Nebel im Garten des Sonnenkönigs
Der Künstler Olafur Eliasson bespielt Versailles: mit Spiegeln, Wasser in seinen verschiedenen Aggregatzuständen und warmen Lichteffekten. Er präsentiert seine Installationen in den prachtvollen Sälen und in den Gärten des Schlosses.
Ein subtiles, trügerisches Spiel mit Spiegeln, Spiegelbildern und warmen Lichteffekten in den prachtvollen Sälen – eine Begegnung mit dem Element Wasser in seinen drei Aggregatzuständen außen in den Gärten von Versailles: Olafur Eliasson gelingt eine ungeahnte Symbiose. Alt- und zeitgenössisch verschwimmen ebenso wie Kunst und Natur: Alles ist neu – im jeweiligen Auge des Betrachters, wenn er denn einige der Installationen überhaupt entdeckt.
"Es ist richtig, dass es in diesen starken Mauern mit einem beeindruckenden Dekor gelungen ist, Kunstwerke zu integrieren, die man unter Umständen nicht sieht, zeigt sich Kurator Alfred Pacquement beeindruckt. Zum Beispiel das Augenpaar oder die Spiegel des 'Curious Museum', dieser Spiegelwand. Das Werk ist einerseits sehr präsent und andererseits kann es abwesend sein."
Im Herkulessaal steht diese Spiegelwand. Schaut der Besucher in die gegenüberliegenden Fenster, so spiegelt er sich darin – und denkt, das sei schon immer so gewesen. Das Augenpaar ist klein und dezent an einer Tür neben dem Ausgang zur Terrasse: Wer hineinblickt, sieht sein Gesicht verkehrt herum. Nicht zu übersehen indes ist "Your sense of Unity", Ihr Gefühl für Einheit. Diese Spiegelinstallation mit großen schwarzen und teils leuchtenden Halbkreisen und Ringen, die dem Spiegelsaal eine optisch vergrößernde und vervielfältigende Dimension verleiht.
Olafur Eliasson: "Das war erst so eine abstrakte Idee, so ein Eingriff, wo ich dem Raum einen Fluchtpunkt geben wollte und im Prinzip einen halben Kreis, so dass sich die Leute immer die andere Hälfte vorstellen können."
Jeder kann ein Sonnenkönig sein
Mal Halbmond, Mal Mondsichel: Zwei gegenüberliegende Riesenspiegel – Deep Mirror genannt – mit einem schwarzen Rohr auf der einen und einem goldwarmen runden Lichtschacht auf der anderen laden zu einem trügerischen Spiel mit Lichtreflexen im Salon L’oeil de Boeuf (Auge des Rindes) ein. Im Saal nebenan hängt ein innen beleuchteter Riesenspiegel von der Decke. Ein Fingerzeig an den prominentesten Bewohner von Versailles, den Sonnenkönig Ludwig der XIV?
"Ja, bezieht sich drauf, ist aber immer noch zeitgenössisch. Frankreich ist ja eine Republik, eine Demokratie und so weiter. Hier darf jeder eine Sonnenkönigin oder ein Sonnenkönig sein. Das ist unsere Zeit, und das finde ich auch toll so, dass jeder, wenn man sich das auch zutraut eine Sonnenkönigin sein darf."
Die Herausforderung war für Olafur Eliasson die geeigneten Ideen zu finden. Die Umsetzung später sei eher eine logistische Frage gewesen: Auch wegen der sintflutartigen Regenfälle haben Mitarbeiter seiner Berliner Kreativwerkstatt tage- und zuletzt vor allem nächtelang durchgearbeitet im Zusammenspiel mit dem Team von Versailles, insbesondere den Gärtnern. Entstanden ist ein beeindruckender Wasserfall am großen Becken, Nebelschwaden steigen vom Sternenhain des Gartens auf und auf der anderen Seite trifft man auf Wasser in seiner dritten Aggregatform – als Eis, wenn auch nur simuliert.
"Das ist so eine Art von Garten mit Moränensand, ein abstrakter Garten, könnte man sagen, kontemplativ vielleicht, in so einer Colonnade, ein kreisrunder Raum, ganz unglaublich toller Raum. Und dieser Moränensand aus Grönland hat so eine leicht blaugrüne Farbe, was wirklich sehr, sehr schön ist, reagiert sehr stark auch auf Sonnenlicht."
Philosophieren über Natur und Kultur
Fließend, Wasser als Dampf und als Eis:
"So wollte ich drei sensible oder auch sinnliche Eingriffe in diesen recht robusten Garten machen."
Sagt Olafur Eliasson. Und kommt ins Philosophieren über Kultur und Natur, während seine Nebelschwaden in den natürlichen an einem grauen Junimorgen verschwimmen.
"Sind wir jetzt hier in Natur oder in Kultur? Und ist die Überschwemmung in Paris eine Kultur- oder eine Naturkatastrophe? Wo kommt das Wasser her? Und ich werde jetzt nicht einfach so sagen, das ist wegen der Klimakrise, aber ich wäre auch vorsichtig zu sagen, das ist eine Naturkatastrophe, als würden Menschen da keine Verantwortung mittragen. Sicher hat’s mit Kultur zu tun und der Garten hier, das ist schon lange her, dass das hier Natur war, das war seit 300 Jahren eher Kultur."
Die zeitgenössischen Installationen von Olafur Eliasson stehen in der Kontinuität dieser Kultur in Versailles: Im Auge des Erstbetrachters ist ohnehin alles neu, auch wenn sich wie jetzt alt und neu vermischen.