Ohne Moos nichts los?
Was macht Menschen in der Hauptstadt glücklich? Geld? Ansehen? Die eigenen Ideen zu realisieren? Oder alles zusammen? Der Länderreport begleitet zwei sehr unterschiedliche Berliner bei ihrer Antwort auf diese Frage. Susan Levermann, Ende 30, erfolgreiche Ex-Fondsmanagerin und nun Buchautorin. Ulrich Hahn, Mitte 50, gestresster Ex-Versicherungsmakler, nun Inhaber eines Suppenbistros.
Beide haben sehr unterschiedliche Wege zu ihrem Glück gefunden. Eines aber haben sie gemeinsam: Mit ihrem alten, gut abgesicherten Leben haben sie gebrochen und noch mal ganz von vorne angefangen - obwohl sich die Krise bereits anbahnte. Nun leben sie in einfachen Verhältnissen. Sind Sie jetzt zufrieden?
Zwei Menschen auf der Suche nach dem Glück. Eine junge Fondsmanagerin, die an der Börse keine Erfüllung findet und jetzt ein Buch schreibt. Ein Versicherungsmakler, der mit über 50 ein Suppenbistro eröffnet, weil ihm Magengeschwüre drohen.
Sie sind so unterschiedlich, wie Berlin es ist, doch eines verbindet sie: Sie haben mit ihrem bisherigen, gut abgesicherten Leben gebrochen und noch einmal ganz von vorne angefangen. Angetrieben vom Puls der Stadt, von den Möglichkeiten, die die Metropole bietet. Und ermutigt durch all die anderen, die hier in Berlin ein neues Leben versuchen, im Dschungel der Großstadt.
"Du kannst gehen, denn du hast Beine. Setze die Füße vorsichtig auf. Die Zehen, dann den Ballen und sieh zu, wie sie dich tragen."
Seit Susan Levermann keine Fondsmanagerin mehr ist, schreibt sie Gedichte. Sie handeln von Freiheit, von Spiritualität, vom Verwirklichen von Träumen, also auch von ihr. Stoff hat sie genug, also Lebenserfahrung.
"Du kannst fliegen, denn du hast Träume. Und ein Herz das pocht, ob du es hörst oder nicht. Und überall auf der Welt, auch jetzt und hier, kann ein Wunder geschehen."
Früher jonglierte die blonde Mittdreißigerin mit viel Geld, zwei Milliarden Euro waren es zum Schluss. Dann, im Herbst vergangenen Jahres, hängte sie ihren Job an den Nagel und zog von Frankfurt am Main nach Berlin. Nicht wegen der Finanzkrise, sondern wegen einer Sinnkrise. Levermann war in ihrem Job gefangen, war gezwungen, ständig mehr Rendite zu machen. Sie fühlte sich unfrei. Fremdbestimmt vom Renditehunger der Anleger. Der Job und das gute Gehalt hatten nicht die erhoffte Freiheit gebracht, sondern das Gegenteil.
"Also das Thema Geld und das Thema Freiheit steht, glaub ich, für viele Menschen in sehr engem Zusammenhang. Und die meisten Menschen glauben, dass genug Geld zu haben sie auch frei macht. Und ich glaube, dass es ein Irrglauben ist. Besonders gefährlich ist es, wenn man dem Geld hinterher rennt. Dann ist man eigentlich extrem unfrei. Dann ist man ein echter Sklave."
Das ahnte Susan Levermann nicht, als sie während des Studiums anfing, mit Aktien zu handeln. Schließlich hatte sie ihr mageres Studentenkapital komplett verzockt.
"Das hat mich irgendwie dann gepiekst. Ich habe dann gedacht, Mensch, also eigentlich sollte man an der Börse ja agieren, um Geld zu verdienen und nicht, um Geld zu verlieren. Und das hat mich einfach gereizt, das zu lernen. Wie man das machen kann."
Sie war Ende Zwanzig, als sie bei der Deutschen-Bank-Tochter DWS in Frankfurt am Main als Fondsmanagerin anfing, ehrgeizig und erfolgreich. 2007 heimste sie gar einen Preis für den besten Deutschlandfonds ein. Der Höhepunkt ihrer Karriere. Mit einem bitteren Beigeschmack.
"Glücklich war ich komischerweise in dem Moment nicht. Ich hab mich irgendwie gefreut, hab so innerlich aufgeatmet, so nach dem Motto, man fährt jetzt so die Früchte ein von langer Arbeit. Richtig glücklich war ich nicht. Weil Geld wahrscheinlich nicht glücklich macht.(lacht) Keine Ahnung."
Levermann machte weiter. Und Sie bekam immer öfter schlechte Laune, trotz guter Ergebnisse mit ihrem Fonds und Computermodell für die Aktienauswahl.
"Börsenerfolg ist 'ne richtig langweilige Angelegenheit, wenn man es mal verstanden hat. Man kann da Monate lang sitzen, ohne irgendwas zu tun zu haben."
Gute Bezahlung und ein Gefühl der Unzufriedenheit. Levermann, bei Cottbus aufgewachsen, hat Geld, doch etwas fehlt.
"Also ich hab 'n Audi 80 Cabrio gefahren; ich denk mal, das war noch ganz okay, und das verband so 'n bisschen Eleganz mit Spaß. Ich hab nicht so viel Geld ausgegeben. Ich hatte zum Schluss noch 'ne etwas teurere Wohnung, das schon, aber ansonsten hat man im Hinterkopf immer, dass man den Job nicht bis ans Lebensende machen will. Und deswegen spart man eigentlich auch sehr viel von dem Geld."
Und immer häufiger stellte sie fest, dass mehr Geld auch mehr Verlust bedeuten kann.
"Vielleicht, dass man so gewöhnt ist, alles zu kaufen, dass man gar nicht mehr auch mal auf gegenseitige Hilfe angewiesen ist. Und gar nicht erleben kann, wie schön es eigentlich ist, wenn man sich unentgeltlich hilft. Das ist vielleicht was, was ich so bedauern würde. Also Geld macht vielleicht statt frei zumachen eigentlich in Wahrheit unfrei, weil man sich an einen gewissen Lebensstandard auch gewöhnt, und immer auch gezwungen ist, diese gewisse Summe Geld auch ranzuschaffen, weil eben auf ein befriedigtes Bedürfnis gleich das nächste unbefriedigte kommt."
Schnitt. Ortswechsel, Personenwechsel. Aber eine ähnliche Geschichte.
Ulrich Hahn. Früher war der 55-Jährige Makler für Versicherungen. Er verdiente gut, die Einkünfte waren regelmäßig und sicher. Doch der Job machte ihn nicht glücklich und er wagte vor einem Jahr einen Neubeginn - mit einem Suppenbistro an der Schönhauser Allee in Berlin Prenzlauer Berg, mit dem "Suppenstopp".
Kundin: "Hallo, was gibt's denn heute als Tagessuppe?"
Hahn: "Also heute hätte ich als Tagessuppe für drei Euro die Linsensuppe mit Wiener Würstchen-Einlage, dazu gehört auch 'n Brötchen wie bei allen Suppen. Weiterhin hätte ich als normale Suppen die Kartoffelsuppe mit Bockwurststückchen, Gulaschsuppe mit Rindfleisch, Soljanka mit Wursteinlage, Berliner Spezialität, und Erbsensuppe mit Wiener."
Kundin: "Okay, ich hätte dann gerne einmal die Tagessuppe."
Hahn: "Gerne."
Ulrich Hahn ist Ur-Berliner, kommt aus dem Ostteil der Stadt, verkauft jetzt mit Leib und Seele Suppen.
Hahn: "Bitteschön. Und hier ist noch das Brötchen dazu."
Kundin: "Mmm, danke!"
Hahn: "Guten Appetit!"
Kundin: "Dankeschön!"
Der winzige Laden an der stark befahrenen Schönhauser Allee ist lila und apfelgrün gestrichen und erinnert etwas an die DDR, jedenfalls bei einigen Speisen und Getränken. Da ist die Soljanka, ein säuerlicher osteuropäischer Eintopf mit Kraut und Fleisch. Oder statt Coca-Cola gibt es Club-Cola wie in DDR-Zeiten.
Erst ließ Hahn die DDR hinter sich, nun also auch seine Tätigkeit als Versicherungsmakler. Der Leistungsdruck wurde immer größer, er wurde krank.
"Bei mir hat sich das so ausgewirkt, dass ich Magenbeschwerden kriegte, oder zum Monatsende hin dann immer Schlaflosigkeit vorherrschte. Und als ich dann jeden Tag Natrontabletten nehmen musste, dann ging ich mal zum Arzt, und der stellte fest, dass ich auf dem besten Wege war, Magengeschwüre zu bekommen. Und er empfahl mir, mich doch noch einmal umzuorientieren."
Also auszusteigen. Hahn ließe sich von der Arbeitsagentur umschulen, lernte, wie man einen Betrieb führt. Und führt jetzt seinen "Suppenstopp" als Ein-Mann-Betrieb. Er kauft ein, bedient Gäste, erledigt die Buchhaltung. Und dennoch:
"Ich hab zwar weniger Geld, auch viel weniger Freizeit, denn als Versicherungsvertreter habe ich meine acht Stunden gearbeitet oder neun und dann war Ruhe. Jetzt sind's öfter 12 oder 14 Stunden. Und ich hab mittlerweile 'ne 6-Tage-Woche, da gibt es nur den Sonntag oder mal 'nen Feiertag frei. Aber ich bereue es nicht, es macht mir Spaß. Ich freu mich, auch am Sonnabend hier in den Laden zu gehen, die Kunden kommen rin und es ist schön."
Auch wenn Hahn noch keine schwarzen Zahlen schreibt. Zwischen 30- und 40.000 Euro musste er bereits in den Laden stecken. Das Geld hat er sich von Freunden und Verwandten geliehen. Kredite von Banken wollte er nicht. Der ehemalige Versicherungsmakler ist zuversichtlich, dass sein "Suppenstopp"-Laden bald die Gewinnzone erreichen wird.
"Wenn ich jetzt so kurz- oder mittelfristig planen tu und meine Zahlen angucke, dann müsste ich sagen, dass ich es jetzt bis Ende des Jahres schaffen müsste auf plus minus null, also nix mehr reinbuttern. Und nächstes Jahr vielleicht schon Überschuss da ist, dass ich eben die Darlehen zurückzahlen kann. Und vielleicht nächstes Jahr im Sommer mir 'ne Hilfskraft leisten kann und vielleicht eine Woche mal Urlaub machen kann. Dass mir das so ein bisschen am Herzen liegt, dass ich das auch mal habe."
So zuversichtlich war Hahn nicht immer. Anfangs lief der Laden schwer an, er fühlte sich überfordert.
"Das erste halbe Jahr hab ich ganz ehrlich ein, zwei Mal mit dem Gedanken gespielt, es wächst dir übern Kopf. War ganz schön hart zu knabbern jewesen. Hier muss ich wirklich jeden Tag sehen, verkauf die Suppen, damit du deine Einnahmen hast, damit du leben kannst! Also bin ich voll auf dem freien Markt. Ich bereu es nicht. Anders wär es vielleicht, wenn 'ne Familie mit Kindern da wäre, da hätte ich den Schritt mir zweimal überlegt. Aber da ich solo bin in dieser Hinsicht, kann ich mal auch 'ne Woche mit 'nem Kanten Brot - auf gut Deutsch - leben und komm damit zurecht."
Also macht er weiter. Er ist auf sich gestellt, aber nicht alleine.
"Da habe ich genug Freunde und Verwandtschaft, die mir sagen: Du musst das Jahr durchhalten. Und wenn's das Jahr den Bach runtergeht, na ja, dann hast du es versucht. Aber ich muss sagen, es is richtig jeelofen."
Auch Fondsmanagerin Susan Levermann bereut heute nicht, dass sie einen Neubeginn in Berlin gewagt hat. Die Fragen nach dem Sinn ihrer Tätigkeit als Fondsmanagerin waren immer drängender geworden, forderten eine neue Antwort.
"Ich hab mir Fragen gestellt, zu was tragen wir eigentlich bei? Dazu, dass die Schere zwischen arm und reich immer so aufgeht? Oder was tragen wir generell zum Guten in der Welt bei? Und ich hab das einfach nicht in Aktien für mich so wiedergefunden. Das einzige, was mich noch so interessiert hätte, wäre so 'n Randbereich, der mittlerweile auch stark wächst, das sind ethische Investments, wo man eben auch Kriterien wie Umweltfreundlichkeit, Nachhaltigkeit, wie behandle ich die Mitarbeiter, solche Sachen mit einbezieht. Das hätte mich schon noch interessiert. Aber ich hab dann einen ganz anderen Weg gefunden."
Im Herbst 2008 verließ sie die Fondsgesellschaft in Frankfurt am Main. Innerhalb des Unternehmens sah sie keine Möglichkeit mehr, mit anderen Aufgaben glücklicher zu werden. Sie war die Beste, hatte alles erreicht. Hatte viel Geld verdient. Doch der Sinn war abhanden gekommen. Nun fühlte sie sich plötzlich frei, glücklich, bereit für ein neues Leben.
"Oh, dass war zunächst erstmal völlig euphorisch für mich. Und so 'n Druck einfach. Das war einfach, weiß ich nicht, wie ein Ballon, den Sie anstechen und dann geht der Druck erst mal raus. Die erste Woche war fantastisch. Da bin ich auf so 'ner richtigen Höhenflugwelle geschwommen, hab mich irgendwie wie der König der Welt gefühlt."
Sie wollte möglichst weit weg von ihrem alten Leben in Frankfurt. Durch Zufall kam sie nach Berlin - und verliebte sich in die Stadt. Sie fühlte sich magisch angezogen, inspiriert und endlich frei von allen Zwängen. Ja hier, genau hier konnte sie sich ihr neues Leben vorstellen. Ihre wahre Berufung schien einen Schritt näher gekommen zu sein. Berlin, die neue Heimat. Die neue Lebensart.
"Ich hab den Geist gespürt, der hier lebt. Und seit ich das gespürt habe, konnte ich mich in Frankfurt, konnte ich mich nicht mehr verbinden mit der Stadt. Auch mit meinen Freunden nicht. Ich hatte irgendwie das Gefühl, da war plötzlich eine Kluft, die war dann auch nicht mehr überbrückbar. Es war ganz merkwürdig. Es war wirklich wie so ein Verliebtheitsgefühl."
Die Euphorie hielt nicht lange an. Kaum war die erste Freude über die neu gewonnene Freiheit verflogen, folgte der große Kater.
"Womit ich nicht gerechnet hab, das war schon für meinen Körper und für meinen Geist, glaub ich, eine wahnsinnige Anstrengung, von so einem High-Oktan-Job dann so auf Null zu schalten. Das war wirklich ein bisschen viel auf einmal. Das war wie so 'n Porsche, den Sie auf 280 fahren und dann machen Sie 'ne Vollbremsung. Da wird einem schon erstmal richtig übel. Und da hatt ich dann so zwei Monate lang auch mit, na ja, da hab ich ganz schön durchgehangen. Da musste ich ein bisschen kämpfen. Ich weiß nicht, ob man das Depression nennt oder so, aber da hab ich ein echtes Loch gehabt, so zwei Monate."
Dann wieder auf Sinn-Suche. Die wahre Berufung? Als Fondsmanagerin hatte es sie immer gestört, dass nach der Arbeit nichts dauerhaft blieb.
"Die Kehrseite am Beruf des Fondsmanagers ist eben, immer wenn es dann schlecht läuft, dass man eben das Gefühl hat, irgendwie gar nichts in der Hand, was man jetzt als Kompensation seinen Anlegern geben kann. Und das sind immer so Momente, wo man sich dann vielleicht doch einen Beruf wünscht, der vielleicht auch schöpferisch ist, wo ich vielleicht wie ein Handwerker eben Fenster herstelle oder 'ne Wand bemale. Und selbst wenn ich sie vielleicht nicht besonders schön bemale, sie ist zumindest hinterher bemalt, und ich sehe, was ich getan habe. Und als Fondsmanager, da ist jedes Jahr das Spiel von neuem. Sie fangen immer wieder von null an. Mal funktioniert's, mal funktioniert's nicht. Da hat man nicht so das Gefühl, dass da was bleibt.""
Levermann beschloss, den Anlegern etwas zurückzugeben. Mit ihnen ihren Erfahrungsschatz zu teilen, ihnen zu erklären, wie das Handeln mit Aktien funktioniert.
""Es ist ganz schwer und es ist ganz einfach. Die Regeln, auf die ich am Ende gestoßen bin, und nach denen ich auch gearbeitet hab, sind sehr, sehr simple Regeln. Das schwierige ist nur, denen auch in schweren Zeiten die Treue zu halten. Das ist eigentlich das, was auch die Herausforderung darstellt."
Sie beschloss, ein Buch zu schreiben. Sie wollte den Lesern nicht nur erklären, wie die Börse funktioniert, sondern sie beschäftigte sich auch damit, was beim Handeln mit Aktien im Gehirn passiert. Dieses Wissenschaftsfeld nennt sich Behavioural Finance. Menschen, die ökonomische Entscheidungen treffen, werden unter einem Magnetresonanztomografen beobachtet, um die Gehirnaktivitäten zu messen.
"Es ist eigentlich fast beunruhigend, was dabei rausgekommen ist, nämlich, dass die Freude am Gewinn oder Verlust von Geld, dass sich das in Gehirnregionen abspielt, die auch lebensbedrohliche Gefahren verarbeiten. Also für das Gehirn ist das ein ganz schöner Stress. Spekulieren an der Börse ist für das Unterbewusstsein eine ziemlich harte Erfahrung. Also man erlebt da sehr intensive Gefühle. Und die muss das Gehirn erstmal verarbeiten können."
Levermann kommt zu dem Schluss, dass Geldverdienen an der Börse regelrecht unglücklich machen kann. Denn Verluste werden viel stärker wahrgenommen als Gewinne.
"Das ist eigentlich die Kernerkenntnis der Behavioural Finance, dieser noch recht jungen Disziplin, wo sich Psychologen eben auf den Finanzmarkt begeben haben, und man hat herausgefunden, dass der Mensch Verluste 2,5 Mal so stark emotional bewertet wie Gewinne. Und das muss man wissen als Anleger. Ein Aktieninvestor muss einfach damit leben, dass er sich ab und zu viel schlechter fühlt, als sein Portemonnaie tatsächlich das hergibt."
Von dieser Art von Sorgen ist Suppenbistro-Inhaber Hahn noch weit entfernt. Bis sein Laden richtige Gewinne abwirft, ist es noch ein weiter Weg. Aber Hahn hat dafür schon reichlich Pläne. Bislang muss Hahn sich die Suppen noch liefern lassen. Selbst kochen darf er sie nicht, weil er nicht die richtige Dunstabzugshaube hat. Und die ist teuer.
"Später mal, wenn's Geld reicht, wird hier noch umgebaut. Und dann versuch ich, wenigstens hier zwei, drei Suppen selber zu kochen. Speziell, was ich möchte, was eben kleinere Mengen sind und was ich nicht von der Großküche verlangen kann. Dass die mir zehn Portionen von der oder der Suppe kochen."
Und Susan Levermann? Sie hat ihr nächstes Ziel schon fast erreicht. Das Buch nimmt langsam Gestalt an.
"Ich bin jetzt so ungefähr zwei Drittel fertig. Das Buch hat drei Teile. Der erste Teil klärt so 'n paar notwendige Vokabeln, der zweiten Teil erklärt eben, wie man an der Börse wirklich Erfolg hat, das ist 'n sehr spannender Teil auch für mich, macht Spaß, den zu schreiben. Und der dritte Teil, da wird's noch n bisschen schwierig, da wollte ich mich um so Fragen kümmern wie 'Macht eben Geld glücklich?' oder 'Ist spekulieren ethisch?' So was halt, ne. Das ist aber gar nicht so einfach zu beantworten."
Ist sie, die Fondmanager-Aussteigerin, nun glücklicher als in ihrem alten Job? Mit weniger Geld, aber mehr Freiheit. Oder nicht?
"Also ich bin noch nicht so glücklich, wie ich gern wäre und wie ich vielleicht sein könnte, aber ich bin auf jeden Fall auf 'nem viel besseren Weg als noch vor zwei Jahren. Das schon."
Und Ulrich Hahn? Ihm, der seinen Beruf als Versicherungsmakler aufgab, ihm geht es jetzt viel besser als vorher.
"Jo, ich bin glücklicher. Weil ich ruhiger leben tu, weil mir die Arbeit Spaß macht. Natürlich, wenn ich 'ne Million gewinnen würde, würde ich sie auch nicht abschlagen und würde ooch weiterleben. Allerdings wäre der kleine Unterschied: Damals hätte ich dann die Versicherung geschmissen, wär ins Ausland gegangen und hätte das Geld verpulvert. Heute würde ich sagen, ich würde den Laden umbauen, ausbauen, stundenweise mitarbeiten, vielleicht noch zwei, drei Arbeitsplätze damit schaffen - das wäre das Ideale."
Susann Levermann hat inzwischen ein Rezept für ihr Glück gefunden. Es ist simpel - und kostet keinen Cent.
"Also mich macht es zum Beispiel glücklich, wenn ich authentisch sein kann. Wenn ich da, wo ich bin, mit den Menschen, mit denen ich gerade bin, so sein kann, wie ich mich gerade fühle und was ich gerade denke. Das hört sich einfacher an, als es ist, finde ich. Wenn mir das gelingt, dann bin ich glücklich."
Zwei Menschen auf der Suche nach dem Glück. Eine junge Fondsmanagerin, die an der Börse keine Erfüllung findet und jetzt ein Buch schreibt. Ein Versicherungsmakler, der mit über 50 ein Suppenbistro eröffnet, weil ihm Magengeschwüre drohen.
Sie sind so unterschiedlich, wie Berlin es ist, doch eines verbindet sie: Sie haben mit ihrem bisherigen, gut abgesicherten Leben gebrochen und noch einmal ganz von vorne angefangen. Angetrieben vom Puls der Stadt, von den Möglichkeiten, die die Metropole bietet. Und ermutigt durch all die anderen, die hier in Berlin ein neues Leben versuchen, im Dschungel der Großstadt.
"Du kannst gehen, denn du hast Beine. Setze die Füße vorsichtig auf. Die Zehen, dann den Ballen und sieh zu, wie sie dich tragen."
Seit Susan Levermann keine Fondsmanagerin mehr ist, schreibt sie Gedichte. Sie handeln von Freiheit, von Spiritualität, vom Verwirklichen von Träumen, also auch von ihr. Stoff hat sie genug, also Lebenserfahrung.
"Du kannst fliegen, denn du hast Träume. Und ein Herz das pocht, ob du es hörst oder nicht. Und überall auf der Welt, auch jetzt und hier, kann ein Wunder geschehen."
Früher jonglierte die blonde Mittdreißigerin mit viel Geld, zwei Milliarden Euro waren es zum Schluss. Dann, im Herbst vergangenen Jahres, hängte sie ihren Job an den Nagel und zog von Frankfurt am Main nach Berlin. Nicht wegen der Finanzkrise, sondern wegen einer Sinnkrise. Levermann war in ihrem Job gefangen, war gezwungen, ständig mehr Rendite zu machen. Sie fühlte sich unfrei. Fremdbestimmt vom Renditehunger der Anleger. Der Job und das gute Gehalt hatten nicht die erhoffte Freiheit gebracht, sondern das Gegenteil.
"Also das Thema Geld und das Thema Freiheit steht, glaub ich, für viele Menschen in sehr engem Zusammenhang. Und die meisten Menschen glauben, dass genug Geld zu haben sie auch frei macht. Und ich glaube, dass es ein Irrglauben ist. Besonders gefährlich ist es, wenn man dem Geld hinterher rennt. Dann ist man eigentlich extrem unfrei. Dann ist man ein echter Sklave."
Das ahnte Susan Levermann nicht, als sie während des Studiums anfing, mit Aktien zu handeln. Schließlich hatte sie ihr mageres Studentenkapital komplett verzockt.
"Das hat mich irgendwie dann gepiekst. Ich habe dann gedacht, Mensch, also eigentlich sollte man an der Börse ja agieren, um Geld zu verdienen und nicht, um Geld zu verlieren. Und das hat mich einfach gereizt, das zu lernen. Wie man das machen kann."
Sie war Ende Zwanzig, als sie bei der Deutschen-Bank-Tochter DWS in Frankfurt am Main als Fondsmanagerin anfing, ehrgeizig und erfolgreich. 2007 heimste sie gar einen Preis für den besten Deutschlandfonds ein. Der Höhepunkt ihrer Karriere. Mit einem bitteren Beigeschmack.
"Glücklich war ich komischerweise in dem Moment nicht. Ich hab mich irgendwie gefreut, hab so innerlich aufgeatmet, so nach dem Motto, man fährt jetzt so die Früchte ein von langer Arbeit. Richtig glücklich war ich nicht. Weil Geld wahrscheinlich nicht glücklich macht.(lacht) Keine Ahnung."
Levermann machte weiter. Und Sie bekam immer öfter schlechte Laune, trotz guter Ergebnisse mit ihrem Fonds und Computermodell für die Aktienauswahl.
"Börsenerfolg ist 'ne richtig langweilige Angelegenheit, wenn man es mal verstanden hat. Man kann da Monate lang sitzen, ohne irgendwas zu tun zu haben."
Gute Bezahlung und ein Gefühl der Unzufriedenheit. Levermann, bei Cottbus aufgewachsen, hat Geld, doch etwas fehlt.
"Also ich hab 'n Audi 80 Cabrio gefahren; ich denk mal, das war noch ganz okay, und das verband so 'n bisschen Eleganz mit Spaß. Ich hab nicht so viel Geld ausgegeben. Ich hatte zum Schluss noch 'ne etwas teurere Wohnung, das schon, aber ansonsten hat man im Hinterkopf immer, dass man den Job nicht bis ans Lebensende machen will. Und deswegen spart man eigentlich auch sehr viel von dem Geld."
Und immer häufiger stellte sie fest, dass mehr Geld auch mehr Verlust bedeuten kann.
"Vielleicht, dass man so gewöhnt ist, alles zu kaufen, dass man gar nicht mehr auch mal auf gegenseitige Hilfe angewiesen ist. Und gar nicht erleben kann, wie schön es eigentlich ist, wenn man sich unentgeltlich hilft. Das ist vielleicht was, was ich so bedauern würde. Also Geld macht vielleicht statt frei zumachen eigentlich in Wahrheit unfrei, weil man sich an einen gewissen Lebensstandard auch gewöhnt, und immer auch gezwungen ist, diese gewisse Summe Geld auch ranzuschaffen, weil eben auf ein befriedigtes Bedürfnis gleich das nächste unbefriedigte kommt."
Schnitt. Ortswechsel, Personenwechsel. Aber eine ähnliche Geschichte.
Ulrich Hahn. Früher war der 55-Jährige Makler für Versicherungen. Er verdiente gut, die Einkünfte waren regelmäßig und sicher. Doch der Job machte ihn nicht glücklich und er wagte vor einem Jahr einen Neubeginn - mit einem Suppenbistro an der Schönhauser Allee in Berlin Prenzlauer Berg, mit dem "Suppenstopp".
Kundin: "Hallo, was gibt's denn heute als Tagessuppe?"
Hahn: "Also heute hätte ich als Tagessuppe für drei Euro die Linsensuppe mit Wiener Würstchen-Einlage, dazu gehört auch 'n Brötchen wie bei allen Suppen. Weiterhin hätte ich als normale Suppen die Kartoffelsuppe mit Bockwurststückchen, Gulaschsuppe mit Rindfleisch, Soljanka mit Wursteinlage, Berliner Spezialität, und Erbsensuppe mit Wiener."
Kundin: "Okay, ich hätte dann gerne einmal die Tagessuppe."
Hahn: "Gerne."
Ulrich Hahn ist Ur-Berliner, kommt aus dem Ostteil der Stadt, verkauft jetzt mit Leib und Seele Suppen.
Hahn: "Bitteschön. Und hier ist noch das Brötchen dazu."
Kundin: "Mmm, danke!"
Hahn: "Guten Appetit!"
Kundin: "Dankeschön!"
Der winzige Laden an der stark befahrenen Schönhauser Allee ist lila und apfelgrün gestrichen und erinnert etwas an die DDR, jedenfalls bei einigen Speisen und Getränken. Da ist die Soljanka, ein säuerlicher osteuropäischer Eintopf mit Kraut und Fleisch. Oder statt Coca-Cola gibt es Club-Cola wie in DDR-Zeiten.
Erst ließ Hahn die DDR hinter sich, nun also auch seine Tätigkeit als Versicherungsmakler. Der Leistungsdruck wurde immer größer, er wurde krank.
"Bei mir hat sich das so ausgewirkt, dass ich Magenbeschwerden kriegte, oder zum Monatsende hin dann immer Schlaflosigkeit vorherrschte. Und als ich dann jeden Tag Natrontabletten nehmen musste, dann ging ich mal zum Arzt, und der stellte fest, dass ich auf dem besten Wege war, Magengeschwüre zu bekommen. Und er empfahl mir, mich doch noch einmal umzuorientieren."
Also auszusteigen. Hahn ließe sich von der Arbeitsagentur umschulen, lernte, wie man einen Betrieb führt. Und führt jetzt seinen "Suppenstopp" als Ein-Mann-Betrieb. Er kauft ein, bedient Gäste, erledigt die Buchhaltung. Und dennoch:
"Ich hab zwar weniger Geld, auch viel weniger Freizeit, denn als Versicherungsvertreter habe ich meine acht Stunden gearbeitet oder neun und dann war Ruhe. Jetzt sind's öfter 12 oder 14 Stunden. Und ich hab mittlerweile 'ne 6-Tage-Woche, da gibt es nur den Sonntag oder mal 'nen Feiertag frei. Aber ich bereue es nicht, es macht mir Spaß. Ich freu mich, auch am Sonnabend hier in den Laden zu gehen, die Kunden kommen rin und es ist schön."
Auch wenn Hahn noch keine schwarzen Zahlen schreibt. Zwischen 30- und 40.000 Euro musste er bereits in den Laden stecken. Das Geld hat er sich von Freunden und Verwandten geliehen. Kredite von Banken wollte er nicht. Der ehemalige Versicherungsmakler ist zuversichtlich, dass sein "Suppenstopp"-Laden bald die Gewinnzone erreichen wird.
"Wenn ich jetzt so kurz- oder mittelfristig planen tu und meine Zahlen angucke, dann müsste ich sagen, dass ich es jetzt bis Ende des Jahres schaffen müsste auf plus minus null, also nix mehr reinbuttern. Und nächstes Jahr vielleicht schon Überschuss da ist, dass ich eben die Darlehen zurückzahlen kann. Und vielleicht nächstes Jahr im Sommer mir 'ne Hilfskraft leisten kann und vielleicht eine Woche mal Urlaub machen kann. Dass mir das so ein bisschen am Herzen liegt, dass ich das auch mal habe."
So zuversichtlich war Hahn nicht immer. Anfangs lief der Laden schwer an, er fühlte sich überfordert.
"Das erste halbe Jahr hab ich ganz ehrlich ein, zwei Mal mit dem Gedanken gespielt, es wächst dir übern Kopf. War ganz schön hart zu knabbern jewesen. Hier muss ich wirklich jeden Tag sehen, verkauf die Suppen, damit du deine Einnahmen hast, damit du leben kannst! Also bin ich voll auf dem freien Markt. Ich bereu es nicht. Anders wär es vielleicht, wenn 'ne Familie mit Kindern da wäre, da hätte ich den Schritt mir zweimal überlegt. Aber da ich solo bin in dieser Hinsicht, kann ich mal auch 'ne Woche mit 'nem Kanten Brot - auf gut Deutsch - leben und komm damit zurecht."
Also macht er weiter. Er ist auf sich gestellt, aber nicht alleine.
"Da habe ich genug Freunde und Verwandtschaft, die mir sagen: Du musst das Jahr durchhalten. Und wenn's das Jahr den Bach runtergeht, na ja, dann hast du es versucht. Aber ich muss sagen, es is richtig jeelofen."
Auch Fondsmanagerin Susan Levermann bereut heute nicht, dass sie einen Neubeginn in Berlin gewagt hat. Die Fragen nach dem Sinn ihrer Tätigkeit als Fondsmanagerin waren immer drängender geworden, forderten eine neue Antwort.
"Ich hab mir Fragen gestellt, zu was tragen wir eigentlich bei? Dazu, dass die Schere zwischen arm und reich immer so aufgeht? Oder was tragen wir generell zum Guten in der Welt bei? Und ich hab das einfach nicht in Aktien für mich so wiedergefunden. Das einzige, was mich noch so interessiert hätte, wäre so 'n Randbereich, der mittlerweile auch stark wächst, das sind ethische Investments, wo man eben auch Kriterien wie Umweltfreundlichkeit, Nachhaltigkeit, wie behandle ich die Mitarbeiter, solche Sachen mit einbezieht. Das hätte mich schon noch interessiert. Aber ich hab dann einen ganz anderen Weg gefunden."
Im Herbst 2008 verließ sie die Fondsgesellschaft in Frankfurt am Main. Innerhalb des Unternehmens sah sie keine Möglichkeit mehr, mit anderen Aufgaben glücklicher zu werden. Sie war die Beste, hatte alles erreicht. Hatte viel Geld verdient. Doch der Sinn war abhanden gekommen. Nun fühlte sie sich plötzlich frei, glücklich, bereit für ein neues Leben.
"Oh, dass war zunächst erstmal völlig euphorisch für mich. Und so 'n Druck einfach. Das war einfach, weiß ich nicht, wie ein Ballon, den Sie anstechen und dann geht der Druck erst mal raus. Die erste Woche war fantastisch. Da bin ich auf so 'ner richtigen Höhenflugwelle geschwommen, hab mich irgendwie wie der König der Welt gefühlt."
Sie wollte möglichst weit weg von ihrem alten Leben in Frankfurt. Durch Zufall kam sie nach Berlin - und verliebte sich in die Stadt. Sie fühlte sich magisch angezogen, inspiriert und endlich frei von allen Zwängen. Ja hier, genau hier konnte sie sich ihr neues Leben vorstellen. Ihre wahre Berufung schien einen Schritt näher gekommen zu sein. Berlin, die neue Heimat. Die neue Lebensart.
"Ich hab den Geist gespürt, der hier lebt. Und seit ich das gespürt habe, konnte ich mich in Frankfurt, konnte ich mich nicht mehr verbinden mit der Stadt. Auch mit meinen Freunden nicht. Ich hatte irgendwie das Gefühl, da war plötzlich eine Kluft, die war dann auch nicht mehr überbrückbar. Es war ganz merkwürdig. Es war wirklich wie so ein Verliebtheitsgefühl."
Die Euphorie hielt nicht lange an. Kaum war die erste Freude über die neu gewonnene Freiheit verflogen, folgte der große Kater.
"Womit ich nicht gerechnet hab, das war schon für meinen Körper und für meinen Geist, glaub ich, eine wahnsinnige Anstrengung, von so einem High-Oktan-Job dann so auf Null zu schalten. Das war wirklich ein bisschen viel auf einmal. Das war wie so 'n Porsche, den Sie auf 280 fahren und dann machen Sie 'ne Vollbremsung. Da wird einem schon erstmal richtig übel. Und da hatt ich dann so zwei Monate lang auch mit, na ja, da hab ich ganz schön durchgehangen. Da musste ich ein bisschen kämpfen. Ich weiß nicht, ob man das Depression nennt oder so, aber da hab ich ein echtes Loch gehabt, so zwei Monate."
Dann wieder auf Sinn-Suche. Die wahre Berufung? Als Fondsmanagerin hatte es sie immer gestört, dass nach der Arbeit nichts dauerhaft blieb.
"Die Kehrseite am Beruf des Fondsmanagers ist eben, immer wenn es dann schlecht läuft, dass man eben das Gefühl hat, irgendwie gar nichts in der Hand, was man jetzt als Kompensation seinen Anlegern geben kann. Und das sind immer so Momente, wo man sich dann vielleicht doch einen Beruf wünscht, der vielleicht auch schöpferisch ist, wo ich vielleicht wie ein Handwerker eben Fenster herstelle oder 'ne Wand bemale. Und selbst wenn ich sie vielleicht nicht besonders schön bemale, sie ist zumindest hinterher bemalt, und ich sehe, was ich getan habe. Und als Fondsmanager, da ist jedes Jahr das Spiel von neuem. Sie fangen immer wieder von null an. Mal funktioniert's, mal funktioniert's nicht. Da hat man nicht so das Gefühl, dass da was bleibt.""
Levermann beschloss, den Anlegern etwas zurückzugeben. Mit ihnen ihren Erfahrungsschatz zu teilen, ihnen zu erklären, wie das Handeln mit Aktien funktioniert.
""Es ist ganz schwer und es ist ganz einfach. Die Regeln, auf die ich am Ende gestoßen bin, und nach denen ich auch gearbeitet hab, sind sehr, sehr simple Regeln. Das schwierige ist nur, denen auch in schweren Zeiten die Treue zu halten. Das ist eigentlich das, was auch die Herausforderung darstellt."
Sie beschloss, ein Buch zu schreiben. Sie wollte den Lesern nicht nur erklären, wie die Börse funktioniert, sondern sie beschäftigte sich auch damit, was beim Handeln mit Aktien im Gehirn passiert. Dieses Wissenschaftsfeld nennt sich Behavioural Finance. Menschen, die ökonomische Entscheidungen treffen, werden unter einem Magnetresonanztomografen beobachtet, um die Gehirnaktivitäten zu messen.
"Es ist eigentlich fast beunruhigend, was dabei rausgekommen ist, nämlich, dass die Freude am Gewinn oder Verlust von Geld, dass sich das in Gehirnregionen abspielt, die auch lebensbedrohliche Gefahren verarbeiten. Also für das Gehirn ist das ein ganz schöner Stress. Spekulieren an der Börse ist für das Unterbewusstsein eine ziemlich harte Erfahrung. Also man erlebt da sehr intensive Gefühle. Und die muss das Gehirn erstmal verarbeiten können."
Levermann kommt zu dem Schluss, dass Geldverdienen an der Börse regelrecht unglücklich machen kann. Denn Verluste werden viel stärker wahrgenommen als Gewinne.
"Das ist eigentlich die Kernerkenntnis der Behavioural Finance, dieser noch recht jungen Disziplin, wo sich Psychologen eben auf den Finanzmarkt begeben haben, und man hat herausgefunden, dass der Mensch Verluste 2,5 Mal so stark emotional bewertet wie Gewinne. Und das muss man wissen als Anleger. Ein Aktieninvestor muss einfach damit leben, dass er sich ab und zu viel schlechter fühlt, als sein Portemonnaie tatsächlich das hergibt."
Von dieser Art von Sorgen ist Suppenbistro-Inhaber Hahn noch weit entfernt. Bis sein Laden richtige Gewinne abwirft, ist es noch ein weiter Weg. Aber Hahn hat dafür schon reichlich Pläne. Bislang muss Hahn sich die Suppen noch liefern lassen. Selbst kochen darf er sie nicht, weil er nicht die richtige Dunstabzugshaube hat. Und die ist teuer.
"Später mal, wenn's Geld reicht, wird hier noch umgebaut. Und dann versuch ich, wenigstens hier zwei, drei Suppen selber zu kochen. Speziell, was ich möchte, was eben kleinere Mengen sind und was ich nicht von der Großküche verlangen kann. Dass die mir zehn Portionen von der oder der Suppe kochen."
Und Susan Levermann? Sie hat ihr nächstes Ziel schon fast erreicht. Das Buch nimmt langsam Gestalt an.
"Ich bin jetzt so ungefähr zwei Drittel fertig. Das Buch hat drei Teile. Der erste Teil klärt so 'n paar notwendige Vokabeln, der zweiten Teil erklärt eben, wie man an der Börse wirklich Erfolg hat, das ist 'n sehr spannender Teil auch für mich, macht Spaß, den zu schreiben. Und der dritte Teil, da wird's noch n bisschen schwierig, da wollte ich mich um so Fragen kümmern wie 'Macht eben Geld glücklich?' oder 'Ist spekulieren ethisch?' So was halt, ne. Das ist aber gar nicht so einfach zu beantworten."
Ist sie, die Fondmanager-Aussteigerin, nun glücklicher als in ihrem alten Job? Mit weniger Geld, aber mehr Freiheit. Oder nicht?
"Also ich bin noch nicht so glücklich, wie ich gern wäre und wie ich vielleicht sein könnte, aber ich bin auf jeden Fall auf 'nem viel besseren Weg als noch vor zwei Jahren. Das schon."
Und Ulrich Hahn? Ihm, der seinen Beruf als Versicherungsmakler aufgab, ihm geht es jetzt viel besser als vorher.
"Jo, ich bin glücklicher. Weil ich ruhiger leben tu, weil mir die Arbeit Spaß macht. Natürlich, wenn ich 'ne Million gewinnen würde, würde ich sie auch nicht abschlagen und würde ooch weiterleben. Allerdings wäre der kleine Unterschied: Damals hätte ich dann die Versicherung geschmissen, wär ins Ausland gegangen und hätte das Geld verpulvert. Heute würde ich sagen, ich würde den Laden umbauen, ausbauen, stundenweise mitarbeiten, vielleicht noch zwei, drei Arbeitsplätze damit schaffen - das wäre das Ideale."
Susann Levermann hat inzwischen ein Rezept für ihr Glück gefunden. Es ist simpel - und kostet keinen Cent.
"Also mich macht es zum Beispiel glücklich, wenn ich authentisch sein kann. Wenn ich da, wo ich bin, mit den Menschen, mit denen ich gerade bin, so sein kann, wie ich mich gerade fühle und was ich gerade denke. Das hört sich einfacher an, als es ist, finde ich. Wenn mir das gelingt, dann bin ich glücklich."