"Die Griechen sind herzlicher als die Briten"
Die Neurologin Stavia Blunt hat griechische Wurzeln und verkauft Olivenöl in London. Die Schuld an der Misere in ihrem Heimatland gibt sie nicht den Deutschen - sondern den Banken.
Ein Laden in einem Gewölbe mit Rundbogen direkt an der Themse. Auf dem Fluss fahren Ausflugsschiffe von Richmond im Londoner Westen nach Hampton Court, zum Schloss Heinrich VIII. Nur 20 Meter weiter ist das traditionsreiche Pub "The White Cross" aus dem 18. Jahrhundert.
Hier aber im Laden ertönt Musik aus Kreta. "Liquid Gold Cave": Höhle des flüssigen Goldes nennt Inhaberin Stavia Blunt ihren Gewölbekeller. Auf den edlen Holzregalen stehen teure Olivenöle aus Kreta, das flüssige Gold. Daneben handgefertigte Terrakotta-Töpfe, in allen Größen und Formen.
Olivenöl muss man auswählen, als ginge es um Wein
"Es gibt große Qualitätsunterschiede beim Olivenöl. Sie müssen es so auswählen als sei es eine Flasche Wein. Es schmeckt gut und dient der Gesundheit, unter anderem weil es natürlich kalt gepresst ist."
Stavia Blunt, eine schlanke Frau mit langen braunen Haaren, trägt einen Doktortitel, sie arbeitete als Neurologin am Hammersmith Hospital in London. Den Top-Job schmiss sie hin, sie passte nicht in die sterile akademische Welt – vielleicht auch wegen ihrer griechischen Wurzeln, derer sie sich immer mehr bewusst wurde.
"Meine Mutter war Griechin, ich wurde entsprechend gefühlsbetont erzogen. Mein Vater ist Brite, mein Ehemann auch. Mit acht Jahren sind wir aus Kenia hierhergezogen. Der wichtigste Unterschied zwischen Griechen und Briten ist natürlich, dass Griechen herzlicher sind. Sie sagen eher geraderaus, was sie denken. Die Familienwerte halten sie auch hoch, während das in England nachgelassen hat."
Ein paar Kunden kommen von der Themse-Promenade in den Gewölbekeller hinein, betrachten die Honiggläser und Kräuteressenzen. Der Ausgang der Parlamentswahl scheint hier weit weg zu sein. Aber Stavia Blunt geht die Krise in Griechenland sehr nahe. Die Olivenbauern auf Kreta, bei denen sie ihr Öl kauft, müssten um ihr Überleben kämpfen.
"Ich kenne viele kleine Hersteller. Ihnen wurden ihre Olivenbäume von den Banken konfisziert. Das ist desaströs für die Bauern, sie leben doch einzig von diesen Bäumen. Ich kann Olivenöl auch woanders kaufen, aber für sie ist das ein großes Problem."
Das Geld fließt nicht in die Taschen der kleinen Olivenbauern
Von Schwindeleien mit EU-Subventionen für Olivenöl hat Stavia Blunt noch nie gehört, das Geld fließe jedenfalls nicht in die Taschen der kleinen Olivenbauern. Als der Euro kam, waren alle voller Hoffnung. Die Banken hätten das schamlos ausgenutzt.
"Ich gebe Deutschland keine Schuld, die liegt bei den Banken. Die Sparpolitik hätte früher geholfen, jetzt ist sie komplett nutzlos. Die Austeritätspolitik nagelt die Griechen ans Kreuz."
Sie geht regelmäßig ins Hellenic Center, ins griechische Kulturzentrum unweit des Regent's Park. Dass griechische Millionäre und Milliardäre in London ihr Geld in Immobilien oder teure Autos stecken, könne schon sein. Doch die meisten Griechen, die ihr Glück jetzt in London suchen, hätten es schwer. Kaum jemand lande in seinem gelernten Job. Ein Steuerberater, den sie kenne, arbeite als Koch.
Stavia Blunt sieht auch nach der Wahl nicht, wie es aufwärts gehen soll. Über ihre Facebook-Seite ruft sie zu Spenden auf – und dazu, Öl von griechischen Olivenbauern zu kaufen.