Kritik an offenem Brief zum Ukraine-Krieg

"Man träumt von einem Putin, den es nicht gibt"

09:45 Minuten
In einer Wohnung in einem zerstörten Haus des KIewer Vororts  Borodjanka ist der Hausrat in einer Küche durch russischen Beschuss weitgehend zerstört.
Die Menschen in der Ukraine erleben täglich den Beschuss ihrer Hauser durch das russische Militär. © picture alliance /dpa / Ulf Mauder
Jagoda Marinić im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Die Schriftstellerin Jagoda Marinić kritisiert den offenen Brief "Waffenstillstand jetzt!" von 20 Intellektuellen. Sie sieht darin eine Wiederholung eines früheren Schreibens. Das habe mit den Forderungen der Menschen in der Ukraine wenig zu tun.
Eine "Strategie zur möglichst raschen Beendigung des Krieges" fordern in einem offenen Brief in der Wochenzeitung "Zeit" rund 20 Prominente und Intellektuelle wie Jakob Augstein, Svenja Flaßpöhler, Josef Haslinger, Alexander Kluge, Robert Pfaller, Richard David Precht, Edgar Selge, Ilija Trojanow, Harald Welzer oder Juli Zeh. Es ist nicht der erste offene Brief zum Ukraine-Krieg.
Ende April hatten 28 prominente Erstunterzeichner in der Zeitschrift "Emma" vor einem "dritten Weltkrieg" gewarnt und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, nicht noch mehr schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Brief löste rege Debatten aus und führte zu einem zweiten offenen Brief der Gegenseite, den auch die Schriftstellerin und Publizistin Jagoda Marinić unterzeichnete.

Kritik an wiederholten Forderungen

Sie sei überrascht, dass jetzt fast der gleiche Brief einen neuen Aufschlag erhalte, sagt Marinić. "Das ist jetzt der Brief ohne 'Emma'." Es wirke so, als hätten die Unterzeichner verstanden, dass dieses Forum das letzte Mal vielleicht nicht ganz das Richtige gewesen sei, und deshalb jetzt die "Zeit" gewählt.
"Wenn man diesen Brief liest, liest er sich eigentlich wieder genau so wie der letzte Brief", kritisiert Marinić. "Man träumt von einem Wladimir Putin, den es aus meiner Sicht nicht gibt, und denkt, man kann mit dem einen Waffenstillstand herbeiführen."
Das habe mit den Forderungen der Menschen, die gerade in der Ukraine um ihr Leben kämpften, wenig zu tun.

Am Rande des Zynischen

Es gebe bereits eine Strategie, sagt die Schriftstellerin. Es werde versucht, durch die Kriegsführung ein Ziel zu erreichen, bei dem Putin klar sei, dass er keinen Diktatfrieden erreichen könne und nicht Teile der Ukraine haben kann. Der Brief sei für sie "an der Grenze des Zynischen, was ich noch aushalte."
Die Unterzeichner säßen irgendwo in Brandenburg und demnächst in der Talkshow bei Markus Lanz und dürften überall sagen, dass Frieden doch so schön wäre. "Als ob nicht jeder Frieden schön fände."
Sie sei etwas ratlos, ob man die Öffentlichkeit mit langweiligen Briefen bestücken wolle, so Marinić.
(gem)

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