Buchläden – das neue Ding von Amazon
Der Onlinehändler Amazon hat mit dazu beigetragen, dass klassische Buchhändler pleite gingen. Nun hat er selbst eine Filiale in New York eröffnet. Gemütlich wie in anderen Buchläden soll es hier gar nicht erst werden.
Die Gegend, in der ein so geheimnisumwobener Schriftsteller wie Thomas Pynchon seit Jahren im Verborgenen lebt, hat in den letzten 30 Jahren einen enormen Wandel im Umgang mit Büchern gesehen. Es ist noch nicht so lange her, da verschwanden hier - auf der Upper Westside - die sympathischen kleinen Läden, weil die ziemlich großen kamen. Allerdings gerieten irgendwann auch die Riesen ins Schlingern. Einer ging sogar ganz pleite. So ist nun wieder Platz: Nicht nur für einen mutigen Neuling wie "Book Culture”, sondern auch für Amazon. Der Mega-Online-Händler sah genau in diesem Teil von Manhattan - nach Pilotläden in Seattle, San Diego, in der Bostoner Gegend und in Chicago - den idealen Landeplatz für ein neues Expansionsprojekt.
Amazon? Im Zentrum der amerikanischen Buchverlagswelt? Doch, doch, sagte Firmensprecherin Jennifer Cast bei der Eröffnung in einem Fernsehinterview:
"Wir haben 20 Jahre Erfahrung online und wissen, wie Kunden lesen und warum sie lesen, was sie lesen. Das wollten wir in diesem Rahmen ausnutzen und ihnen helfen, Bücher zu entdecken.”
Hauptsächlich Bestseller und Ratgeber zu Kindern und Kochen
Das Wort "entdecken” ist ein dehnbarer Begriff. Denn die Ausstattung bietet auf der Fläche einer größeren Bahnhofsbuchhandlung nur rund 3000 verschiedene Titel. Und der Laden selbst - im dritten Stock des Time-Warner Centers, einer modernen, architektonisch kühlen Shopping Mall - ist nicht einfach zu finden. Die Pluspunkte: Die Bücher zeigen anders als in einer Bibliothek dem Publikum nicht den schmalen Rücken zu, sondern ihre breiten Titelseiten. Das unterstützt impulsgetriebenes Kaufverhalten. Allison, eine Verkäuferin:
"Wir haben nur begrenzt Platz. Deshalb nutzen wir die Informationen über diese Gegend in Manhattan.”
"Die Upper Westside.”
"Ja. Das hier ist das, was Leute in diesem Viertel kaufen, was sie hoch bewerten oder auf ihrer Wunschliste bei Amazon.com vermerkt haben. Genau diese Bücher gibt es hier.”
"Die Upper Westside.”
"Ja. Das hier ist das, was Leute in diesem Viertel kaufen, was sie hoch bewerten oder auf ihrer Wunschliste bei Amazon.com vermerkt haben. Genau diese Bücher gibt es hier.”
Jede Woche werden zahlreiche Titel ausgewechselt, auch um den Eindruck von Frische zu erzeugen. Bezahlt wird bargeldlos. Über die Preise der Bücher informiert man sich, wenn man möchte, mit Hilfe des eigenen Smartphones: einfach den Barcode scannen. Kunden, die dem Unternehmen über einen "Prime” genannten Vorabbeitrag von 99 Dollar im Jahr Loyalität signalisiert haben, genießen Sonderstatus: Sie bekommen die Bücher zum halben Preis.
"Den Discount gibt es online und im Geschäft. Ich habe selbst erst damit angefangen und bin ziemlich begeistert.”
Woraus sich bereits ableiten lässt, um was es bei diesen Läden eigentlich geht: Darum, so effektiv wie möglich die Beziehung zwischen dem anonym wirkenden Buchhandelsgiganten und seinen Kunden zu pflegen. Es geht denen, die kommen, weniger ums ziellose Stöbern, als vielmehr darum, gezielt einzukaufen.
Und das sind hauptsächlich Titel aus dem Bereich "Kochen” und "Kinder” und Bestseller, die andere Leser förmlich verschlungen haben.
Jeff Bezos, der "gute Kapitalist"
In den ersten Tagen hat das schon mal bei vielen funktioniert. Wie bei Lance, einem pensionierten Rechtsanwalt, der auf der Upper Westside wohnt und den Laden mit einer braunen Amazon-Papiertüte mit einer Zeitschrift und einem Ratgeber-Buch verlässt. Er antwortet auf meine Frage, wie ihm der Laden gefällt, mit einer Eloge auf Amazon-Gründer Jeff Bezos, der nach den letzten Einschätzungen mit seinem Aktienpaket einer der reichsten Männer der Welt ist - mit einem Vermögen von fast 100 Milliarden Dollar.
"Mein Held, ein guter Kapitalist, der das liefert, was Verbraucher wollen. Ich bin entzückt.”
Und das auch, weil dieses Geschäft ganze zwei Sessel hat, keine Kaffee-Bar und wirklich keinen Platz für Menschen, die es sich hier stundenlang gemütlich machen wollen.
"Leute, die sich den ganzen Tag mit ihrem Laptop herumfläzen, gehen mir auf den Wecker. Da wird Platz verschwendet. Ich bin nicht enttäuscht, dass man die hier nicht hat.”
Weitere Buchläden sind angekündigt, darunter ein zweiter in New York. Das große Ziel sind angeblich 300 bis 400 solcher Geschäfte.