Ohrwurm

Darum singen wir unter der Dusche

05:40 Minuten
Ein Junge sitzt in der Badewanne mit Schaum im Gesicht und singt in einen Duschkopf.
Unter der Dusche und in der Badwanne stehen die Chancen gut, einen Ohrwurm zu bekommen, weil unser Gehirn hier wenig beransprucht wird. © Getty Images / Image Source / Christoffer Askman
Von Christian von Stülpnagel |
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Ohrwürmer kommen meist aus dem Nichts, und können manchmal auch richtig nervig sein. Dabei ist ein Ohrwurm eigentlich nur ein Zeichen dafür, dass der Kopf unterbeschäftigt ist, sagen Forschende. Und es gibt Methoden, um ihn loszuwerden.
Kurze Songschnipsel, meist nur eine oder zwei Zeilen eines Liedes, die sich immer und immer wieder im Kopf drehen. Fast jeder Mensch hat regelmäßig ein Musikstück, das einfach nicht mehr aus den Gedanken will, sagt Eckart Altenmüller, Professor für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover: „Man hat da auch richtig große Umfragen gemacht, etwa 80 Prozent der Menschen haben regelmäßig Ohrwürmer, also wirklich sehr viele.“
Noch unklar, wie ein Ohrwurm entsteht
Das Phänomen „Ohrwurm“ wird seit Jahrzehnten in der Forschung beschrieben, schon der Komponist Robert Schubert soll über „Engelsstimmen“ in seinem Kopf berichtet haben. Trotzdem weiß man noch immer nicht, wie genau ein Ohrwurm entsteht.
„Man vermutet, dass es mit einer Dauerschleife, einer Erregungsschleife im Gehirn zu tun hat, und zwar zwischen den Gedächtnisstrukturen des auditiven Cortex, der Hörregion, und den motorischen Regionen der Singeregion des Stirnhirns“, sagt Eckart Altenmüller. Und einen so dazu bringt, einen Ohrwurm immer wieder vor sich hin zu singen. Ziemlich sicher sind sich Forschende mittlerweile, in welchen Momenten sich ein Song im Kopf festsetzt.

Warteschleife im Gehirn

„Es ist wahrscheinlich eine Art Warteschleifen-Musik des Gehirns“, sagt Christoph Reuter, Professor für Systemische Musikwissenschaft an der Universität Wien. „Wenn das Gehirn nichts zu tun hat, beziehungswiese wir Dinge machen, in denen das Gehirn nicht wirklich beansprucht wird, dann fängt es an, sich selbst Muster zu suchen. Sagen wir mal zum Beispiel beim Spülen oder beim Duschen, beim Rasieren, dann fängt es an, eigene Muster zu interpretieren und man hat gute Chancen, einen Ohrwurm zu bekommen.“
Selbst das Singen unter der Dusche kann also wissenschaftlich erklärt werden. Vor allem, wenn ein besonders eingängiger Song im Kopf herumschwirrt.

Auf die Wiederholungen kommt es an

Der Ohrwurm „Ohrwurm“ von den Wise Guys landet in Umfragen immer wieder ganz weit oben bei den gängigsten Ohrwürmern. „Dass man über das Thema Ohrwurm schreibt, über ein Lied, dass man einfach nicht loswird, das kennt ja jeder von uns, und dass dieses Lied dann auch gleichzeitig diese Funktion erfüllt, das fand ich halt eine witzige Idee“, sagt Daniel Dickkopf, der den Song für die „Wise Guys“ geschrieben hat und mittlerweile mit der Nachfolgeband „Alte Bekannte“ durch Deutschland tourt.

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„Ich habe mich einfach hingesetzt mit meiner Gitarre und hab überlegt, was ist eine Melodie, die auf der einen Seite so simpel ist, dass sie niemanden überfordert. Ich habe mir überlegt, was sind Tonfolgen, wo die Intervalle nicht zu groß sind, wo keine großen Tonsprünge drin sind. Und wo man anderseits nicht so genervt ist, dass man es aktiv wieder vergisst.“
Die Zutaten für den perfekten Ohrwurm, wie Christoph Reuter erklärt, „das sind Wiederholungen, besonders wenn sich kurze Phrasen häufig wiederholen, zum Beispiel bei ‚We will Rock you‘. Die einfache Melodiebildung ist wichtig, also lange Noten mit kleinen musikalischen Intervallen.“ Und schon geht ein Song nicht mehr aus dem Kopf.
Ein Hausmittel gegen Ohrwürmer
Doch wie bekommt man einen besonders nervigen Song jetzt wieder los? Das Lied von vorn bis hinten durchhören? Ein weit verbreiteter Mythos, der laut Eckart Altenmüller einen Ohrwurm aber nur selten verschwinden lässt. Er empfiehlt, „sich auf etwas andere zu konzentrieren, also etwas nehmen, was meine Aufmerksamkeit stark fesselt, ein interessantes Buch oder ein interessanter Film oder so etwas.“

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Man könne auch ein anderes Lied singen – in der Hoffnung, dass es dann nicht zum nächsten Ohrwurm wird. Oder zu einem Hausmittel greifen. „Anscheinend wird die Wahrscheinlichkeit geringer, wenn man Kaugummi kaut oder etwas isst. Das unterbricht eben auch diese Endlosschleife zwischen innerem Hören und innerem Singen, weil es eben auch die Muskulatur anspricht, die wir zum Singen benötigen.
Songschreiber Daniel Dickkopf hat berufsbedingt häufig Melodien im Kopf – aber sein eigener „Ohrwurm“ wurde ihm selbst irgendwann zu viel. „Wir haben den Song irgendwann aktiv aus den Konzerten verbannt, weil wir selbst davon genervt waren.“
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