Unterirdische Kunsthalle im Skigebiet
In dem österreichischen Wintersportort St. Anton erfüllt sich der Hotelier Florian Werner den Traum von einer eigenen Kunsthalle. Sie soll unterirdisch gebaut werden - und 26 Millionen Euro kosten. Werner will hier Kunst ohne Kompromisse zeigen.
Lang windet sich die Straße von dem österreichischen Wintersportort St. Anton hinauf zum Arlberg-Pass, Serpentine um Serpentine schlängelt sich der Weg bis auf 1800 Meter. Dort, direkt an der Grenze zu Tirol, mitten in der Einsamkeit zwischen noch nicht ganz verschneiten Bergkuppen, öffnet sich das Hochtal, durch das die Passstraße weiterführt - eine einst gefürchtete Alpenquerung, die unzählige Menschenleben gefordert hat. Schon im Mittelalter entstand eine erste Schutzhütte für verirrte Wanderer. Heute befindet sich hier in der Abgeschiedenheit ein winziger Ort, St. Christoph.
Drei Familien leben hier. Der weitaus größere Teil der ungefähr 20 Häuser sind Hotels. Ein Paradies für betuchte Skiurlauber, Pisten und Liftstationen beginnen hier direkt vor der Tür, das Hospiz Hotel-Resort ist bekannt für seine rustikale Fünf-Sterne-Zirbelstuben-Atmosphäre und den Bordeaux-Weinkeller, in dem die Flasche schon einmal einige 1000 Euro kostet. Doch fast unsichtbar, inmitten dieses Bergidylls, entsteht etwas Neues, Anderes, erkennbar fast nur an den Baumaschinen und Bauschildern: Eine Kunsthalle mit integriertem Konzertsaal.
Werner: "Jetzt haben wir sogar schon Beleuchtung. Jetzt geht's in die Tiefe hinunter."
Unterirdische Kathedrale auf 1800 Metern Höhe
Über dem Erdboden erhebt sich nur das geschwungene Dach des Foyers, der Rest der Kunsthalle liegt unter der Erde. Florian Werner, der das Hospiz St. Christoph in zweiter Generation führt, hat eine Taschenlampe angemacht und leuchtet den Weg durch die noch dunklen Hallen des Rohbaus, der gerade winterfest gemacht worden ist. Eine eigene Tiefgarage ist ebenso Teil des neuen, unterirdischen Gebäudeensembles wie der Konzertsaal und schließlich die Kunsthalle selbst, ein beeindruckend hoher, domartiger Saal mit einer ungewöhnlichen Lichtführung.
"Eine Kollegin von Ihnen hat gesagt, dass das so hoch ist, das ist ja wie eine Kathedrale. Oben kommt eine Glaswand, als ein Glas hinein, und das ist nach außen hin dann offen. Und da kriegen wir das Tageslicht herein und haben auch den Blick von hier, von den Bereichen in die Natur, und das ist dann für die großen – kann mir ja vorstellen, da kann ich ja großformatige Werke ausstellen drinnen, oder Skulpturen. Und es bleibt eine Höhe von acht Metern übrig von dem Raum, also jetzt sind es neun Meter. Aber es kommt natürlich noch ein Bodenaufbau und ein Deckenaufbau, aber sonst bleibt es in dieser Größe hier."
Eine unterirdische Kunstkathedrale auf 1800 Metern Höhe, mitten in den Bergen: Das dürfte ein ziemlich exklusives Vergnügen sein, wie der ganze Aufenthalt in St. Christoph. Florian Werner hat für den Bau und das geplante Programm aus Ausstellungen und Konzerten etwa 26 Millionen Euro in die Hand genommen.
"Es ist ja verrückt, auf 1800 Metern das zu machen. Aber ich hab nicht hinterfragt, ob es Sinn macht, sondern ich war von Anfang überzeugt: Okay, das kann eigentlich nur funktionieren, das kann mir nur gut tun."
Die Liebe zur Kunst neu entdeckt
Florian Werner, das wird schnell klar, passt nicht so recht in die vorgefertigten Kategorien. Er ist nicht der klassische großbürgerliche Kunstmäzen mit Sendungsbewusstsein, der sich hier sein Privatmuseum baut. Er ist aber auch nicht der typische Hotelier, der Kunst als Marketingstrategie entdeckt hat. Was also treibt diesen Mann? Was er von sich selbst erzählt, wirkt wie die Geschichte eines Enthusiasten, der erst spät, im Alter von 40 Jahren überhaupt von der Liebe zur Kunst ergriffen wurde, dies dann jedoch um so heftiger.
"Es hat in mir geschlummert, aber ist noch nicht zum Ausbruch gekommen. Ich wusste nicht, dass es in mir schlummert. Dann hab ich eine Galerie gemacht, hab dann begonnen, Bereiche zu definieren: Wo wird Kunst ausgestellt und wo nicht im Hotel, dass ich nicht auch die Gäste überfordere, weil ich hatte hier überall Kunst eigentlich. Das Haus war voll mit Kunst, das haben wir dann wieder reduziert. Und dann haben wir eine Galerie in Bregenz gemacht, und dann kam so ein Artist-in-Residence-Tipp, wo eine Freundin aus Lech gesagt hat, dass sie Artists in Residence hat, aus der Literatur hat immer wieder. Und dann hab ich gesagt: Okay, klingt nett, mach ich ein Artist-in Residence-Programm. Es war im Grunde ein Zufall nach dem andern, der das Ganze in Bewegung gebracht hat."
Inzwischen hat sich Florian Werner eine eigene kleine Kunstsammlung zugelegt. Keine "Blue Chips" des Kunstmarktes, keine klassische Moderne oder Alten Meister, wie es man es bei diesem gediegenen Hotelbetrieb vielleicht vermuten würde. Florian Werner setzt auf junge Künstler, auf ziemlich ungeschützt und durchaus zart daherkommende Werke.
Viele Künstlerinnen und Künstler, denen er ein Aufenthaltsstipendium im hoteleigenen Atelier anbietet, sind um das Jahr 1980 geboren und durchaus noch nicht etabliert. Einige ihrer Arbeiten kauft er direkt und hängt oder stellt sie in den weiten Fluren des Hotels auf. Aber die Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Gäste überlagert die Auswahl bislang und zwingt Florian Werner zu einer ständigen Abwägung. In seiner kleinen Kunsthalle will er Kunst ohne diese Kompromisse zeigen. Die Gäste müssen ja nicht hingehen, wenn sie nicht wollen. Zugleich soll die Kunsthalle künftig auch Sommergäste anlocken, mit Musikveranstaltungen oder einem kleinen Festival. Irgendwann soll sich die Leidenschaft für die Kunst auch für das Hotel wieder auszahlen. Das ist die Wette, die Florian Werner mit seinem Enthusiasmus eingegangen ist.