Theaterstück über Konvertiten
Wie kommen Menschen dazu, ihre Religion zu wechseln oder überhaupt erst eine anzunehmen? Und gehören sie in den Glaubensgemeinschaften wirklich dazu? Das Stück "Offener Himmel" am Staatstheater Braunschweig basiert auf Interviews mit einem Dutzend Konvertiten.
Auf der Bühne stehen vier Schauspieler. Sie gehören zum Theaterkollektiv Werkgruppe 2. Für ihr Stück "Offener Himmel" haben sie Interviews mit rund einem Dutzend Konvertiten geführt. Aus diesen Gesprächen haben sie vier Charaktere gefiltert. Einer von ihnen ist ein Muslim, der als Jugendlicher vom DDR-Sozialismus seiner Eltern zum Islam gekommen ist:
"Bei mir war das so eine Art … Angst? Also in Form von: Ich brauche irgendwas auf dieser Welt, was mich beschützt vor all den äußeren Dingen, die ich nicht kontrolliert habe, die ich nicht mitbestimmen kann, überall gab’s Stress."
Als Autodidakt lernt er arabisch und taucht in die Welt des Islam ein.
Eine Jüdin beschreibt ihren Weg in die neue Religion. Angeregt durch ihren Freund konvertiert sie und wird – nach langer Vorbereitungszeit – mit einem rituellen Bad ins Judentum aufgenommen. Doch so richtig als Jüdin fühlt sie sich selten:
"Man kann vielleicht das Religiöse erfahren. Aber diese ganzen Probleme anderer Juden mit jüdischen Eltern, die verfolgt wurden, diese Traumata, mit denen meine Generation, die Juden meiner Generation, aufgewachsenen sind, die habe ich so nicht erlebt."
Silke Merzhäuser arbeitet als Dramaturgin in dem Theaterkollektiv Werkgruppe 2. Sie hat die Interviews zur Vorbereitung des Stücks geführt.
"Ich glaube, dass alle Konvertiten das Gefühl nie ganz loswerden, nicht ganz dazu zu gehören, weil Erfahrungen, die in frühester Kindheit gemacht worden sind, dass sie die nicht miterleben können und dass man diese Erfahrungen nicht nachholen kann."
"Ich hab wirklich meinen Gott verloren"
In einer dritten Rolle wird eine mittlerweile überzeugte Atheistin dargestellt, die aber aus einer protestantischen Familie stammt und schon als Kind nicht mehr an Gott glauben konnte:
"Es ging mir nicht um die Ablehnung nur der Institution Kirche, das ist einfach, das wär zu leicht. Nee, ich hab wirklich meinen Gott verloren, es war auch ein sehr persönlicher Gott."
Der vierte Konvertit auf der Bühne ist den Weg vom bewusst atheistischen Elternhaus zum Katholizismus gegangen.
"Ich find das ist ein ganz schwerer Schritt, freiwillig katholisch zu werden. Ich musste ja sagen, 'Ich geh freiwillig da rein'. Es ist viel einfacher, wenn man schon dabei ist und irgendetwas gut findet. Das war immer so mein Konflikt."
Für den Schauspieler Sven Hönig ist der "Offene Himmel" ein sehr persönliches Stück.
"Weil ich doch sehr viele Vorurteile in mir hatte, gerade als ich gehört habe, ich spiele den Katholiken. Da dachte ich: Ach du Scheiße, und wusste aber auch gar nicht genau, warum oder wovor ich da Angst hatte, habe aber gemerkt, dass ich sehr viele Vorurteile oder Grenzen in mir habe."
Im Lauf der Bühnenarbeit habe er gemerkt, dass er die Konvertiten dafür bewundere, dass sie sich auf ihren neuen Glauben ganz einlassen können:
"Ich finde, das ist auch eine große Chance, für mich als Spieler auch sehr persönlich darüber nachzudenken, was glaube ich eigentlich, woran glaube ich, warum gehe ich nicht in so eine Organisation wie Kirche."
Thema Religion soll öffentlich diskutiert werden
Die interviewten Konvertiten seien keine – wie man das vielleicht erwartet – extrem frommen Gläubigen gewesen, keine 150 Prozentigen, sagt Insa Rudolph von der Werkgruppe 2:
"Aber es sind alles Menschen gewesen, die hadern, die zweifeln, die aber in einer starken Auseinandersetzung damit sind, und durch die Konversionen doch in einer sehr lebendigen."
Und der Schauspieler Sven Hönig ergänzt:
"Vielleicht ist das so wie in einer Liebesbeziehung, warum sich heute immer weniger Leute wirklich binden, und auch Konflikte und Zweifel, das Hadern durchhalten, das ist vielleicht zu vergleichen, weil viele beschrieben das auch wie eine Liebesbeziehung, oder sogar mit Sexualität, wo es auch komisch ist, drüber zu reden."
Darüber zu reden, das war auch für die Dramaturgin Silke Merzhäuser ein Antrieb, das Stück auf die Bühne zu bringen. Für sie ist Religion nicht nur eine Privatsache:
"Das ist auch unsere Herausforderung gewesen oder unser Wunsch: das ist eine Mogelpackung zu sagen, ich beziehe nicht Stellung, ich weiß es nicht genau, ist ein schwieriges Thema Religion, sondern zu sagen: wir möchten, dass es ein öffentlich diskutiertes Thema wird."
"Gerade in Zeiten, in denen Religion vor dem Hintergrund dessen, was gerade in der Welt passiert, so schnell in eine Ecke gestellt wird und zu einem großen Risikofaktor vermeintlich wird, ist es gerade spannend und vielleicht auch mutig zu fragen, was für eine Sinnressource Religion heutzutage sein kann, was sind das für Menschen."