Populismus und falscher Klebstoff
Seit Jahresbeginn sucht Österreich einen Bundespräsidenten. Erst kippte das Verfassungsgericht den knappen Sieg von Alexander Van der Bellen wegen Schlampereien bei der Auszählung, dann verhinderte ein schlechter Klebstoff die Wahlwiederholung. Wie gespalten ist das Land?
Im Dorf Predlitz in der Steiermark sind eigentlich andere Dinge wichtig - andere Dinge als die Hofburg in Wien, der Klebstoff an Briefwahlumschlägen, die Bundespräsidentenwahl insgesamt. Der Musikverein zum Beispiel ist wichtig. 30 Musikerinnen und Musiker zwischen 11 und 72 Jahren proben im ersten Stock des Gemeindeamts:
Auf diesen Marsch - "Durch’s Bär’ntal" - ist Kapellmeister Christoph Lasacher besonders stolz - er hat ihn selbst komponiert. Predlitz im Oberen Murtal hat wie viele Gemeinden auf dem Land mit der Abwanderung der Jüngeren zu kämpfen, die in der Land- und Forstwirtschaft oder im Handwerk hier keine Zukunft sehen. Doch Christoph Lasacher, 24, will in Predlitz bleiben. Ob der Musikverein wichtig ist?
"Ja, sehr wichtig für das Dorfleben und für den Zusammenhalt, die Gemeinschaft unter den Vereinen, einfach das ganze Dorfleben, für die kirchlichen Veranstaltungen. Wir haben eigene Veranstaltungen, sei es Frühschoppen, Konzerte, Begräbnisse, alles was halt anfällt, es ist eigentlich fast überall die Musik dabei. Und ohne die wäre es halt, sag‘ ich mal, nur die Hälfte - oder das ist halt nicht das Wahre, ohne Musik."
"Ich find’s ein bisschen lächerlich"
In der Probenpause kommt die Sprache dann doch auf die Bundespräsidentenwahl. Dass es einfach nicht hinhaut, dass die erste Stichwahl zwischen Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen wegen Schlampereien bei der Auszählung vom Verfassungsgericht kassiert wurde, dass die zweite Stichwahl wegen nicht klebender Briefwahlumschläge verschoben werden musste – das kann auch der Leiter des Musikvereins, David Rauter, nicht verstehen:
"Also ich find’s ein bisschen lächerlich, dass wir das nicht zusammenbringen, weil so eine Wahl ist ja echt etwas wichtiges für ein Land oder für den Bund oder die Gemeinde – ist ja wurscht was – und das man da nicht, dass da die Wahlbeisitzer nicht behutsamer damit umgehen mit den ganzen Wahlkarten und Stimmenzetteln und so, dass die das nicht fachgerecht machen - weil eigentlich verlässt sich da jeder Bürger auf das, dass das funktioniert."
David Rauter studiert Architektur in Graz, fährt aber jede Woche nach Hause nach Predlitz, auch weil er hier als gelernter Fliesenleger und Ofenbauer sein Geld verdient. Auf die Frage, warum fast 50 Prozent der Österreicher bei der ersten Stichwahl Norbert Hofer von der rechtspopulistischen FPÖ gewählt haben, sagen Rauter und Lasacher: jedenfalls nicht, weil die alle rechtsextrem sind:
"Ich glaub‘, dass so viel schwarze Schafe wie die FPÖ hat keine andere Partei hat – in die Richtung hin, ins Rechtsextreme, das wird sicher so sein – aber ich sage jetzt nicht, dass die FPÖ generell eine rechtsextreme Partei ist."
"Ich finde nicht, dass die FPÖ eine rechtsradikale Partei ist. Es gibt sicher – aber das wird es in jeder Partei wahrscheinlich geben – dass der eine oder andere eher zum Rechtsradikalen tendiert, aber ich sage, das hat jetzt mit der Partei selber nichts zu tun. Ich sagen so: Bei uns in der Gemeinde, der vorige Bürgermeister, der Horst, hat super Sachen gemacht, ist von der FPÖ gewesen, es sind aber auch die anderen Bürgermeister, wie von der ÖVP, zum Beispiel jetzt der Hannes, die machen alle super Sachen. Also ich sage, ich finde nicht, dass man da jetzt eine Partei nehmen kann und abstempeln, dass die nur rechtsradikal sind."
Vorbehalte gegen Flüchtlinge
Der Horst und der Hannes, Ex-Bürgermeister und Bürgermeister, sitzen einen Stock tiefer im Gemeindeamt mit dem Pfarrer zusammen.
Hannes Rauter von der Volkspartei ÖVP ist seit eineinhalb Jahren Bürgermeister von Predlitz, genauer gesagt von Stadl-Predlitz , denn eine von der Landesregierung verordnete Gemeindestrukturreform hat den Ort mit der Nachbargemeinde Stadl zwangsvereinigt. Das hat für viel Unmut gesorgt, genauso wie das Thema Flüchtlinge für Unmut sorgt:
"In der Region haben wir schon Flüchtlinge, wir in unserer Gemeinde nicht, weil wir haben kein passendes Quartier."
Ein paar Kilometer entfernt, in Ramingstein, leben rund 60 Flüchtlinge in einem früheren Gasthof. Und das sorgt auch hier in Predlitz für Skepsis, sagt Bürgermeister Rauter:
"Ja, das merkt man schon, dass Skepsis da ist. Viele sagen halt, denen geht es ohne Arbeiten auch so gut wie uns beim Arbeiten ."
Den Flüchtlingen geht es, ohne dass sie arbeiten, genauso gut, wie der normalen Bevölkerung, die arbeitet – das also ist das Standardargument. Und wie sieht der Bürgermeister von der Volkspartei ÖVP das starke Abschneiden von FPÖ-Kandidat Hofer bei der Präsidentenwahl?
"Ja, ich sehe dass schon, dass diese 50 Prozent, die wahrscheinlich wieder Hofer wählen werden, oder knapp 50 Prozent, so rundherum, die sind sicher nicht alle rechtsradikal, wahrscheinlich nur ein paar, wird es überall geben, schwarze Schafe. Ansonsten sind es wahrscheinlich viele Protestwähler. Man hat es ja gesehen, es ist kein ÖVP-Kandidat und kein SPÖ-Kandidat in die Stichwahl gekommen, und daraus sieht man, dass die Bevölkerung oder die Wähler mit der Bundesregierung unzufrieden sind."
Versprechen bei der Postenvergabe nicht eingehalten
Rauters Vorgänger Horst Prodinger, jahrelang FPÖ-Bürgermeister, sagt: Die Parteizugehörigkeit ist gar nicht so wichtig, es kommt auf die Person an, ob bei einer Bundespräsidenten- oder Bürgermeisterwahl:
"Hier am Land ist es so: durch das, dass ein jeder jeden kennt, ist es eigentlich egal, von welcher Partei er kommt. Wichtig ist, dass er sich integriert, einsetzt und für das Volk da ist, für die Gemeinde und für die Bürger."
Prodinger ist inzwischen aus der FPÖ ausgetreten und als Parteiloser auf der FPÖ-Liste im Gemeinderat. Er war verärgert, dass die FPÖ-Landespartei Versprechen bei der Postenvergabe nicht eingehalten hat, sagt Prodinger. Auch um das Minarettspiel ging es im Hintergrund - ein heftig kritisiertes Computerspiel, bei dem man virtuell auf Minarette, Moscheen und Muezzine schießen konnte, im Landtagswahlkampf 2010 von der FPÖ Steiermark lanciert. Dazu sagt Prodinger heute nur noch:
"Das sind Sachen, die schau‘ ich mir gar nicht an, die interessieren mich gar nicht. Also, mit solchen rechtsradikalen Sachen will ich nichts zu tun haben, halte da strikten Abstand."
Und was ist aus seiner Sicht die Stärke von Norbert Hofer?
"Ich glaube, dass die Österreicher ein bisschen politikverdrossen sind. Sie suchen eine Alternative. Und der Herr Hofer spricht wahrscheinlich 50 Prozent der Bevölkerung an, dass sie dort wahrscheinlich sich sicher fühlen."
Pfarrer Ewald Pristavec ist der Gegenpol zu Horst Prodinger in Predlitz, jedenfalls wenn es ums Thema Flüchtlinge geht. Pristavec hat versucht, sich für die Aufnahme von Flüchtlingen auch in Predlitz einzusetzen, blieb aber ziemlich allein auf weiter Flur:
"Eine Dame hätte ein Haus angeboten für Flüchtlinge, und ich habe auch meine Bereitschaft erklärt, da mitzutun und wohlwollend Stimmung zu machen. Aber die Dame hat dann doch das sehr kurzfristig wieder zurückgezogen, weil sie gemeint, hat, nein, die Ressentiments sind doch so groß und sie traut sich nicht drüber. Aber vielleicht kommt’s doch."
"Die Post transportiert seit 200 Jahren Briefe"
Was macht die Skepsis gegenüber Flüchtlingen aus in Österreich?
"Wahrscheinlich ist das, was einem selber ganz fremd ist, mit der größten Angst behaftet. Also eine ängstliche und – vielleicht ist feindselig ein zu großes Wort – aber eine sehr misstrauische Grundstimmung ist natürlich festzustellen und zu beobachten. Eine gewisse Neiddebatte kann man auch feststellen. Und die Angst vor dem Islam ist schon sehr groß - aus berechtigten oder nicht berechtigten Gründen, das müsste man sich dann selber im Detail anschauen - aber die Angst ist sehr groß."
Und was sagt er als Pfarrer zur Bundespräsidentenwahl mit ihren Klebstoffproblemen?
"Die österreichische Post transportiert seit ungefähr, was weiß ich, 200 Jahren Briefe, die man zupicken kann. Punkt. So schwierig kann es nicht sein. Es gibt, auch aus unterschiedlichen Gründen, in Österreich eine ganz große Politikverdrossenheit. Und die wird durch solche Dinge natürlich noch befeuert und noch verstärkt, kein Zweifel."
Ortswechsel nach Kärnten, an den Millstätter See. Kärnten ist das österreichische Bundesland, in dem einst Jörg Haider seine Machtbasis hatte, der Mann, der die Freiheitlichen, die FPÖ, Parteifarbe blau, ab 1986 stark machte wie nie zuvor, ab dem Jahr 2000 sogar in die Bundesregierung in Österreich führte. Und Kärnten ist Urlaubsland.
Gottlieb Strobl, der aus einer Millstätter Bootsbauerfamilie kommt und alles verleiht, was mit Wassersport zu tun hat, blickt zufrieden auf die Tourismus-Saison zurück:
"Wir sind sicher einer der schönen Orte, die es einfach im Kärntner Land gibt. Es gibt bei uns einfach so viele Seen und der Millstätter See hat einfach als See eine Besonderheit: er liegt zwischen den Hohentauern und den Nockbergen, eingebettet wunderschön, dieses Seental, in dem wir hier sind. Der See ist nur auf der Nordseite verbaut, das Südufer frei, das gibt dem See unglaublichen Erholungsraum. Und der Ort Millstatt ist doch von der gesamten Entwicklung her ein Kulturort. Das Kloster, Stift und Kloster Millstatt, dieser Dom, das hat einfach Geschichte geschrieben, das hat das Kärntner Oberland und Kärnten mit beeinflusst."
"Eigentlich brauchen wir keinen Präsidenten"
An der Uferpromenade sitzen die Leute beim Seefest in der Herbstsonne. Zur noch einmal verschobenen Präsidentenwahl sagen sie:
"Dass es der letzte Blödsinn ist."
"Na, das ist eine Katastrophe."
"Lächerlich ist es, das man so eine Sache, die eigentlich schon über Jahrzehnte hinweg funktioniert haben, auf einmal nicht mehr funktionieren."
"Na, da kann der Österreicher ja im Prinzip ja nichts dafür, dass die Kleber nicht in Ordnung sind, das ist halt von der Firma aus."
"Eigentlich brauchen wir keinen Präsidenten. Jetzt haben wir bis jetzt keinen gehabt und bis Dezember brauchen wir auch keinen und eigentlich brauchen wir gar keinen."
"Na, das ist eine Katastrophe."
"Lächerlich ist es, das man so eine Sache, die eigentlich schon über Jahrzehnte hinweg funktioniert haben, auf einmal nicht mehr funktionieren."
"Na, da kann der Österreicher ja im Prinzip ja nichts dafür, dass die Kleber nicht in Ordnung sind, das ist halt von der Firma aus."
"Eigentlich brauchen wir keinen Präsidenten. Jetzt haben wir bis jetzt keinen gehabt und bis Dezember brauchen wir auch keinen und eigentlich brauchen wir gar keinen."
Hört man sich bei Einheimischen in Millstatt zum Thema Flüchtlinge um, gibt es unter anderem das zu hören:
"Gegen Flüchtlinge habe ich eigentlich so gesehen gar nichts. Sie müssen sich halt anpassen. Und sie müssten auch nicht mehr respektiert werden wie wir Österreicher. Weil wir Österreicher haben weniger Rechte als die Asylanten. So schaut’s aus. Weil viele Familien in Österreich haben kein Essen, haben nichts zu heizen, frieren den Winter. Und die Asylanten werden dreimal am Tag bewirtet, sie haben Frühstück, Mittagessen und Abendessen, bekommen Taschengeld, haben warmes Wasser und haben ein Dach über dem Kopf. Das hat oft eine österreichische Familie nicht."
Die Frau, die das sagt, hat selbst einen festen Job, sie arbeitet an einer Hotelrezeption. Bootsbauer Gottfried Strobl sieht die Sache differenzierter. Aber wenn er an die Negativ-Schlagzeilen, gerade in Deutschland, zu Norbert Hofer und der FPÖ denkt, kann auch er ziemlich ärgerlich werden:
"Wir wollen in kein rechtes Eck gedrängt werden und wir sollten auch nicht dorthin gedrängt werden. Man soll legitime Parteien, die es gibt, wo vielleicht auch ein bisschen patriotisches Bewusstsein auch drinnen ist, das darf ein Land, ein Volk schon irgendwie haben. Und noch schlimmer wäre es, wenn Europa irgendwo mit erhobenem Finger auf Österreich zeigen würde."
"Weil das ein Staatsmann ist, auf den man stolz sein kann"
Auch in Millstatt selbst gibt es so gut wie keine Flüchtlinge. Nur in einer Hotelküche arbeitet einer, schon seit vielen Jahren. Hotelbetreiber Thomas Helml lässt auf seinen Mitarbeiter aus dem Iran nichts kommen:
"Meines Wissens ist derjenige, der bei uns in der Küche hilft, ja, der einzige Flüchtling, den wir in Millstatt haben. Das ist unser Jasim Mordesai, er ist iranischer Hekunft aus der Stadt Isfahan. Und wir haben uns auch ein bisschen dafür eingesetzt, dass er dann den Flüchtlingsstatus, also Asylstatus bekommen kann. Ein ganz ein netter Bursche, und der war also gelernter Elektriker und hat von Anfang an wirklich eine Ruhe, eine Überlegtheit, eine Freude und einen Willen beim Lernen der Sprache und beim Arbeiten an den Tag gelegt - das haben wir bis jetzt in den letzten 15 Jahren in der Küche noch nicht gehabt."
Helml, der selbst für die Hotelgäste kocht, stammt aus Wien, lebt aber seit mehr als 15 Jahren hier am See. Und einst, erzählt er, stand auch Jörg Haider in seiner Tür. Doch Helml, schon damals erklärter Haider–Gegner, komplimentierte diesen freundlich wieder hinaus. Wenn ich für Haider gekocht hätte, hätte ich's mir ein Leben lang nicht verziehen.
"Es ist ein Verdruss der Menschen an den herrschenden politischen Systemen, an den Zentrumsparteien, sagen wir so, und das ist einfach eine Trotzreaktion."
Johann Schuster sitzt mit der grünen Gemeinderätin Dorothea Gmeiner-Jahn am Tisch.
Wen Gmeiner-Jahn in der ersten Präsidenten-Stichwahl gewählt hat und am 4. Dezember wieder wählen wird, liegt auf der Hand, sie ist Grüne, Alexander Van der Bellen war zehn Jahre lang Grünen-Parteichef. Doch auch SPÖ-Bürgermeister Johann Schuster sagt:
"Van der Bellen ist mein Kandidat. Weil das ein Staatsmann ist, auf den man stolz sein kann, auch aufgrund seiner Persönlichkeit und aufgrund seines Formates, seines Horizontes, und nicht so engstirnig rein auf österreichische Probleme beschränkt bleibt."
Strache: "Verkauft man die Menschen für blöd?"
Schuster hält auch mit Kritik an der eigenen Parteispitze in Wien - SPÖ-Chef und Bundeskanzler Christian Kern - und ÖVP-Außenminister Sebastian Kurz nicht hinter dem Berg, jedenfalls wenn es um das Thema Flüchtlinge geht. Denn hier sind die Regierungsparteien stark in Richtung FPÖ umgeschwenkt, also in Richtung Grenzzäune und Abschottung. Das schmerzt, sagt Schuster und seufzt: hätten wir nur eine Angela Merkel.
Sprechchöre für Norbert Hofer in einem Bierzelt in Wels. Die Stadt in Oberösterreich ist eine FPÖ-Hochburg. Der Bürgermeister von Wels ist von der FPÖ, auch auf Landesebene regiert die Partei in Oberösterreich mit. Entsprechend ist ein Wahlkampfauftritt von Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer und Parteichef Heinz-Christian Strache hier ein Heimspiel - vor allem wenn Strache über Flüchtlinge spricht:
"Wir haben ja schon längst die Obergrenze von 37.500 bei weitem überschritten. Wir sind in Wahrheit bei 170.000 in diesem Jahr. Ja, verkauft man die Menschen für blöd? Wir haben schon längst den Notstand seit dem letzten Jahr, und diese Regierung ist nicht bereit, endlich die Konsequenzen daraus zu ziehen."
Strache ist der aggressivere Redner, Hofer der zurückhaltendere. Doch die Kernaussagen bleiben die gleichen: es gebe zu viele Flüchtlinge, und: die Dominanz der Regierungsparteien müsse ein Ende haben. Norbert Hofer:
"Wenn irgendjemand glaubt, dass mir die Luft ausgeht, nur weil diese Wahlen ein paar Wochen später sind, der irrt sich gewaltig, der irrt sich ganz gewaltig."
Die 5.000 Zuhörer in Wels sind begeistert:
"Der Hofer ist sympathisch. Ich bin seit Jahren FPÖ-Wähler und ich hoffe, dass es so weiter geht – dass die Blauen, FPÖ, auf dem Siegeszug ist."
"Die Asylpolitik ist eines von den wichtigsten. Schauen Sie mal in die Stadt Linz und fahren Sie einmal mit der Straßenbahn. Das ist man nicht mehr sicher, und schon gar nicht als Frau. Und unsere Kinder – es ist Wahnsinn, was in den Freibädern passiert."
"Ja, wir müssen einfach mal wieder nationaler werden." "Weil der Hofer einfach für den kleinen Mann da ist, deswegen ist der Hofer einfach der bessere, weil er menschlich ist."
Der komplette Gegensatz zur FPÖ-Bierzelt-Kultur
Am nächsten Biertisch wird die Stimmung, als die Männer merken, dass sie von einem deutschen Reporter befragt werden, fast aggressiv:
"Mit Eurer Mama Merkel, die was uns das Ganze mit eingebrockt hat natürlich."
"Du kannst nach Österreich kommen, aber da musst Du was machen dafür, da muss man arbeiten dafür. Weil wir sind ein fleißiges Volk, und genauso ist es, darum stehen wir noch aufrecht, oder was."
"Du kannst nach Österreich kommen, aber da musst Du was machen dafür, da muss man arbeiten dafür. Weil wir sind ein fleißiges Volk, und genauso ist es, darum stehen wir noch aufrecht, oder was."
Es gibt auch überlegtere Stimmen bei dieser FPÖ-Veranstaltung. Auf die Frage, warum der Anteil junger Männer unter den FPÖ-Wählern besonders hoch ist, sagt er:
"Es sind zwei Parteien in Österreich, die unter den Jungen hohe Wähleranteile haben, das sind die Grünen und die Blauen. Weil das sind die beiden Parteien, die am meisten polarisieren. Und ich denke, dass die so genannten Altparteien, das System rot-schwarz, dass die noch kleiner werden, unwichtiger, und am Ende wird es dann eben eine Richtungsentscheidung sein, so wie es diese Wahl vermutlich auch schon ist: tendiert Österreich mehr rechts oder tendiert es mehr links."
Wien, erster Bezirk: in einem herrschaftlichen Stadtpalais findet ein Fundraising-Abend für Alexander Van der Bellen statt. Prominenz aus Politik und Kultur ist hier, der Bundeskanzler, das halbe Kabinett, Manager, Schauspieler. Es ist der komplette Gegensatz zur FPÖ-Bierzelt-Kultur in Wels. Das andere Österreich, könnte man sagen, sammelt hier Wahlkampfspenden für Van der Bellen. Norbert Hofer würde sagen: die Schickeria. In jedem Fall sind hier alle Van der Bellen-Fans:
"Na, ich glaube, dass Alexander Van der Bellen die solidere Lösung für Österreich ist. Nicht nur unbedingt, weil man darauf achten sollte, was das Ausland über Österreich denkt, sondern auch, was die Österreicher über sich selber denken und welches Bild sie transportieren möchten. Und ich glaube, er ist die ausgleichendere Person als Norbert Hofer." "Ich kenne ihn noch von der Uni, und ich bin seitdem ein glühender Van der Bellen-Fan, weil er ein irrsinnig gebildeter, lustiger, offener Mensch ist und Österreich sehr, sehr gut nach außen repräsentieren würde."
Um Wahlplakate für Van der Bellen zu finanzieren, wird an diesem Abend Kunst für mehr als 100.000 Euro versteigert. Burgtheater-Star Cornelius Obonya, der zuletzt in Salzburg den Jedermann gespielt hat, fungiert als Auktionator.
"Ich versuche Sie nur dahingehend zu verführen, dass die Brieftaschen ein wenig locker sitzen…"
Van der Bellen: "Kämpfen wir um dieses vereinte Europa"
Dann greift der Kanzler selbst im Gedränge zum Mikrophon. Christian Kern sagt, das Land müsse "höllisch aufpassen", dass die gesellschaftliche Solidarität nicht in die Brühe gehe:
"Sehr geehrter Herr Van der Bellen, wir wissen natürlich, dass das eine bewegte Zeit ist, und wir wissen auch, dass viele Menschen Sorgen haben, Ängste haben, das sind Ängste um ihren Arbeitsplatz, Ängste um ihr Einkommen, vielleicht Ängste um die Pensionen eines Tages. Aber alles das materialisiert sich und wird immer wieder von manchen zugespitzt in der so genannten Ausländer- oder Migrationsfrage Und ich halte das für einen besonders gefährlich Stoff, weil was dahinter steht, ist eine gesellschaftliche Verschiebung. Und was ich mir persönlich wünsche, und da halte ich sie für den Garanten dafür, dass wir diese Politik der Ängste, der Verzweiflung, des Schürens von niedrigen Motiven ersetzen können, gemeinsam ersetzen können durch eine Politik der Hoffnung."
Als Alexander Van der Bellen selbst das Wort ergreift, wird es wie meistens keine feurige Wahlkampfrede. Er bleibt zurückhaltend, wirbt vor allem mit dem Thema Europa für parteiübergreifende Unterstützung:
"Kämpfen wir um dieses vereinte Europa. Es muss sich weiterentwickeln, es darf nicht so bleiben wie es ist, ja okay, da stehen viele wichtige Aufgaben vor uns, aber das schaffen wir."
Zurück im Dorf Predlitz in der Steiermark. Der Musikverein hat inzwischen den Felsenfest-Marsch angestimmt. Danach sitzen Kapellmeister und Musiker mit Bürgermeister und Ex-Bürgermeister zusammen und diskutieren noch einmal über ihr schönes Land, über die jammernden Leute, über die Wahlverschiebung und die Präsidentschaftskandidaten:
"Derjenige, der es wird, der muss einfach in den Jahren, in denen er Präsident ist, zeigen, was er kann, was er drauf hat, und im Nachhinein kann man dann sagen, der war gut, oder der war schlecht. Ich glaube, dass Du das im Vornherein gar nicht so beurteilen kannst."
"Wahrscheinlicht geht es uns einfach zu gut. Jeder tut nur jammern die ganze Zeit und keiner ist zufrieden mit irgendwas. Also es ist echt so, es ist ja bei uns keiner am Verhungern."
"Jammern – jein. Es wird auf hohem Niveau gejammert. Aber es kann nicht sein, dass immer weniger für immer mehr arbeiten müssen."
"Irgendwer wird das Rennen machen. Und ich hoffe, dass dieser Affenzirkus bald vorbei ist."