Kritik an Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz ernet derzeit viel Kritik, weil er sich rhetorisch ebenso zurückhält wie bei der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. © picture alliance / photothek / Thomas Trutschel
"Man sehnt sich nach mehr Erklärung"
08:13 Minuten
Olaf Scholz hat nun seine Ukraine-Politik erklärt. Der Bundeskanzler wolle eine Ausweitung des Krieges ebenso vermeiden wie einen Atomkrieg. Der Politologe Moritz Kirchner lobt Scholz dafür, wünscht sich aber mehr direkte Kommunikation.
"Wer Führung bestellt, bekommt sie", lautete ein viel zitierter Satz von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu Beginn seiner Amtszeit. Aber vor allem in den Medien häuft sich inzwischen die Kritik an seinem Führungsstil und der Art, wie er seine außenpolitischen Entscheidungen erklärt. Es gebe keine klare Position, ob und wann die Bundesregierung schwere Waffen in die Ukraine liefere, lautet einer der Vorwürfe.
Klare Äußerungen von Olaf Scholz
Für seine jüngsten Äußerungen im Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" bekommt der Kanzler dagegen Lob von dem Politologen Moritz Kirchner: Es sei grundsätzlich gut, dass Scholz nun erklärt habe, was die obersten Prämissen seines Handels seien, sagt Kirchner, der auch Psychologe und Redenschreiber ist. "Eine Ausweitung des Krieges zu vermeiden, einen Atomkrieg zu vermeiden und gleichzeitig auch zu sagen, dass teilweise eben auch Dinge geschehen, auch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, weil tatsächlich in so einer schwierigen Situation wie einem Krieg nicht alles kommuniziert werden kann, was getan wird." Scholz habe aber auch klar gemacht, dass er solidarisch und praktisch an der Seite der Ukraine stehe.
Mit der angekündigten "Zeitenwende" habe Scholz einen "unglaublichen Paradigmen-Wechsel in der deutschen Außenpolitik und Verteidigungspolitik" vollzogen, sagt Kirchner. Der Kanzler zeige Führung, indem er für die Ukraine Partei ergreife. Nicht aber in der konkreten Frage, ob schwere Waffen geliefert werden sollten.
Scholz' Stil zeichne aus, dass er konsequent versuche, die Dinge vom Ende her zu denken, so Kirchner. Es sei nicht bekannt, wie es sich militärisch auswirke, wenn schwere Waffen in die Ukraine geliefert würden. Unklar sei auch, wie dieses Gerät im Kriegsgebiet ankommen solle und wie Putin darauf reagieren würde.
Rücksicht auf die SPD
Der Kanzler sei sicher gut informiert, auch über Geheimdienstdossiers, sagt der Politologe. Daraus resultiere vermutlich eine deutlich vorsichtigere Einschätzung. Dadurch dass Scholz Mitte Februar vor Kriegsausbruch noch mit Putin in Moskau am langen Tisch gesessen habe, bedenke er wohl auch stärker mit, wie die russische Seite bestimmte Schritte, etwa die Lieferung schwerer Waffen, bewertet.
Zu bedenken sei auch, dass gerade die SPD sich beim Kurswechsel gegenüber Russland schwer getan habe, erinnert Kirchner. "Er muss neben seiner Funktion als Kanzler auch auf seine eigene Partei Rücksicht nehmen", sagt Kirchner.
Mehr Kommunikation nötig
Zur Rhetorik des Kanzlers findet auch Kirchner kritische Worte: "Das Problem, was Scholz hat, ist nicht, dass er zu wenig handelt, sondern dass er zu wenig kommuniziert." Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei da zwar beispielhaft, aber es würde nicht zu Scholz passen, über Gefühle zu sprechen. "Damit würde ihm dieses nüchterne, pragmatische, ruhende, wofür ihn sehr viele Leute gewählt haben, abgehen."
Aber es sei richtig, mehr auf Erklärungen zu setzen. Das sollte öfter direkt geschehen und nicht nur medial vermittelt, so Kirchner. "Dieses Nicht-Erklären von Politik, dieses 'Einfach Handeln', das ist etwas, was wir 16 Jahre lang hatten unter Merkel und jetzt sehnt man sich einfach nach mehr an Kommunikation und Erklärung."
(gem)