – "Das Erdöl verbessert Deine Gemeinde" – dieser Spruch prangt in großen blauen Lettern auf weißem Grund am Ortseingang von Huataracu. Ein paar Funktionsgebäude aus Holz mit Wellblechdach, ein großer Versammlungsraum, der auch als Kirche dient, ein Schulgebäude und ein Bolzplatz sind dort zu finden, wo einst Urwald wucherte. Die Menschen leben weit verstreut.
Das kleine Dorf im ecuadorianischen Amazonasgebiet gehört zur Gemeinde Selva Alegre, was auf Deutsch fröhlicher Urwald heißt. Seinem Namen wird Selva Alegre nicht gerecht: Die gute Laune ist den Bewohnern teils abhandengekommen. Pacha Mama – Mutter Erde, wie die Kichwa sagen - ist akut gefährdet.
Ölförderung zerstört Kaffee-Anbau
"Früher, 1995 - da haben wir hier viel Kaffee produziert, heute nicht mehr", klagt Nelson Grefa sein Leid.
"Ein Hektar wirft heutzutage fünf oder sechs Zentner ab: Früher waren es 40, weil es keine Verschmutzung durch die Erdölfirmen gab."
Er und andere wie Milton Alvarado haben aus der Not eine Tugend gemacht und schlecht bezahlte Hilfsarbeiterjobs bei den Ölfirmen angenommen. "Von 2004 bis 2008 habe ich dank der Ölfirma und der Gemeinde als Produktionshelfer gearbeitet", erzählt Alvarado. Mit diesem Job habe er die Ausbildung seiner Kinder bezahlen können.
Elf Kinder hat Milton Alvarado, die älteren haben den Schulabschluss geschafft. Jobs freilich sind Mangelware, aufgrund der Umweltverschmutzung ernährt das Land die Menschen nicht mehr. Die Erdölförderung erweist sich als Fluch und Segen.
Petrobras, die private brasilianische Ölfirma, habe viel bei der Bildung und im Gesundheitssektor geholfen:
"Sie hat auch den Transport unserer Kinder zur Schule bezahlt. Die Schule lag sehr weit entfernt. Aber seit wieder die staatliche ecuadorianische Petroamazonas die Bohrrechte besitzt, bekommen wir keine Hilfen mehr", stellt Milton Alvarado lakonisch fest.
Trotz neuer Technik - Umweltverschmutzung bleibt
Der Ölpreis befindet sich im Keller, die Förderung steckt in der Krise. Beteiligten schon zu Boom-Zeiten die Erdölfirmen die indigenen Völker nicht, so wie sie das laut Verfassung müssten, am Reichtum des "Schwarzen Goldes", so versiegen jetzt erst recht zunehmend die Hilfsquellen.
Für Walter Heras, den Bischof von Zamora, ein Grund mehr, einen Förderstopp zu fordern:
"Bisher haben wir kein einziges Erdölförderprojekt gesehen, das nachhaltig wäre. Auch bei der Umweltverschmutzung sehen wir keine Fortschritte, obwohl modernste Techniken und Methoden bei der Förderung eingesetzt werden. Aufgrund der Resultate, die wir sehen, scheint eine nachhaltige Förderung undenkbar."
Deshalb müsse man die Erdölförderung einstellen. Ein radikaler Schritt, wohl aber der einzige, der das Überleben der bedrohten Völker im Amazonas sichern könnte.
Nicht nur Erdöl, auch die Förderung anderer Bodenschätze, vor allem durch chinesische Firmen und die großflächig angelegte Agroindustrie, bedrohen den Lebensraum der Indigenen - von Völkern, die noch keinen Kontakt mit der Außenwelt hatten. Einige, wie die Kichwa aus Sarayaku, haben sich erfolgreich gegen Bohrungen auf ihrem Gebiet gewehrt.
Widerstand gegen Megaprojekte wächst
Er habe in den 1990er-Jahren bei mehreren Erdölfirmen gearbeitet, berichtet Edgar.
"Da habe ich gesehen, wie die Umwelt verschmutzt und wie schlecht die Angestellten behandelt wurden. Die haben die Flüsse, die Mündungen und Lagunen verseucht."
Das war im Norden Ecuadors am Rio Napo, wo auch Selva Alegre liegt.
Als Edgar in sein Heimatdorf Sarayaku zurückkehrte und auch dort Öl gefördert werden sollte, machte er mobil. Das war 1996. Die argentinische Firma CGC bekam die Bohrrechte für Block 23 zugesprochen, ein 200.000 Hektar großes Fördergebiet, dessen Felder teilweise unter Sarayaku lagen. Den Kichwa dort gehören zwar 140.000 Hektar Regenwald insgesamt, die Bodenschätze jedoch dem Staat.
Diese Trennung zwischen Land und Bodenschätzen sei lächerlich, meint Patricia Gualinga.
"Wir machen da keinen Unterschied bei unserem natürlichen Lebensraum. Deshalb pochen wir auf Einhaltung der internationalen Menschenrechte, wie sie in der Verfassung vorgeschrieben sind. In Artikel 169 steht, dass für Megaprojekte im Gebiet von indigenen Völkern deren Zustimmung einzuholen ist."
Und das ist versäumt worden. Die kleine dynamische Frau mit pechschwarzen Haaren bis zur Kniekehle ist Sprecherin des etwa 1400 Mitglieder zählenden Volkes des Zenits, wie sich die Menschen von Sarayaku nennen.
Gemeinsam haben sie den Widerstand organisiert, konnten aber nicht verhindern, dass die argentinische Ölfirma CGC Dynamitstangen zur seismischen Voruntersuchung platzierte. Bis vor den Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof sind sie gezogen, und haben 2012 recht bekommen.
Der ecuadorianische Staat hat zwar eine Entschädigung gezahlt, die Dynamitstangen befinden sich jedoch noch immer auf dem Gelände und neue Bohrlizenzen und Schürfrechte wurden vergeben. Der Kampf geht also weiter.
Neue Bohrlizenzen vergeben
"Dieses Dorf leistet Widerstand gegen die neuen Legionen der Welt: Die Erdölunternehmen und die Staaten, die diese Interessen verteidigen, wie der Staat und die Regierung Correas in Ecuador", sagt Acosta. Er war 2007 für kurze Zeit Bergbauminister. Jetzt wünscht sich der Ökonom mehr solcher Dörfer wie Sarayaku.
Die Haltung der ecuadorianischen Regierung ist für Acosta heuchlerisch. Einerseits wurde der US-Ölmulti Chevron-Texaco wegen massiver Umweltverschmutzung im nördlichen Amazonasgebiet an den Pranger gestellt und zu neun Milliarden Dollar Schadenersatz verurteilt, von denen noch kein Cent geflossen ist. Andererseits sind zuletzt Bohrlizenzen für den Yasuni Nationalpark vergeben worden.
Dabei hatte der scheidende Präsident Rafael Correa einen genialen Vorschlag: Die internationale Staatengemeinschaft sollte 3,5 Milliarden Dollar für einen UN-kontrollierten Treuhandfonds über 13 Jahre bereitstellen, als Kompensation für entgangene CO2-Emissionen und um den in seiner Biodiversität einzigartigen Yasuní Naturpark zu erhalten.
Nur etliche Millionen wurden zugesagt: Hatte die Regierung damit einen Sündenbock gefunden? Kritiker zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Absichten.
1672 Millionen Barrel liegen im Boden des Yasuní – weit mehr als ursprünglich gedacht. Trotz vermeintlicher neuer, umweltschonender Fördermethoden ist das Urwaldparadies, der Lebensraum der indigenen Völker akut bedroht. Denn es ist kaum vorstellbar, dass die neue ecuadorianische Regierung auf diesen Reichtum verzichten wird, zumal der Ölpreis wieder anzieht. Der wirtschaftliche Segen entpuppt sich somit zum Fluch für Umwelt, Natur und die letzten indigenen Völker.