Österreich und Südtirol

Nein zu FPÖ und Wiedervereinigung

Der Kandidat der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich, Norbert Hofer, FPÖ schaut in die Menge während einer Wahlkampf-Kundgebung in Wien.
Wer Norbert Hofer (FPÖ) bei der Bundespräsidentschaftswahl wählt, will vielleicht ein anderes Österreich - ein anderes als ein europäisches, meint Matthias Buth © picture alliance / dpa / Christian Bruna
Von Matthias Buth · 08.08.2016
Die FPÖ denkt über eine "Wiedervereinigung" von Österreich mit Südtirol nach. Der Schriftsteller Matthias Buth sagt, die Landkarte Europas sei der Partei nicht mehr heilig. Er rät den Freiheitlichen, ihr Vorhaben zu ändern.
Wiedervereinigung! Das kennen wir. Ein politscher Begriff, der dennoch ungenau ist, denn die DDR trat der Bundesrepublik bei, zum ersten und letzten Mal. Vorher gab es das Deutsche Reich – bis 1945 faktisch und bis 1990 rechtlich.
Und dass die deutsche Einheit zugleich ein Abschied war von den Ostgebieten, die an die Sowjetunion fielen und an Polen, wird gerne verdrängt. "2 plus 4 Abkommen" und Nachbarschaftsverträge, also die Anerkennung einer Annexion in Folge des Krieges, war eben der Preis der Einheit. Kohl hatte diesen erkannt, die Vertriebenen lange hingehalten und dann kühl gehandelt. Zum Glück.

Österreichischer Jubel für Anschluss 1918 und 1938

Aber dass der Begriff "Wiedervereinigung" aus Österreich stammt, haben wir vergessen. Er kam auf, als die "k und k-Monarchie" nach der deutsch-österreichischen Niederlage im Ersten Weltkrieg unterging. Kaiser Karl I. gründete, bevor er abdankte, am 30. Oktober 1918 "Deutsch-Österreich" als Bestandteil der Deutschen Republik.
Das entsprechende Gesetz wurde von der Provisorischen Nationalversammlung in Wien unter Jubel angenommen. Anschließend stimmte die Deutsche Nationalversammlung in Berlin zu. Die Siegermächte jedoch stoppten das Ganze. Ihre Angst vor dieser großdeutschen Lösung, die noch 1871 gescheitert war, zeigte sich entsprechend groß.
20 Jahre später, als Hitler am 1. März 1938 den Anschluss erzwang, wurde wieder gejubelt - von den meisten Österreichern. Die Staaten Europas fanden sich damit ab. Nur Mexiko protestierte scharf.
Dann folgte die Korrektur. Am 27. April 1945 befanden ÖVP, SPÖ und KPÖ, dass der Anschluss null und nichtig sei, ja sie verbreiteten die These, Österreich sei das erste Opfer der NS-Diktatur gewesen. Erst die Krise um Bundespräsident Kurt Waldheim bewirkte eine authentische Wahrnehmung der Geschichte.

FPÖ für Wiedervereinigung mit Deutschland und Südtirol

Die Geschichte hat einen langen Atem. Nun bringt uns Heinz-Christian Strache die Alpenrepublik auf überraschende Weise wieder ganz nah. Zwar möchte sich der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei nicht persönlich festlegen, wohl aber "ganz offen und ohne Tabus" über eine Wiedereinigung diskutieren. Und nicht nur das: Auch Südtirol solle gefragt werden, ob es sich nicht wieder Österreich anschließen möchte.
Zur wiederholten Bundespräsidentenwahl schickt der FPÖ-Chef erneut seinen Parteifreund Norbert Hofer ins Rennen um die Wiener Hofburg. Dort liegen, wie er weiß, seit 1800 die Kaiserinsignien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Kaiser Franz II. hatte aus Furcht vor dem europäischen Eroberer Napoleon 1806 die Krone niedergelegt. Hitler raubte sie 1938 nach Nürnberg. Das erste US-Flugzeug nach Wien brachte die römisch-deutsche Kaiserkrone, die 21 Habsburger trugen, 1946 wieder in die Hofburg.

Liebe ist Verzicht

Wer also am 2. Oktober Hofer wählt, will vielleicht ein anderes Österreich: raus aus der EU, hinein in ein Neu-Habsburg. Die Landkarte Europas ist den Freiheitlichen wohl nicht mehr heilig. Die Österreicher seien ein Volk, so spottete Alfred Polgar, das mit Zuversicht in die Vergangenheit schaue.
Österreich ist aber zu schön, als dass es Deutschland brauchte. Das sollten wir unseren alpenländischen Freunden deutlich sagen. Liebe ist Verzicht. Auch politisch. Austria kann Europa Anmut und Seele geben, wenn es wahrnehmbar wird und bleibt.
Wir Deutsche aber haben mit einer Wiedervereinigung mehr als genug - mit Respekt und Sympathie.
Matthias Buth, geboren 1951 in Wuppertal, hat eine Doppelexistenz als Schriftsteller und Jurist. Zum einen veröffentlicht er seit 1973 Gedichte, Essays und Rezensionen. Seine Lyrik wurde ins Arabische, Englische, Französische, Polnische, Rumänische und Tschechische übersetzt sowie vertont in Kammermusik- und Chorwerken. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Zum anderen arbeitet er als Justiziar der Staatsministerin für Kultur und Medien im Bundeskanzleramt. Er äußert sich hier als Autor.
Der Jurist und Schriftsteller Matthias Buth
Der Jurist und Schriftsteller Matthias Buth© Quelle: privat
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