Sandra Krautwaschl hat über ihre Erfahrungen ein Buch geschrieben:
"Plastikfreie Zone. Wie meine Familie es schafft, fast ohne Plastik zu leben"
Heyne-Verlag, 2012, 288 Seiten, 7,99 Euro
Sieben Jahre fast ohne Plastikmüll
Die österreichische Grünen-Politikerin Sandra Krautwaschl versucht seit sieben Jahren, nur noch ein Minimum an Plastikmüll zu produzieren. Überlebt haben in ihrem Haushalt nur nachhaltig nutzbare Gegenstände wie Fahrradhelme oder Aufbewahrungsdosen.
Ganz ohne Plastik geht es nicht. Das merkten die österreichische Grünen-Politikerin Sandra Krautwaschl und ihre Familie schnell, als sie beschlossen, ohne Plastikmüll zu leben. Die Steirerin, die dieses Experiment seit sieben Jahren durchzieht, sagt im Deutschlandradio Kultur:
"Also, leben ohne Plastik ist in unserer, sagen wir mal, zivilisierten Welt, wenn man ein Teil davon sein möchte, de facto nicht wirklich möglich. Ich könnte nicht einmal mit Ihnen telefonieren, wenn ich ohne Plastik leben würde in dem Sinne. Aber wir leben nach wie vor fast ohne Plastikmüll."
Überlebt haben in ihrem Haushalt nur nachhaltig bzw. langzeitig nutzbare Gegenstände wie Fahrradhelme oder Aufbewahrungsdosen. Der Rest sei auf ein Minimum zusammengeschmolzen – gerade mal einen halben Müllsack pro Jahr würde ihre Familie noch mit Plastikmüll füllen.
Den Ausschlag habe ein Sommerurlaub in Kroatien gegeben, wo die vermüllten Strände sie schockiert hätten. Außerdem habe sie der Dokumentarfilm "Plastic Planet" von Werner Boote nachhaltig beeindruckt.
Wie geht man mit den Hygienevorschriften um?
Wie funktioniert das Leben ohne Plastik im Alltag – beispielsweise beim Einkaufen? Auch in Österreich gibt es Hygienevorschriften wie in deutschen Super- und Biomärkten.
"Na ja, ich gehe damit so um, dass ich das sozusagen unterwandere. (…) Es ist so, diese Vorschriften jedenfalls in Österreich sind keine gesetzlichen Vorgaben und auch Gesetze kann man ja ändern. Nicht zuletzt bin ich dafür in die Politik gegangen, Dinge zu verändern, sodass sie sinnvoll sind."
In Österreich seien Vorschriften wie jene, dass die Verkäufer Lebensmittel wie etwa Käse nicht unverpackt in eine mitgebrachte Dose des Kunden packen dürfen, eher interne Regelungen in den einzelnen Märkten. "Und ich habe es bis jetzt noch in jedem Supermarkt geschafft, ich habe teilweise die Dose in der Luft gehalten und gesagt, dann werfen Sie mir halt den Käse da rein, wenn meine Dose nicht in Ihre Theke kommen darf."
Das, was Krautwaschl im Alltag lebt, ist allerdings politisch schwierig durchsetzbar, das ist ihr bewusst:
"Es ist definitiv sehr schwer, politisch mit so was durchzukommen, weil die Interessenslagen immer noch andere sind, weil eine Systematik, die auf immer mehr Verbrauch und immer mehr Wachstum abzielt natürlich, eigentlich so was nicht will."
Das Interview im Wortlaut:
Dieter Kassel: Als der Abenteurer und Umweltaktivist Arved Fuchs in dieser Woche zu Gast in unserer Sendung "Im Gespräch" war, da kam er gerade zurück von einer langen Seereise, ich glaube, insgesamt über 12.000 Kilometer, einer großen Meeresexpedition. Und die hat ihm erneut klargemacht, was wir alle mit unsrem täglichen Gebrauch von Plastik der Umwelt antun.
O-Ton Arved Fuchs: Dieses Plastik, das wird ja aufgerieben, es ist so eine Art Granulat, es sinkt ab in gewissen Tiefen, sodass es selbst für uns nicht immer visuell feststellbar ist, aber dann kommt man wiederum an Strände, wo auch niemand wohnt, in völlig abgelegenen Regionen, Feuerland, Patagonien, wo dann plötzlich die Flipflops, die Cremedosen, die Plastiktüten, die weggeworfene Windjacke an den Strand gespült wird und dann da liegenbleibt. Und ich glaube, es ist ganz wichtig, dass hier so ein Bewusstsein in der Öffentlichkeit geschaffen wird, dass wir mit dem Plastik, mit dem Müll einfach anders umgehen müssen, weil das so lange existent bleibt.
Kassel: So weit Arved Fuchs. Die österreichische Grünenpolitikerin Sandra Krautwaschl, Landtagsabgeordnete in der Steiermark, die braucht solche Hinweise gar nicht, der ist das alles klar. Und deshalb lebt sie mit ihrer ganzen Familie schon seit Jahren fast völlig ohne Plastik. Schönen guten Morgen, Frau Krautwaschl!
Sandra Krautwaschl: Guten Morgen
Kassel: Bei Ihnen kann es ja nicht Arved Fuchs gewesen sein, aber gab es auch bei Ihnen so einen konkreten Anlass zu sagen, ab jetzt probieren wir das endlich?
Krautwaschl: Ja, genau, das war im Herbst 2009. Also, zuerst war es schon auch ein Urlaub in Kroatien, die Strände sind ähnlich, wie es jetzt gerade geschildert wurde. Und dann war es eben der Film "Plastic Planet", den ich damals im Herbst gesehen habe, 2009, der mir neben dieser ganzen riesigen Müllproblematik eben auch noch ein zusätzliches Thema, nämlich das Thema der Schadstoffbelastung und Schadstoffe in Kunststoffen bewusst gemacht hat. Und diese Summe dieser erschütternden Eindrücke hat dann eigentlich dazu geführt, dass wir beschlossen haben als Familie, das einmal für einen Monat zu versuchen, das alles komplett wegzulassen, einfach als Experiment sozusagen. Das war der Beginn der Sache.
Kassel: Das alles ist schon mal eine interessante Frage. Haben Sie dann bei der Gelegenheit auch erst mal gemerkt … Ein paar Sachen, da denkt man sofort dran, Plastiktüten, Verpackungen und so weiter. Aber haben Sie da auch erst mal so richtig gemerkt, was in Ihrem Haus, in Ihrer Wohnung alles aus Plastik ist?
Beeindruckt von "Plastic Planet"
Krautwaschl: Genau, ja, natürlich. Wir haben ja dann gemeinsam mit dem Regisseur von "Plastic Planet", mit dem Werner Boote auch unser Haus einmal völlig geräumt von Plastikdingen, so wie es im Film auch vorkommt. Und da ist wirklich ein beeindruckendes Foto entstanden, wo wir vor unserem Haus stehen mit einem Berg von Plastik, wo wir halt gewusst haben, das können wir gar nicht alles jetzt von heute auf morgen weglassen oder vermeiden, wollen wir auch nicht. So Dinge wie Fahrradhelme oder … Also, nützliche Gebrauchsgegenstände, die man ja normalerweise längerfristig verwendet. Also, das ist schon beeindruckend gewesen, wie viel das eigentlich ist und wo das überall vorkommt.
Kassel: Wie ist es denn jetzt nach so ungefähr sieben Jahren? Also, leben Sie 100-prozentig ohne Plastik oder gibt es doch auch Ausnahmen immer noch?
Krautwaschl: Nein, natürlich … Also, leben ohne Plastik ist in unserer, sagen wir mal, zivilisierten Welt, wenn man ein Teil davon sein möchte, de facto nicht wirklich möglich. Ich könnte nicht einmal mit Ihnen telefonieren, wenn ich ohne Plastik leben würde in dem Sinne. Aber wir leben nach wie vor fast ohne Plastikmüll. Also, wir haben jetzt seit über sieben Jahren dieses Experiment, das ist jetzt schon eigentlich unser Lebensalltag geworden, das laufen, und wir haben pro Jahr circa einen halben Sack bis ganzen Sack – wir sammeln das in den großen gelben Säcken in Österreich, den Plastikmüll –, und mehr haben wir nicht. Und das, was da doch zustande kommt an Plastikmüll, das ist schon in erster Linie mal, sage ich, kommt zustande, weil uns Menschen natürlich auch Dinge mitbringen und weil diese Menschen, unsere Bekannten und Freunde, natürlich nicht immer 100-prozentig jetzt quasi unser Antiplastikgebot beachten, was wir auch nicht von ihnen verlangen.
Kassel: Aber wie ist es denn manchmal in so ganz alltäglichen Situationen? Ich bin mir gar nicht sicher, wie es in Österreich ist, aber in Deutschland zum Beispiel sagen Supermärkte, auch Biomärkte immer, wenn man an der Theke steht und will ein Stück Käse in die eigene Dose tun, die dann idealerweise nicht aus Plastik ist: Das geht nicht, weil es den Hygienevorschriften widerspricht. Wie gehen Sie damit um?
Krautwaschl: Na ja, ich gehe damit so um, dass ich das sozusagen unterwandere … Es ist so, diese Vorschriften jedenfalls in Österreich sind keine gesetzlichen Vorgaben und auch Gesetze kann man ja ändern. Nicht zuletzt bin ich dafür in die Politik gegangen, Dinge zu verändern, sodass sie sinnvoll sind. Aber es sind nur interne Supermarktvorgaben, in Österreich jedenfalls. Und ich habe es bis jetzt noch in jedem Supermarkt geschafft, ich habe teilweise die Dose in der Luft gehalten und gesagt, dann werfen Sie mir halt den Käse da rein, wenn ich nicht in Ihre Theke … meine Dose nicht kommen darf, ja?
Die Verkäuferinnen machen mit
Kassel: Wurde das manchmal gemacht, hat die eine oder andere geworfen?
Krautwaschl: Es wurde gemacht, ja, ja, halt von oben reinfallen lassen, das Stück Käse. Und ich habe, wenn das auch nicht möglich war, dann auch öfters einmal schon mit einem Filialleiter oder Filialleiterin kurz gesprochen, es ist bis jetzt immer möglich gewesen. Aber natürlich ist mir auch klar, dass nicht jeder Mensch, der dort einkaufen geht, gern da stundenlang diskutiert. Also, es sollte sozusagen das Ziel natürlich sein, dass es normal wird, solche sinnvollen Dinge auch wieder zuzulassen und Verordnungen so zu gestalten, auch interne, dass sie den Menschen und uns allen nutzen und nicht eher schaden. Also, das versuche ich halt persönlich zu konterkarieren, solche aus meiner Sicht sinnlosen Verordnungen und Ideen und auch das Hygieneargument, also … Das ist ein Killerargument in dem Zusammenhang und lässt sich aber in den allermeisten Fällen sehr, sehr leicht eigentlich entkräften, sage ich mal.
Kassel: Ganz ehrlich, ohne Ihnen zu nahetreten zu wollen, gibt es in Ihrer Umgebung, die sagen, das ist die Zicke mit dem Plastikfimmel? Oder gehen Sie da dann doch bei Kritik auch entspannt mit um?
Krautwaschl: Ja, also, erstens kriege ich persönlich wenig Kritik mit, weil die meisten Menschen auch, wenn sie jetzt sonst gar nicht so umweltaffin sind oder das eher vielleicht nicht so … Also, bei diesem Thema sind die meisten sehr verständnisvoll. Alle Leute, die ich kenne, sagen eigentlich, es gibt zu viel Plastikmüll und es ist zu viel verpackt. Also, von dem her begegnet mir das selten und wenn, dann bin ich da recht entspannt, weil ich ja niemand anderen zu irgendwas zwinge, sondern primär mal versuche, selber das quasi als Experiment zu leben, wie weit kann man da in unserer Gesellschaft mit dem kommen.
Kassel: Versuchen Sie das auch politisch umzusetzen?
Krautwaschl: Natürlich ist das jetzt auch ein Ziel und es gab auch schon dazu mehrere Anträge von unserer Seite, von meiner Seite jetzt im steierischen Landtag. Es ist definitiv sehr schwer, politisch mit so was durchzukommen, weil die Interessenslagen immer noch andere sind, weil eine Systematik, die auf immer mehr Verbrauch und immer mehr Wachstum abzielt natürlich, eigentlich so was nicht will. De facto gehört dazu, dass man sagt, wir wollen weniger von dem Verbrauch, nur das kann wirklich letztlich zum Erfolg führen. Und da gibt es natürlich Gegenströmungen, das ist auch ganz klar. Aber ich bin da sicher auch politisch weiterhin ganz stark dran an diesem Thema, ja.
Kassel: Sagt Sandra Krautwaschl, sie ist grüne Landtagsabgeordnete in der Steiermark, lebt in der Nähe von Graz mit ihrer Familie inzwischen so ungefähr sieben Jahre lang fast – sie hat es erklärt, ganz geht es doch nicht -, fast ohne Plastik und hat darüber übrigens auch ein Buch geschrieben. Das heißt "Plastikfreie Zone" und ist in Deutschland inzwischen als Heyne-Taschenbuch erhältlich. Frau Krautwaschl, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch und wünsche Ihnen auch noch mindestens weitere sieben Jahre ohne Plastik und vor allen Dingen, dass Sie damit nicht so alleine bleiben, sondern möglichst viele das so machen. Danke Ihnen für das Gespräch!
Krautwaschl: Danke, Ihnen auch, liebe Grüße!
Kassel: Tschüß nach Graz!
Krautwaschl: Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.