Oh wie schön ist Überfluss an Weihnachten
"Weniger ist mehr" wird zum Fest gern gepredigt. Aber einer der biblischen Zentralbegriffe ist die Fülle, das volle Leben oder der Überfluss. Der wird dem Volk Gottes verheißen.
In zu vielen Predigten wird Weihnachten mies gemacht. Dabei will kein Pfarrer und keine Pfarrerin Weihnachten miesmachen. Auch wenn der gesellschaftliche Glanz des Weihnachtsfestes hinter der theologischen Bedeutung des Osterfestes abfällt. Kreuz, Tod und Auferstehung stiften christliche Identität, Geburt und Stall und Engel bieten im Bewusstsein vieler nur bürgerliche Banalität.
Theologen predigen gerne über zu viel Konsum, zu große Lautstärke, zu viele Geschenke, zu viel Stress, zu wenig Stille und Besinnlichkeit. Und wir nicken mit dem Kopf, weil wir das alle irgendwie kennen und wissen: Wir sind Bestandteil des Problems. In industriellen säkularen Gesellschaften ist die Adventszeit scheinbar zur Stress-Zeit und die Weihnachtszeit zur Fress-Zeit verkommen. "O wie schön, wenn Weihnachten vorbei ist."
Aber Weihnachten ist das Fest der Fülle und des Überflusses, und das will ich mir nicht ausreden und nicht madig machen lassen. Weihnachten ist ein Fest für wirtschaftlich oder geistlich Arme, mit der Hoffnung: Einmal wird das große Schiff kommen. "Fülle" ist ein biblischer Zentralbegriff.
Ein Beispiel von über 50: "Und ich will der Priester Herz voller Freude machen, und mein Volk soll meiner Gaben die Fülle haben, spricht der HERR." (Jeremia 31.14) Ist damit "Konsum über alles" gemeint? Nein, es kommt auf die Haltung an. Lust auf Fülle, Sehnsucht nach vollem Leben ist nichts Schlechtes. Fülle-Gefühl ist nicht zu verwechseln mit Völle-Gefühl. "Fülle" ist abhängig vom Grad der Leere. "Das ist wie Weihnachten" sagt die Redensart und meint ja: Überfluss im Mangel, Reichtum in der Armut. Das ist das Entscheidende: Es muss das Gefühl des Mangels, der Entbehrung, des Defizits da sein.
Ich wünsche mir in Predigten ein Lob des Überflusses ohne Gewissensbisse, denn wofür steht Weihnachten?: Zum Beispiel für "nach Hause kommen" – der Vater feiert ein rauschendes Fest, wenn der verlorene Sohn nach Hause kommt, geknausert wird nicht; wenn einem das Herz voll ist, quillt nicht nur der Mund, sondern auch das Portemonnaie über; Weihnachten steht für "ankommen", für "Hoffnung auf mehr", für "einmal ganz glücklich sein".
Und Weihnachten als Fest der Fülle ist nichts nur Privates, es ist ein Beziehungsfest. Wenn wir andere einladen, dann dürfen wir an Speisen und Getränken, an Musik und Geschenken auffahren, was die Tischbretter halten. Fülle des Lebens nennt auch das die Bibel, das ist der Überfluss, fälschlicherweise als Luxus diffamiert. Weihnachten sagt: "Dein Erlöser ist da, alles ist jetzt vorhanden, was du brauchst, und noch viel mehr, der Tisch ist reichlich gedeckt, fürchte dich nicht."
Diese Fülle drückt der 23. Psalm so aus: "Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde und schenkst mir voll ein." Voll einschenken. Die Fülle eben. "Schenk ihm schwibbele-schwabbele ein" sagte mein Opa zu Oma, wenn er besonders gut gelaunt war und für seinen kleinen Enkel mehr als alles im Glas haben wollte. Und ich erinnere mich noch, wie ich meinen Mund vorsichtig dem Glas näherte und mir dieses wohlige Gefühl des Überflusses den Rücken herunterlief – so viel, so voll, so schön, hört nicht auf, das ist mehr als alles. Schwibbele-schwabbele. Die Fülle Gottes muss man schmecken, fühlen, spüren und riechen können, Gottesdienste an Heilig Abend wünsche ich mir, in denen man das spüren kann:
"Schlafen Sie ruhig hier im Gottesdienst ein… Erholen Sie sich von den Strapazen Ihrer Adventszeit…Unser Gott gibt es Ihnen im Schlaf… Wenn Sie die Augen schließen, geht Ihnen ein Licht auf… In der Nacht scheint Gottes Sonne ... Wie bei den Hirten auf dem Felde… In diesem Sinne: Gute Nacht."
Und dann machte die Pfarrerin am Heiligen Abend eine Körperübung, die ich nie vergessen werde und die meisten anderen wohl auch nicht. Wir übten einschlafen, ruhig atmen, fokussierten uns auf vier Kerzen und ein Dia mit einer Rose vor Schneelandschaft und wir lächelten, lachten, schnurchelten und gähnten und fassten uns an Händen und Schultern, und wir entspannten, und leise anschwellend fiel eine Musik ein mit Flöten, Violinen und Zither – nichts war mehr anstrengend, so mancher sackte in der Bank zusammen. Ich habe mich selten so wohl in einem Weihnachtsgottesdienst gefühlt wie damals.
Die kleine Rose inmitten des Schnees bleibt mir in Erinnerung als bezaubernde Symbolsprache. Plötzlich war das Heilige irgendwie anwesend; es ist oft so unheilig in den Gottesdiensten, die Kategorie des Schönen fehlt, die der Stille, die des wirklichen Berührens. Dabei kann man freilich Gott und das Heilige nicht zwingen, nicht auf die Erde, nicht in ein Gotteshaus, nicht mal in ein Herz. Man kann aber Gott, oder wie Hilde Domin es ausdrückte, "dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten". Und sich gleichzeitig über die Fülle im Leben freuen, auch über Geschenke die Fülle.
Theologen predigen gerne über zu viel Konsum, zu große Lautstärke, zu viele Geschenke, zu viel Stress, zu wenig Stille und Besinnlichkeit. Und wir nicken mit dem Kopf, weil wir das alle irgendwie kennen und wissen: Wir sind Bestandteil des Problems. In industriellen säkularen Gesellschaften ist die Adventszeit scheinbar zur Stress-Zeit und die Weihnachtszeit zur Fress-Zeit verkommen. "O wie schön, wenn Weihnachten vorbei ist."
Aber Weihnachten ist das Fest der Fülle und des Überflusses, und das will ich mir nicht ausreden und nicht madig machen lassen. Weihnachten ist ein Fest für wirtschaftlich oder geistlich Arme, mit der Hoffnung: Einmal wird das große Schiff kommen. "Fülle" ist ein biblischer Zentralbegriff.
Ein Beispiel von über 50: "Und ich will der Priester Herz voller Freude machen, und mein Volk soll meiner Gaben die Fülle haben, spricht der HERR." (Jeremia 31.14) Ist damit "Konsum über alles" gemeint? Nein, es kommt auf die Haltung an. Lust auf Fülle, Sehnsucht nach vollem Leben ist nichts Schlechtes. Fülle-Gefühl ist nicht zu verwechseln mit Völle-Gefühl. "Fülle" ist abhängig vom Grad der Leere. "Das ist wie Weihnachten" sagt die Redensart und meint ja: Überfluss im Mangel, Reichtum in der Armut. Das ist das Entscheidende: Es muss das Gefühl des Mangels, der Entbehrung, des Defizits da sein.
Ich wünsche mir in Predigten ein Lob des Überflusses ohne Gewissensbisse, denn wofür steht Weihnachten?: Zum Beispiel für "nach Hause kommen" – der Vater feiert ein rauschendes Fest, wenn der verlorene Sohn nach Hause kommt, geknausert wird nicht; wenn einem das Herz voll ist, quillt nicht nur der Mund, sondern auch das Portemonnaie über; Weihnachten steht für "ankommen", für "Hoffnung auf mehr", für "einmal ganz glücklich sein".
Und Weihnachten als Fest der Fülle ist nichts nur Privates, es ist ein Beziehungsfest. Wenn wir andere einladen, dann dürfen wir an Speisen und Getränken, an Musik und Geschenken auffahren, was die Tischbretter halten. Fülle des Lebens nennt auch das die Bibel, das ist der Überfluss, fälschlicherweise als Luxus diffamiert. Weihnachten sagt: "Dein Erlöser ist da, alles ist jetzt vorhanden, was du brauchst, und noch viel mehr, der Tisch ist reichlich gedeckt, fürchte dich nicht."
Diese Fülle drückt der 23. Psalm so aus: "Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde und schenkst mir voll ein." Voll einschenken. Die Fülle eben. "Schenk ihm schwibbele-schwabbele ein" sagte mein Opa zu Oma, wenn er besonders gut gelaunt war und für seinen kleinen Enkel mehr als alles im Glas haben wollte. Und ich erinnere mich noch, wie ich meinen Mund vorsichtig dem Glas näherte und mir dieses wohlige Gefühl des Überflusses den Rücken herunterlief – so viel, so voll, so schön, hört nicht auf, das ist mehr als alles. Schwibbele-schwabbele. Die Fülle Gottes muss man schmecken, fühlen, spüren und riechen können, Gottesdienste an Heilig Abend wünsche ich mir, in denen man das spüren kann:
"Schlafen Sie ruhig hier im Gottesdienst ein… Erholen Sie sich von den Strapazen Ihrer Adventszeit…Unser Gott gibt es Ihnen im Schlaf… Wenn Sie die Augen schließen, geht Ihnen ein Licht auf… In der Nacht scheint Gottes Sonne ... Wie bei den Hirten auf dem Felde… In diesem Sinne: Gute Nacht."
Und dann machte die Pfarrerin am Heiligen Abend eine Körperübung, die ich nie vergessen werde und die meisten anderen wohl auch nicht. Wir übten einschlafen, ruhig atmen, fokussierten uns auf vier Kerzen und ein Dia mit einer Rose vor Schneelandschaft und wir lächelten, lachten, schnurchelten und gähnten und fassten uns an Händen und Schultern, und wir entspannten, und leise anschwellend fiel eine Musik ein mit Flöten, Violinen und Zither – nichts war mehr anstrengend, so mancher sackte in der Bank zusammen. Ich habe mich selten so wohl in einem Weihnachtsgottesdienst gefühlt wie damals.
Die kleine Rose inmitten des Schnees bleibt mir in Erinnerung als bezaubernde Symbolsprache. Plötzlich war das Heilige irgendwie anwesend; es ist oft so unheilig in den Gottesdiensten, die Kategorie des Schönen fehlt, die der Stille, die des wirklichen Berührens. Dabei kann man freilich Gott und das Heilige nicht zwingen, nicht auf die Erde, nicht in ein Gotteshaus, nicht mal in ein Herz. Man kann aber Gott, oder wie Hilde Domin es ausdrückte, "dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten". Und sich gleichzeitig über die Fülle im Leben freuen, auch über Geschenke die Fülle.