Ölhändler und Staatsfeind der USA
Der Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden steht auf der Liste der amerikanischen Staatsfeinde ganz oben. Dort stand auch 17 Jahre lang Marc Rich, denn für die USA galt der mächtige Rohstoffhändler als Verbrecher. Gestern ist der 78-Jährige in der Schweiz gestorben.
Joachim Scholl: 325 Jahre Gefängnis hätten dem Ölhändler Marc Rich in den USA gedroht. 17 Jahre lang waren die US-Behörden hinter ihm her, versuchten ihn sogar aus der Schweiz, wohin sich Marc Rich geflüchtet hatte, zu entführen. Marc Rich, gebürtiger Holländer, dann Schweizer, galt als King of Oil, er war einer der mächtigsten Rohstoffhändler der Welt, gestern ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.
Mit Journalisten hat Marc Rich nie gesprochen, nur mit einem einzigen: dem Schweizer Daniel Ammann, der eine Biografie über Marc Rich und seinen spektakulären Fall geschrieben hat. Mit ihm sind wir jetzt verbunden. Guten Morgen, Herr Ammann!
Daniel Ammann: Guten Morgen!
Scholl: Marc Rich kam 1940 mit seinen Eltern in die USA, als jüdischer Flüchtling. Wie stieg denn dieser Mann zum größten Rohstoffhändler der Welt auf, was war sein Erfolgsrezept?
Ammann: Sein Erfolgsrezept war sicher, dass er aggressiver war als die ganze Konkurrenz, er war schneller, er hatte eine gute Nase für Trends, das bewies er schon ganz früh: Anfang 20 war er erst, als er auf gewisse Rohstoffe setzte, er arbeitete damals für einen großen Rohstoffhändler in New York, Philip Brothers, ursprünglich eine deutsche Firma, und hatte dort Riesenerfolg, verlangte dann einen relativ großen Bonus, eine halbe Million Dollar, die ihm nicht gewährt wurde, und darauf machte er sich selbstständig mit ein paar Kollegen aus Philip Brothers und gründete dann in der Schweiz die Marc Rich und Co. AG.
Scholl: Was war denn seine kriminelle Tat, die ihn dann im Jahr 1983 in den USA most wanted, zu einem der meistgesuchten Straftäter, gemacht hat?
Ammann: Das waren mehrere Sachen: Er hat einerseits die Ölpreisregulierungen ausgenutzt, die damals in den USA herrschten, versuchte damit Geld zu machen. Die USA fanden, das sei illegal, aber was viel schlimmer für die Amerikaner war, dass Marc Rich Erdöl mit dem Iran handelte, auch nach 1979, also nach der Islamistischen Revolution.
Amerika und der Iran waren damals verfeindet, der Iran hatte ja amerikanische Geiseln genommen, und Marc Rich handelte trotzdem Erdöl mit dem Iran. Amerika, die amerikanische Regierung klagte ihn dann wegen Handels mit dem Feind an. Das machte ihn sicher zum Staatsfeind Nummer eins, er war dann etwa 17 Jahre lang auf der Top-Ten-Liste der Most Wanted, der meistgesuchten Verbrecher des FBI.
Scholl: Wie hat er es denn dann über die Jahre geschafft, sich dem Zugriff der US-Behörden zu entziehen, die ja alles versuchten, seiner habhaft zu werden, bis hin zu einer geplanten Entführung.
Ammann: Absolut. Er hatte natürlich das Geld, sich seine Sicherheit zu kaufen. Wichtig war da ein ehemaliger Mossad-Agent - also Mossad, der israelische Geheimdienst -, dieser Mossad-Agent arbeitete als Sicherheitsberater für Marc Rich, hatte natürlich gute Kontakte zu verschiedenen Geheimdiensten, kriegte vermutlich da und dort mal einen Tipp, dass es für Marc Rich gefährlich sein könnte zu reisen.
Aber was Marc Rich auch machen musste: Er war im Prinzip in einem goldenen Käfig gefangen in der Schweiz. Und in Spanien und in Israel konnte er sich frei bewegen, dort war er Staatsbürger, sonst aber war er immer in Gefahr, von amerikanischen Agenten gefasst zu werden.
Er reagierte zum Beispiel so darauf, dass er dann in Hotels immer unter fremdem Namen abstieg, er nahm keine Linienflugzeuge, weil das wäre ja zu gefährlich gewesen. Er musste darauf achten, dass nie ein Flugzeug amerikanischen Luftraum nur schon berührte, da man ihn dann hätte abfangen können.
Scholl: In diesem Zusammenhang muss man auch erwähnen, weil Sie sagen, die Kontakte zu Israel waren sehr gut, Marc Rich war gläubiger Jude, hat viel gespendet für Israel, war ein Freund Israels, hat ironischerweise iranisches Öl auch an Israel verkauft.
Was war das eigentlich für ein Mann, dieser Marc Rich, war das so ein skrupelloser Wirtschaftsboss, dem es doch nur um Macht und Geld ging? Wie haben Sie ihn erlebt, Herr Ammann?
""Es ging ihm sicher vor allem auch um Geld""
Ammann: Es ging ihm sicher vor allem auch um Geld. Geld war aber nicht nur da, um reich zu werden, das hatte er dann allemal schon genügend, sondern Geld war für Marc Rich eine Art, ein Symbol für seinen Erfolg, ein Beweis, dass er besser, erfolgreicher war als seine Konkurrenz. Er sagte mir mal, Making Money, also Geld zu verdienen, das sei für ihn das Größte.
Gleichzeitig aber war er, wenn man mit ihm sprach, entsprach er überhaupt nicht diesem Bild, das man auch haben könnte, des supertoughen Händlers, sondern er war eher bescheiden, sprach mit einer sehr sanften Stimme. Das erste Mal, als ich ihn traf, war ich auch sehr überrascht, dass er irgendeinen etwa 17 Jahre alten Subaru fuhr, also einen unteren Mittelklassewagen und nicht irgendeinen BMW oder Mercedes oder Range Rover, also eine sehr schillernde, ambivalente Person.
Scholl: Staatsfeind Nummer eins, der Fall Marc Rich - wir sind im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Autor Daniel Ammann. 2001, Herr Ammann, wurde das Verfahren gegen Marc Rich dann in den USA eingestellt, Präsident Bill Clinton höchstselbst hat ihn im Zuge seiner letzten Amtshandlung offiziell begnadigt. Wie kam es dazu?
""Er rettete Israel in einer sehr, sehr schwierigen Zeit""
Ammann: Also eine extrem komplizierte Geschichte, aber ganz kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass, weil Marc Rich für Israel so wichtig war - Sie haben es vorhin erwähnt, er kaufte iranisches Öl und verkaufte das Öl an Israel. Das war schon mal eine Leistung, unglaublich, das waren Todfeinde, der Iran wollte, rhetorisch immer wieder betont, wollte Israel zerstören, trotzdem konnte Marc Rich iranisches Öl kaufen, und mit vollem Wissen der Iraner verkaufte er es Israel und rettete Israel in einer sehr, sehr schwierigen Zeit.
Das hat Israel Marc Rich nie vergessen, und darum hatte sich im Prinzip die gesamte israelische Elite persönlich bei Bill Clinton eingesetzt dafür, dass Marc Rich begnadigt wird. Zwei Beispiele: Am letzten Arbeitstag, als die Begnadigung unterschrieben wurde von Bill Clinton, haben noch Shimon Peres, der israelische Präsident, und Ehud Barak, der Verteidigungsminister, persönlich bei Bill Clinton telefoniert und ihn wirklich darauf gedrängt, Marc Rich zu begnadigen.
Scholl: Beobachter sagten aber auch – und Sie schildern das auch in Ihrem Buch –, dass Marc Richs Frau Bill Clintons Wahlkampfteam mit vielen hunderttausend Dollar, also die Demokraten, unterstützt habe. War da vielleicht auch eine kleine Motivation hier, ein Dankeschön zu sagen?
Ammann: Das war sicher ein Beziehungsdelikt. Ich denke mir aber, richtig war, dass Denise Rich – hieß die Frau, das war die Exfrau –, war natürlich wichtig, dass die eine wichtige Sponsorin der demokratischen Partei und der Clintons persönlich war. Ich glaube aber, der wichtige Teil bei ihr war eher, dass Bill Clinton überhaupt dazu gebracht wurde, auf dieses Dossier zu schauen. Den Ausschlag, glaube ich dann, gaben eher die israelischen Politiker.
Scholl: Nun haben wir gegenwärtig wieder einen spektakulären Fall eines Mannes auf der Flucht: Unbedingt wollen die USA den Geheimnisenthüller Edward Snowden aufs eigenes Territorium bekommen. Wie groß schätzen Sie denn dessen Chancen zu entkommen? Solche exzellenten Verbindungen, wie sie Marc Rich hatte, dürften Snowden ja fehlen, und wohl auch das Geld.
Ammann: Ja, Edward Snowden wird es sehr, sehr schwierig haben. Das Problem ist tatsächlich, Marc Rich hatte seinen Wohnsitz in der Schweiz, wurde auch von der Schweizer Regierung geschützt, nicht ausgeliefert. Edward Snowden sitzt momentan irgendwo in einem Transitraum, weiß gar nicht, ob er noch in ein Land kommt, und die Amerikaner haben – das zeigt das Beispiel Marc Rich halt schon –, die gehen praktisch gnadenlos gegen jemanden vor, den sie wirklich haben wollen.
Ich denke mir, Edward Snowden wird es extrem schwierig haben. ich würde jetzt mal davon ausgehen, auch wenn er es vielleicht doch noch schafft, nach Ecuador zu kommen, dass irgendwann mal er dort gefasst wird von amerikanischen Agenten, vielleicht heimlich, illegal, davor hätten amerikanische Agenten auch in der Schweiz nicht zurückgeschreckt, halt auch jemand illegal dann zu entführen und zurück in die USA zu bringen.
Scholl: Das heißt, der Fall Marc Rich zeigt schon, dass die US-Geheimdienste nicht davor zurückschrecken, Gesetze anderer Länder zu missachten, um den jeweiligen Staatsfeind dingfest zu machen?
Ammann: Absolut, ich nenne das den rechtlichen Imperialismus der Amerikaner, der sich beim Fall Marc Rich sehr klar gezeigt hatte. Alle Vorwürfe gegen Marc Rich waren in der Schweiz nicht illegal. Nach Schweizer Recht hat Marc Rich nie ein Gesetz gebrochen, das hat die Amerikaner überhaupt nicht gekümmert.
Und wie Sie es erwähnt haben in der Anmoderation, es gab sogar einen Fall, als zwei amerikanische Agenten in die Schweiz kamen und Marc Rich entführen wollten. Das war ihr Plan, sie sind dann aufgeflogen, darum kam es nicht dazu, aber die US-Regierung hätte hier sogar einen großen diplomatischen Konflikt riskiert, wäre das eingegangen, um Marc Rich fassen zu können.
Scholl: Einen Bündnispartner hat Snowden wohl in der Öffentlichkeit, im Netz, hier ist er so was wie der Robin Hood der digitalen Bürgerrechte. Wird ihm wenigstens diese Unterstützung helfen?
Ammann: Ich denke es mir nicht. Wenn man ein bisschen die amerikanischen Medien liest, dann hat Snowden in den USA eigentlich nicht einen sehr, sehr großen Support. Weltweit würde ich das anders sehen, ich meine, da hat er tatsächlich uns etwas sagen können, das wir nicht wussten, in einem Ausmaß, von dem ich persönlich auch erschreckt bin, das hätte ich so nie gedacht. Von dem her, einen gewissen moralischen Support hat er sicher, ob ihm das jetzt in den USA hilft, das wage ich zu bezweifeln.
Scholl: Staatsfeinde Nummer eins, der eine, Marc Rich, entkam mit Beziehungen und Geld, und wie ergeht es Edward Snowden? Das war Daniel Ammann, er hat eine Biografie über Marc Rich verfasst, der gestern gestorben ist im Alter von 78 Jahren, "King of Oil" heißt das Buch, das im Verlag Orell Füssli erschienen ist. Herzlichen Dank, Herr Ammann!
Ammann: Ich danke Ihnen, schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mit Journalisten hat Marc Rich nie gesprochen, nur mit einem einzigen: dem Schweizer Daniel Ammann, der eine Biografie über Marc Rich und seinen spektakulären Fall geschrieben hat. Mit ihm sind wir jetzt verbunden. Guten Morgen, Herr Ammann!
Daniel Ammann: Guten Morgen!
Scholl: Marc Rich kam 1940 mit seinen Eltern in die USA, als jüdischer Flüchtling. Wie stieg denn dieser Mann zum größten Rohstoffhändler der Welt auf, was war sein Erfolgsrezept?
Ammann: Sein Erfolgsrezept war sicher, dass er aggressiver war als die ganze Konkurrenz, er war schneller, er hatte eine gute Nase für Trends, das bewies er schon ganz früh: Anfang 20 war er erst, als er auf gewisse Rohstoffe setzte, er arbeitete damals für einen großen Rohstoffhändler in New York, Philip Brothers, ursprünglich eine deutsche Firma, und hatte dort Riesenerfolg, verlangte dann einen relativ großen Bonus, eine halbe Million Dollar, die ihm nicht gewährt wurde, und darauf machte er sich selbstständig mit ein paar Kollegen aus Philip Brothers und gründete dann in der Schweiz die Marc Rich und Co. AG.
Scholl: Was war denn seine kriminelle Tat, die ihn dann im Jahr 1983 in den USA most wanted, zu einem der meistgesuchten Straftäter, gemacht hat?
Ammann: Das waren mehrere Sachen: Er hat einerseits die Ölpreisregulierungen ausgenutzt, die damals in den USA herrschten, versuchte damit Geld zu machen. Die USA fanden, das sei illegal, aber was viel schlimmer für die Amerikaner war, dass Marc Rich Erdöl mit dem Iran handelte, auch nach 1979, also nach der Islamistischen Revolution.
Amerika und der Iran waren damals verfeindet, der Iran hatte ja amerikanische Geiseln genommen, und Marc Rich handelte trotzdem Erdöl mit dem Iran. Amerika, die amerikanische Regierung klagte ihn dann wegen Handels mit dem Feind an. Das machte ihn sicher zum Staatsfeind Nummer eins, er war dann etwa 17 Jahre lang auf der Top-Ten-Liste der Most Wanted, der meistgesuchten Verbrecher des FBI.
Scholl: Wie hat er es denn dann über die Jahre geschafft, sich dem Zugriff der US-Behörden zu entziehen, die ja alles versuchten, seiner habhaft zu werden, bis hin zu einer geplanten Entführung.
Ammann: Absolut. Er hatte natürlich das Geld, sich seine Sicherheit zu kaufen. Wichtig war da ein ehemaliger Mossad-Agent - also Mossad, der israelische Geheimdienst -, dieser Mossad-Agent arbeitete als Sicherheitsberater für Marc Rich, hatte natürlich gute Kontakte zu verschiedenen Geheimdiensten, kriegte vermutlich da und dort mal einen Tipp, dass es für Marc Rich gefährlich sein könnte zu reisen.
Aber was Marc Rich auch machen musste: Er war im Prinzip in einem goldenen Käfig gefangen in der Schweiz. Und in Spanien und in Israel konnte er sich frei bewegen, dort war er Staatsbürger, sonst aber war er immer in Gefahr, von amerikanischen Agenten gefasst zu werden.
Er reagierte zum Beispiel so darauf, dass er dann in Hotels immer unter fremdem Namen abstieg, er nahm keine Linienflugzeuge, weil das wäre ja zu gefährlich gewesen. Er musste darauf achten, dass nie ein Flugzeug amerikanischen Luftraum nur schon berührte, da man ihn dann hätte abfangen können.
Scholl: In diesem Zusammenhang muss man auch erwähnen, weil Sie sagen, die Kontakte zu Israel waren sehr gut, Marc Rich war gläubiger Jude, hat viel gespendet für Israel, war ein Freund Israels, hat ironischerweise iranisches Öl auch an Israel verkauft.
Was war das eigentlich für ein Mann, dieser Marc Rich, war das so ein skrupelloser Wirtschaftsboss, dem es doch nur um Macht und Geld ging? Wie haben Sie ihn erlebt, Herr Ammann?
""Es ging ihm sicher vor allem auch um Geld""
Ammann: Es ging ihm sicher vor allem auch um Geld. Geld war aber nicht nur da, um reich zu werden, das hatte er dann allemal schon genügend, sondern Geld war für Marc Rich eine Art, ein Symbol für seinen Erfolg, ein Beweis, dass er besser, erfolgreicher war als seine Konkurrenz. Er sagte mir mal, Making Money, also Geld zu verdienen, das sei für ihn das Größte.
Gleichzeitig aber war er, wenn man mit ihm sprach, entsprach er überhaupt nicht diesem Bild, das man auch haben könnte, des supertoughen Händlers, sondern er war eher bescheiden, sprach mit einer sehr sanften Stimme. Das erste Mal, als ich ihn traf, war ich auch sehr überrascht, dass er irgendeinen etwa 17 Jahre alten Subaru fuhr, also einen unteren Mittelklassewagen und nicht irgendeinen BMW oder Mercedes oder Range Rover, also eine sehr schillernde, ambivalente Person.
Scholl: Staatsfeind Nummer eins, der Fall Marc Rich - wir sind im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Autor Daniel Ammann. 2001, Herr Ammann, wurde das Verfahren gegen Marc Rich dann in den USA eingestellt, Präsident Bill Clinton höchstselbst hat ihn im Zuge seiner letzten Amtshandlung offiziell begnadigt. Wie kam es dazu?
""Er rettete Israel in einer sehr, sehr schwierigen Zeit""
Ammann: Also eine extrem komplizierte Geschichte, aber ganz kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass, weil Marc Rich für Israel so wichtig war - Sie haben es vorhin erwähnt, er kaufte iranisches Öl und verkaufte das Öl an Israel. Das war schon mal eine Leistung, unglaublich, das waren Todfeinde, der Iran wollte, rhetorisch immer wieder betont, wollte Israel zerstören, trotzdem konnte Marc Rich iranisches Öl kaufen, und mit vollem Wissen der Iraner verkaufte er es Israel und rettete Israel in einer sehr, sehr schwierigen Zeit.
Das hat Israel Marc Rich nie vergessen, und darum hatte sich im Prinzip die gesamte israelische Elite persönlich bei Bill Clinton eingesetzt dafür, dass Marc Rich begnadigt wird. Zwei Beispiele: Am letzten Arbeitstag, als die Begnadigung unterschrieben wurde von Bill Clinton, haben noch Shimon Peres, der israelische Präsident, und Ehud Barak, der Verteidigungsminister, persönlich bei Bill Clinton telefoniert und ihn wirklich darauf gedrängt, Marc Rich zu begnadigen.
Scholl: Beobachter sagten aber auch – und Sie schildern das auch in Ihrem Buch –, dass Marc Richs Frau Bill Clintons Wahlkampfteam mit vielen hunderttausend Dollar, also die Demokraten, unterstützt habe. War da vielleicht auch eine kleine Motivation hier, ein Dankeschön zu sagen?
Ammann: Das war sicher ein Beziehungsdelikt. Ich denke mir aber, richtig war, dass Denise Rich – hieß die Frau, das war die Exfrau –, war natürlich wichtig, dass die eine wichtige Sponsorin der demokratischen Partei und der Clintons persönlich war. Ich glaube aber, der wichtige Teil bei ihr war eher, dass Bill Clinton überhaupt dazu gebracht wurde, auf dieses Dossier zu schauen. Den Ausschlag, glaube ich dann, gaben eher die israelischen Politiker.
Scholl: Nun haben wir gegenwärtig wieder einen spektakulären Fall eines Mannes auf der Flucht: Unbedingt wollen die USA den Geheimnisenthüller Edward Snowden aufs eigenes Territorium bekommen. Wie groß schätzen Sie denn dessen Chancen zu entkommen? Solche exzellenten Verbindungen, wie sie Marc Rich hatte, dürften Snowden ja fehlen, und wohl auch das Geld.
Ammann: Ja, Edward Snowden wird es sehr, sehr schwierig haben. Das Problem ist tatsächlich, Marc Rich hatte seinen Wohnsitz in der Schweiz, wurde auch von der Schweizer Regierung geschützt, nicht ausgeliefert. Edward Snowden sitzt momentan irgendwo in einem Transitraum, weiß gar nicht, ob er noch in ein Land kommt, und die Amerikaner haben – das zeigt das Beispiel Marc Rich halt schon –, die gehen praktisch gnadenlos gegen jemanden vor, den sie wirklich haben wollen.
Ich denke mir, Edward Snowden wird es extrem schwierig haben. ich würde jetzt mal davon ausgehen, auch wenn er es vielleicht doch noch schafft, nach Ecuador zu kommen, dass irgendwann mal er dort gefasst wird von amerikanischen Agenten, vielleicht heimlich, illegal, davor hätten amerikanische Agenten auch in der Schweiz nicht zurückgeschreckt, halt auch jemand illegal dann zu entführen und zurück in die USA zu bringen.
Scholl: Das heißt, der Fall Marc Rich zeigt schon, dass die US-Geheimdienste nicht davor zurückschrecken, Gesetze anderer Länder zu missachten, um den jeweiligen Staatsfeind dingfest zu machen?
Ammann: Absolut, ich nenne das den rechtlichen Imperialismus der Amerikaner, der sich beim Fall Marc Rich sehr klar gezeigt hatte. Alle Vorwürfe gegen Marc Rich waren in der Schweiz nicht illegal. Nach Schweizer Recht hat Marc Rich nie ein Gesetz gebrochen, das hat die Amerikaner überhaupt nicht gekümmert.
Und wie Sie es erwähnt haben in der Anmoderation, es gab sogar einen Fall, als zwei amerikanische Agenten in die Schweiz kamen und Marc Rich entführen wollten. Das war ihr Plan, sie sind dann aufgeflogen, darum kam es nicht dazu, aber die US-Regierung hätte hier sogar einen großen diplomatischen Konflikt riskiert, wäre das eingegangen, um Marc Rich fassen zu können.
Scholl: Einen Bündnispartner hat Snowden wohl in der Öffentlichkeit, im Netz, hier ist er so was wie der Robin Hood der digitalen Bürgerrechte. Wird ihm wenigstens diese Unterstützung helfen?
Ammann: Ich denke es mir nicht. Wenn man ein bisschen die amerikanischen Medien liest, dann hat Snowden in den USA eigentlich nicht einen sehr, sehr großen Support. Weltweit würde ich das anders sehen, ich meine, da hat er tatsächlich uns etwas sagen können, das wir nicht wussten, in einem Ausmaß, von dem ich persönlich auch erschreckt bin, das hätte ich so nie gedacht. Von dem her, einen gewissen moralischen Support hat er sicher, ob ihm das jetzt in den USA hilft, das wage ich zu bezweifeln.
Scholl: Staatsfeinde Nummer eins, der eine, Marc Rich, entkam mit Beziehungen und Geld, und wie ergeht es Edward Snowden? Das war Daniel Ammann, er hat eine Biografie über Marc Rich verfasst, der gestern gestorben ist im Alter von 78 Jahren, "King of Oil" heißt das Buch, das im Verlag Orell Füssli erschienen ist. Herzlichen Dank, Herr Ammann!
Ammann: Ich danke Ihnen, schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Edward Snowden© picture alliance / dpa / The Guardian Newspaper / FILE