Olympia 2021

Japans holpriger Weg zu den Spielen

22:37 Minuten
Eine Frau fotografiert die Olympischen Ringe in Tokio.
Ab dem 23. Juli soll die Welt auf Japan blicken. Dann starten in Tokio die Olympischen Sommerspiele. © AFP / Behrouz Mehri
Von Kathrin Erdmann |
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Nach der Katastrophe von Fukushima und dem Aufschub um ein Jahr soll Olympia nun ein Auferstehen symbolisieren: Zum zweiten Mal richtet Tokio das größte Sportfest der Welt aus. Doch die Mehrheit der Bevölkerung ist mittlerweile gegen die Spiele.
Das Olympiastadion in Tokio am 23. Juli 2020, also exakt ein Jahr vor dem geplanten Eröffnungstermin. Eine kleine Lampe mit dem olympischen Feuer steht auf dem Rasen. Um 20.00 Uhr, es ist da schon dunkel, tritt die japanische Schwimmerin Rikako Ikee ins Scheinwerferlicht.
"Stellen Sie sich die Welt in einem Jahr vor", sagt sie. "Wie wunderbar wird es sein, wenn sich der Vorhang für die Olympischen Spiele und die Paralympics öffnet. Momentan leben wir in einer Welt aus Höhen und Tiefen. Ich hoffe sehr, dass Frieden und ein ruhiger Alltag so schnell wie möglich zurückkommen."
Die japanische Schwimmerin Rikako Ikee hält während einer Zeremonie im Nationalstadion eine Laterne mit der olympischen Flamme in den Händen.
Die japanische Schwimmerin Rikako Ikee hält während der Zeremonie im neuen Nationalstadion eine Laterne mit der olympischen Flamme in den Händen.© picture alliance / AP Images / Yomiuri Shimbun
Die Schwimmerin ist von Japan zu einer Art Hoffnungsträgerin auserkoren worden, nachdem sie ihre Leukämieerkrankung bekämpft und sich jetzt sogar für Olympia qualifiziert hat. Die Veranstaltung im Olympiastadion ist nach einer Viertelstunde vorbei, keinem ist nach Feiern zu Mute. Gerade haben die Corona-Neuinfektionen mit 1000 Menschen einen neuen Höchststand erreicht.

Ein Stadion wie ein Schrein

Dabei hatte alles so gut angefangen. Am 7. September 2013 erhält Tokio den Zuschlag für die Spiele und macht sich an die Vorbereitungen, denn natürlich müssen neue Stadien her, darunter das Olympiastadion.
Der Auftrag geht an die inzwischen verstorbene irakisch-britische Stararchitektin Zaha Hadid. Sie legt einen spektakulären Entwurf vor. Doch schnell mehren sich kritische Stimmen wegen des hohen Preises.
Sommer 2015. Zaha Hadid wird abgezogen, den neuen Zuschlag bekommt der japanische Architekt Kengo Kuma. Das Stadion wird deshalb nicht, wie geplant, zur Rugby WM 2019 fertig.
Kurz vor dem Bauende sagt Architekt Kengo Kuma: "Das Stadion ist so etwas wie ein großer Schrein. Das Gelände ist ein großer Park, der zum Schrein gehört. Zusammen steht beides immer für Harmonie."
 Fotografie des neu gebauten Japan National Stadium mit der Stadtsilhouette von Tokio im Hintergrund. 
Das neu gebaute Japan National Stadium ist Hauptaustragungsort der Olympischen und Paralympischen Spiele.© AFP / Charly Triballeau
Wenn auch nur zum Schein: Die Harmonie zu wahren, steht in Japan ganz oben. Im Dach ist Holz aus allen 47 Präfekturen des Landes verbaut. Die Größe wurde stark eingedampft, erzählt er, um Kosten zu sparen, die nur bei 1,3 Milliarden Euro gelegen hätten. Das Stadion ist knapp 50 Meter hoch. Ungewöhnlich ist das Design der Sitze.
"Die unteren sind braun, die in der Mitte grün und werden immer weißer, je höher man kommt. Braun steht für die Farbe der Erde, Grün für die vom Wald und weiß für den Himmel, die mit den Sitzen oben sozusagen verschmelzen. Das ist der Gedanke dahinter", erklärt Takeo Takahashi.

Spiele der Sommerhitze zum Trotz

Weniger als über das Design, muss Entwicklungsdirektor Takeo Takahashi im Sommer 2019 über die Hitze reden. Regelmäßig gibt es im Juli und August bei Temperaturen über 35 Grad im Schatten und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit Hitzetote.
"Wir haben sehr viel gegen die Hitze unternommen", sagt er. "Das frühere Stadion hatte kein Dach, das ist hier schon mal besser. Das hier hängt zwölf Meter über, die meisten Zuschauer sitzen also im Schatten."
Und in den rundlaufenden Gängen weht immer ein frischer Wind. Eine Klimaanlage gibt es deshalb nicht. Zu dem Zeitpunkt weiß natürlich noch keiner, dass ohnehin kaum ein Zuschauer in den Rängen Platz nehmen wird.
Die Hitze ist das bestimmende Thema in diesem Sommer. Tokios Gouverneurin Yuriko Koike redet fast nur noch darüber und ist sich für keine neue Idee zu schade. Zum Beispiel kühlende Halstücher. "Oder auch Dinge wie Papierfächer, Hüte für die Zuschauer und strukturelle Maßnahmen wie Ruhezelte und Nebelmaschinen", sagt sie.
In der Bevölkerung ist die Vorfreude auf die Spiele da noch hoch, dennoch gibt es auch skeptische Stimmen.
"Letztes Mal fanden die Olympischen Spiele, die ich erlebt habe, im Oktober statt und das ist eine schöne Saison. Warum kann das nicht in einer besseren Saison veranstaltet werden? Und warum ausgerechnet im Sommer? Viel zu heiß. Darum mache ich mir Sorgen", sagt diese 70-jährige Japanerin.
Mitten in der größten Sommerhitze beginnen die ersten Testwettbewerbe. Immer wieder greifen die Hockeyspielerinnen aus Indien und Japan zu ihren Wasserflaschen, am Spielfeldrand stehen riesige Ventilatoren.
Die indische Teamchefin Rani Rampal: "Oh ja, es war echt ziemlich heiß. Ich denke, deshalb waren wir alle von Anfang an kaputt und wurden auch schnell müde. Aber in Indien sind wir daran gewöhnt, dort ist es heutzutage auch so heiß." Doch auch dem IOC schwant: Es könnte Probleme geben.

Aus Olympia 2020 wird Olympia 2021

Oktober 2019. Das IOC verlegt den Marathon wegen der Hitze auf Japans nördlichste Insel Hokkaido Dann bricht das Jahr 2020 an. Die Corona-Pandemie beginnt. Auf einem Kreuzfahrtschiff vor Yokohama bei Tokio schnellen die Infektionszahlen in die Höhe, Japan ist zwischenzeitlich nach China das Land mit den meisten coronainfizierten Menschen.
März 2020. Erste Stimmen nach einer Absage oder einem Aufschub der Spiele werden laut. Das IOC hat bereits eine Taskforce eingesetzt. Die olympische Flamme wird in Griechenland entzündet – ohne Zuschauer.
Der Eröffnungstermin soll um jeden Preis gehalten werden. Japans damalige Olympiaministerin Seiko Hashimoto und heutige Chefin des Tokyo2020 Organisationskomitees bringt zugleich einen Aufschub ins Gespräch. "Der Tokyo 2020 Vertrag besagt: Können die Spiele nicht 2020 ausgetragen werden, weil das IOC sie cancelt, dann kann man sie theoretisch innerhalb desselben Jahres verschieben."
Die Skepsis in der japanischen Bevölkerung wächst, einerseits. Andererseits feiern viele fröhlich bei schönstem Frühlingswetter Hanami, das Kirschblütenfest. Am 20. März kommt das olympische Feuer in Japan an, die Menge jubelt.
Schließlich sind es die, um die es eigentlich geht, die Sportlerinnen und Sportler, die den Ausschlag geben, damit Japans damaliger Premier Shinzo Abe am 24. März, vier Monate vor dem geplanten Start, endlich verkündet: "Die Spiele sollen auch für die Zuschauer schöner und sicherer werden, deshalb habe ich Thomas Bach gebeten, die Spiele zu verschieben."
Und zwar um ein Jahr nach hinten. Eine Verlegung in den Herbst steht nicht zur Debatte. Das liegt an den USA. Für sie passt wegen anderer Sportveranstaltungen nur dieser Zeitraum und die Einnahmen durch den Verkauf der Fernsehrechte sind die wichtigste Einnahmequelle des IOC.

Die Infektionszahlen steigen, die Begeisterung sinkt

Kaum ist das neue Datum auf dem Tisch, steigen in Tokio die Infektionszahlen. April 2020. Japan ruft den Notstand aus. Das ostasiatische Land verschließt sich wie eine Auster. Nur Japaner dürfen noch ein-und ausreisen, selbst Menschen mit Daueraufenthalt wird die Wiedereinreise verwehrt.
Die Regierung hofft so, das Virus draußen und die Bevölkerung bei Laune zu halten. Die Kosten für den Aufschub werden auf mehr als zwei Milliarden Euro beziffert. Um zu sparen, werden Logos und Werbemittel weiter unter dem Titel "Tokyo2020" geführt.
Ein Jahr vor dem neuen, verschobenen Start redet keiner mehr über die Sommerhitze, sondern nur noch über vereinfachte Spiele.
"Wir müssen zum Beispiel über die Einreisekontrollen sowie erweiterte Tests sprechen und für Unterkünfte und den Transport ein entsprechendes Sicherheitssystem für Covid-19 entwerfen", sagt Toshiro Muto.
Der Tokyo2020-Geschäftsführer bringt erstmals eine zweiwöchige Quarantänepflicht für Athletinnen und Athleten sowie eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit im olympischen Dorf ins Spiel. Nur jeder vierte Japaner steht laut Umfragen hinter den Spielen.
Blick auf die Hochhaussiedlung des olympischen Dorfes in Tokio. Im Bildvordergrund ist eine Staßenabsperrung und ein Wachmann mit Schutzmaske zu sehen.
Das olympische Dorf befindet sich auf der Insel Harumi in der Bucht von Tokio. © picture alliance / picturedesk / Stanislav Kogiku
Herbst 2020. Shinzo Abe tritt offiziell aus gesundheitlichen Gründen zurück. Sein langjähriger Weggefährte und Kabinettsstaatssekretär, der 72-Jährige Yoshihide Suga, übernimmt.
November 2020. Die Corona-Zahlen steigen langsam an, sie liegen meist weit über 1000. Getestet wird immer noch wenig. IOC-Präsident Bach kommt auf Werbetour in die japanische Hauptstadt.
"Wir packen wirklich einen großen Werkzeugkasten zusammen und werden alle erdenklichen Maßnahmen ergreifen, sodass wir nächstes Jahr zu einem gewissen Zeitpunkt nur noch die richtigen Werkzeuge herausgreifen und einsetzen müssen, um sichere Spiele zu garantieren", sagt er.

"Das Licht am Ende des Tunnels"

Ein Werkzeugkasten voller Regeln und Einschränkungen. Und dann folgt dieser Satz, den Bach in den folgenden Monaten oft wiederholen wird: "Diese Olympischen Spiele Tokyo2020 im Jahr 2021 können, sollten und werden das Licht am Ende des Tunnels sein."
Beim japanischen Regierungschef Yoshihide Suga hört sich das anschließend so an:
"Wir sind fest entschlossen, die Spiele im nächsten Sommer auszurichten. Wir wollen der Welt zeigen, dass die Menschen das Virus überstanden haben, aber auch, dass Japan nach dem Erdbeben und dem Tsunami 2011 wieder auferstanden ist – in diesem Geist stehen die Olympischen Spiele und die Paralympics. Und wir wollen eng mit dem IOC-Präsidenten zusammenarbeiten und unser Bestes geben, um sichere Spiele auszurichten."
Japans neuer Regierungschef, der diese Sätze im Herbst vom Blatt abliest, klingt, als habe er dafür die alte Vorlage seines Vorgängers genommen. Auch er wird Sätze wie diese in den kommenden Monaten ständig wiederholen.

Ein zweiter Ausnahmezustand

Mitte Januar 2021. Die Coronazahlen steigen über die 6000er-Marke, das ist viel für das ostasiatische Land. In Tokio und weiteren Regionen wird ein zweiter, mehrwöchiger Ausnahmezustand ausgerufen. Die japanische Bevölkerung ist sichtlich genervt:
"Um ehrlich zu sein, weiß ich schon nicht mehr richtig, was sich die japanische Regierung denkt. Dieses Rumgeeiere mit dem Ausnahmezustand immer", sagt Tsubasa Oouchi. "Ich will zwar, dass sie ausgetragen werden, letztendlich denke ich aber, dass es einen Abbruch gibt", sagt Masao.
Ein anderer hegt die Hoffnung, die Wirtschaft könne so wiederbelebt werden. Japan macht indes weiter wie bisher. Trotz Ausnahmezustand sind viele Geschäfte offen, Restaurants sollen lediglich früher schließen. Einer der erfahrensten japanischen Seuchenexperten übt scharfe Kritik.
"Japans Regierung hat die Gefahr von Covid-19 wirklich unterschätzt", sagt Kentaro Iwata. "Aus unerklärlichen Gründen glaubte sie an ein Wunder: Nach dem Motto: Wir können kein Covid bekommen, wir sterben daran nicht. Und dieser Irrglaube hat dazu geführt, dass sie ganz vergessen haben, mehr zu testen, mehr Krankenhausbetten bereitzustellen, und viele andere Dinge."
Die Gefahr, dass sich das Virus weiter ausbreite, sei größer als vor einem Jahr, so Kentaro Iwata von der Kobe-Universität. Gute Nachrichten wären jetzt dringend nötig, doch es kommt anders.

Impfungen im Zeitlupentempo

Februar 2021. Der langjährige Chef des Organisationskomitees Mori äußert sich abfällig über Frauen. Er muss zurücktreten. Sein Amt übernimmt die bisherige Olympiaministerin und mehrfache Olympionikin Seiko Hashimoto. Im Februar beginnen endlich die Impfungen in Japan, als erstes ist das medizinische Personal an der Reihe. Es geht allerdings im Zeitlupentempo voran. Erst fehlt es an Impfstoff, dann an Mitarbeitern, die impfen dürfen.
Ende März. Der Fackellauf beginnt in Fukushima. Der Region, die eigentlich als Symbol für den Wiederaufbau Japans nach der Reaktorkatastrophe von 2011 herhalten sollte.
"Im vergangenen Jahr, als die ganze Welt durch eine schwierige Zeit ging, haben wir das olympische Feuer am Leben gehalten, es brannte still, aber stark", sagt Seiko Hashimoto.
April 2021. Nordkorea sagt seine Teilnahme an Olympia ab, Ende des Monats wird der dritte Ausnahmezustand verkündet. Der Fackellauf schleppt sich hin, immer wieder müssen die Läuferinnen und Läufer ganz ohne Zuschauer das Feuer weitertragen. Sind Zuschauer dabei, dürfen sie nur klatschen aber nicht laut rufen, das wird auch für Olympia gelten.
Inzwischen ist auch klar: Touristen müssen bei Olympia draußen bleiben. Die Umfragewerte, sowohl für die Spiele als auch für Regierungschef Suga sind katastrophal – doch dieser junge Japaner bringt es auf den Punkt.
"Keiner der Beteiligten will das Gesicht verlieren, auch nicht gegenüber dem Ausland", sagt Nagisa. "Keiner will die Verantwortung übernehmen. Deshalb läuft es jetzt so weiter, ohne eine Entscheidung zu treffen."
Menschen, die sich auf die Spiele freuen, sind auf der Straße schwer zu finden – doch es gibt sie. "Ich freue mich schon darauf", sagt Risa. "Es ist eine Gelegenheit für Japan, die weltweite Öffentlichkeit auf sich zu lenken."

Testwettbewerbe im Ausnahmezustand

Viele Testwettbewerbe werden verlegt, verschoben oder fallen ganz aus. Einer der wenigen mit ausländischer Beteiligung ist Anfang Mai der Worldcup der Wasserspringer. Mit dabei ist Lena Hentschel.
"Die Stimmung im Team ist gut, würde ich sagen, wir sind alle gut drauf, haben alle gut trainiert", sagt sie, während sie in der neu gebauten Schwimmhalle hinter einer Glasscheibe mit den Medien spricht. Sie und ihr Team dürfen sich nur in ihrer Blase bewegen. Frische Luft haben sie seit Tagen nicht gesehen. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie sich Wind in meinem Gesicht anfühlt, sagt Wasserspringer Patrick Hausding.
Bundestrainer und Leistungsportdirektor Lutz Buschkow ergänzt: "Wir haben nicht gedacht, dass die Blase so sehr strikt eingehalten wird. Das war für uns sehr neu und eine große Umstellung, dass man sich wirklich nur auf dem Flur und auf dem Zimmer aufhalten kann, das Essen dort einnehmen. Dann kommt man von seinem Hotelflur nur runter, wenn man dem Sicherheitsbeamten einen triftigen Grund nennen kann und der Teamleader das Okay gibt."
Worüber sich alle wundern: Nicht einmal ein Feierabendbier ist im Hotel gestattet.
Es ist inzwischen Mai und Tokio noch immer im Ausnahmezustand. Eine Petition für eine Absage der Spiele erreicht binnen weniger Tage mehr als 300.000 Unterschriften, Premier Suga wird im Parlament von der Opposition gegrillt. Der Vorwurf: Spiele zuerst, dann Kampf gegen Corona. Das stimme so gar nicht, er habe nie die Olympischen Spiele vorangestellt, rechtfertigt er sich.

Niemand will Schwäche zeigen

Suga und Tokios Gouverneurin Koike können sich zwar nicht leiden, aber dennoch sprechen beide im Gleichklang.
"Der Kampf gegen den unsichtbaren Feind, das Coronavirus, ist für den Aufschub der Spiele verantwortlich und für einen langen Leidensweg der Menschheit", sagt Yuriko Koike. "Aber ich möchte, dass wir das hinter uns lassen, den Kampf gewinnen und die Spiele zu einem unvergesslichen Moment machen."
Beide wollen keine Schwäche zeigen. Außerdem will Japan keinesfalls China 2022 als erstem Land die Ausrichtung von Olympia nach der Pandemie überlassen.
In einigen Regionen Japans gibt es keine Krankenhausbetten mehr, Menschen sterben zu Hause, weil sie keine Klinik finden. Wie soll das erst bei Olympia werden, fragen sich viele.
Doch statt sich mit den Sorgen und Ängsten der Menschen auseinanderzusetzen, setzt IOC-Vize Coates noch einen drauf: Die bisherigen Testwettbewerbe in Japan seien super gelaufen. Und das zeige: Die Spiele könnten selbst im Ausnahmezustand abgehalten werden. Dass die Stimmung so schlecht sei, führt er auf den geringen Impfstand zurück.
Ende Mai 2021. Der Ausnahmezustand wird bis zum 20. Juni verlängert. Das Tokyo2020-Olympia-Komitee entscheidet: Noch weniger Menschen dürfen zu den Spielen einreisen. "Im Vergleich zu früher wird die Zahl mehr als halbiert. Statt 180.000 werden nur 78.000 Menschen kommen", sagt Seiko Hashimoto.

Absagen wäre billiger, ist aber gar nicht so einfach

Trotzdem, es bleibt bei der ablehnenden Haltung, laute Proteste gibt es jedoch nur wenige. Im Mai kommt ein japanisches Institut zum Ergebnis: Bei einer Absage käme Japan finanziell besser weg, als noch einen weiteren Ausnahmezustand in Kauf zu nehmen.
Doch absagen ist nicht so einfach, erklärt der internationale Sportanwalt Alexandre Miguel Mestre in einem Reuters-Interview. Nur das IOC könne überhaupt von den Spielen zurücktreten.
"Das IOC gibt die Organisation in mehrere Hände. Wenn eine dieser Organisationen seinen Verpflichtungen gegenüber dem IOC nicht nachkommt, könnte das IOC dies als Vertragsverletzung der Gastgeberstadt werten, rechtliche Schritte einleiten und Schadenersatz fordern", erklärt er.
Laut der Olympischen Charta, so der Anwalt, müsse das IOC eine Sportveranstaltung gewährleisten, die für Sportler und Bevölkerung gleichermaßen sicher sei. Die Regierung baut indes weiter darauf, dass die Begeisterung von ganz allein zurückkommt, wenn die Spiele einmal begonnen haben. Zum Beispiel über mögliche Erfolge der Skateboarder, die erstmals bei Olympia dabei sind.
Im Mai beim Testwettbewerb drehen sie im neu gebauten Ariake Sportpark ihre Runden. Der 20-Jährige Akira freut sich schon auf das Megaevent: "Ich wünsche mir sehr, dass Olympia stattfindet. Es werden die Cracks aus dem Ausland kommen und ich freue mich total, die zu sehen. Natürlich bin ich auch Skater, aber ich will auf jeden Fall die Topprofis sehen."
Das sieht sein Mitstreiter Kaoru ähnlich, hofft aber auf ein bisschen mehr Stimmung: "Es war schon anders, weil keiner laut gerufen hat, und wir kein High five mit unseren Freunden machen konnten." Ob das bei Olympia wirklich anders sein wird?
Keinesfalls wird es irgendwo volle Zuschauerränge geben. Angefeuert wird mit den Händen, nicht mit dem Mund. Aber wer weiß, vielleicht behält IOC-Chef Bach am Ende doch das letzte Wort: "Diese Olympischen Spiele Tokyo2020 im Jahr 2021 können, sollten und werden das Licht am Ende des Tunnels sein."
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