Ab Mitte Mai stellt Jonathan Jeremiah "Oh Desire" auf vier Konzerten in Deutschland vor, ab dem 13. Mai in Köln, Hamburg, Berlin und München.
Musik als Selbsttherapie
Auf seinem neuen Album verarbeitet der britische Musiker Jonathan Jeremiah persönliche Lebensereignisse, den Tod der Mutter und Kindheitserfahrungen. Seine Musik ist warm und melodisch. Anders als auf seinen beiden viel beachteten Vorgängeralben finden sich nun neben Soul mehr Folk, auch Pop und Blues.
"Es ist mein persönlichstes Album." Jedes Mal, wenn ich diesen Satz in einem Musiker-Interview lese, erwische ich mich dabei, wie ich die Augen verdrehe. Schon wieder so ein persönlichstes Album. Natürlich weiß ich nicht, was wirklich im Privatleben von Musiker XY passiert, aber wenn ich dann in dem Interview weiterlese, das es auf dem Album, sagen wir mal, ein Lied über Pferde gibt, weil der beste Freund des Sängers mal jemanden kannte, der auch mal ein Pferd gesehen hat, dann verstehe ich unter einem persönlichen Album etwas anderes.
Das hier verstehe ich unter einem persönlichen Album. "Oh Desire" von Jonathan Jeremiah. Ja, zugegeben, mit dieser Stimme, könnte der Mann auch von Pferden singen, ohne dass ich mit den Augen rolle - aber er singt eben nicht von Pferden, sondern von ganz persönlichen und bedeutenden Erlebnissen in seinem Leben.
"Meine Mutter ist während der Arbeit an diesem Album gestorben. Ich war mit dem Komponieren fast fertig, aber ich wollte unbedingt noch ein Lied für sie schreiben. Ich hatte allerdings einfach keine Idee. Das einzige, was ich wusste war, dass sie immer noch in meinem Herzen war. Deshalb habe ich einen Text darüber geschrieben, wie ein Feuer in mir brennt. Eine Geschichte, mit der sich sicher Viele identifizieren können. Eine ganz einfache Geschichte. Ein wildes Feuer in der Dunkelheit.
Erlebnisse beim Gassi gehen
Musik als Selbsttherapie für seine eigene Seele – so könnte man das neue Album von Jonathan Jeremiah interpretieren. In den Stücken verarbeitet er persönliche Erfahrungen, zum Teil noch aus seiner Kindheit. Da ist er zum Beispiel jedes Jahr nach Irland, die Heimat seiner Mutter, gereist. Dort gab es einen Berg, bei dem die Spitze fehlte und es hieß, der Teufel hätte die Spitze abgebissen.
Als Kind hatte Jonathan Jeremiah panische Angst, dorthin zu fahren. 25 Jahre später hat er ein Lied drüber geschrieben. Es müssen aber gar nicht immer emotional große Geschichten sein, über die er schreibt. Manchmal sind es auch einfach nur Alltagsgeschichten. Erlebnisse beim Gassi gehen mit dem Hund oder beim Instrumentetragen.
"Das Lied 'Arms' habe ich geschrieben, als ich irgendwann aus dem Studio nach Hause lief und all meine Gitarren geschleppt habe, weil ich nicht Auto fahren kann. Ich hab also meine Gitarren getragen und meine Arme haben unglaublich weh getan. Da hatte ich die Idee, ein Lied über Arme zu schreiben, und wie sehr sie schmerzen. In diesen schmerzenden Armen will ich dich halten. Mir hat gefallen, was am Ende dabei rauskam"
Melancholische Grundstimmung
Seine kräftige, warme Baritonstimme und sein beeindruckendes Gitarrenspiel sind die beiden Sachen, die sofort hängenbleiben. Auch diesmal kann er nicht den Einfluss des Plattenschrankes seines Vaters leugnen. Bereits als Teenager hat er beim Zeitungsaustragen dessen alte Soul-Alben gehört. Damals schon war Musik das Wichtigste in seinem Leben. Klassischen Musikunterricht hat er nie bekommen. Er war eher einer dieser pubertierenden Jugendlichen, die Halt und Trost beim Texteschreiben und Komponieren auf der Gitarre suchen. Offensichtlich mit Erfolg.
"Meine Eltern wollten, dass ich einen ordentlichen Job finde, in der Schule dachte niemand, dass ich es jemals zu was bringe. Das Lied 'Rising Up' handelt genau davon. Menschen, die dir sagen wollen, was du nicht machen kannst. Das hat mich schon immer gestört. Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn mich jemand zu etwas zwingen will und mir sagt, dass ich nicht gut genug bin. Vielleicht bin ich melancholisch, aber gleichzeitig bin ich auch optimistisch."
Melancholisch ist auch die Grundstimmung des neuen Albums von Jonathan Jeremiah. Von den 13 Stücken auf "Oh Desire" sind drei instrumental, was bei einer Stimme wie seiner wirklich verschenkt ist. Es ist nun mal der wundervoller Gesang, der seine Musik so besonders macht.
Anders als auf den beiden Vorgängeralben findet man diesmal neben Soul mehr Folk, und auch Pop und Blues sind dabei. Nachdem er sein letztes Album mit Orchester eingespielt hat, nimmt er diesmal die orchestrale Opulenz zurück. Trotzdem setzt er gut platziert wunderbare Streicherarrangements ein. Jonathan Jeremiah produzierte alles selbst und alles analog. Nicht am Computer, sondern an einer alten Bandmaschine. Das hört man dem Album zwar nicht an, aber es zeigt, wie wichtig ihm der gesamte Prozess ist. Zwei Jahre hat er an diesem Album gearbeitet. Eine ganz schön lange Zeit. Aber es hat sich gelohnt.