Olympia 2032

Endlich Doping für alle!

04:20 Minuten
Eine Frau schüttet sich rote Pillen in den Mund.
Jede Form von Doping freigeben: Der Genuss für Zuschauer und Sponsoren ist gesichert, meint Niels Zurawski. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Eine Dystopie von Nils Zurawski |
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Doping ist die Plage des modernen Sports: Alle Versuche, Wettkämpfe sauber zu halten, sind zum Scheitern verurteilt, stellt der Soziologe Niels Zurawski fest. Wie also könnte bei Meisterschaften in Zukunft wieder sportliche Fairness einkehren?
Olympia 2032: Die ersten, wirklich revolutionären Spiele einer neuen Ära werden eröffnet. Die Sponsoren frohlocken, das Publikum stimmt sich ein - auf einen nie da gewesenen Kampf der Gladiatoren.
Nach Jahren quälender Auseinandersetzungen und einer ohnehin nicht erfolgreichen Bekämpfung hat sich das Internationale Olympische Komitee zu einem radikalen Schritt entschlossen: Jede Form von Doping ist freigegeben. Der Sport, so waren sich alle Beobachter im Vorwege bereits einig und sicher, macht damit einen Quantensprung.

Größer, schwerer, fitter

Die Regelung ist zwar erst seit kurzem in Kraft, beim Einlauf der Nationen zeigt sich aber, dass die Athleten gut vorbereitet sind. Größer, schwerer und fitter erscheinen die Frauen, Männer und diversen Transgendermenschen, als sie unter den Fahnen ihrer Sponsorenländer in das Olympiastadion zur Eröffnungszeremonie einlaufen.
Man sieht man auch die von den para-olympischen Spielen bekannten Prothesen. Die Öffnung der Regeln wurde weit ausgelegt und so kommt es bei diesen Spielen zum ersten Mal auch zu offiziellen Vergleichen zwischen Menschen und Maschinen-Menschen.

Ernsthafte Gefahr beim Hammerwurf

Waren Höchstleistungen und das Bild heldenhafter Athleten schon immer der Kern der Spiele, übertreffen sich die Sportler dieses Mal selbst. Gut zu sehen ist das in der Leichtathletik: Beim Hammerwurf starten Männer und Frauen mit Armen wie Baumstämmen, die die Kugel am Seil so weit über das Grün hinauswerfen, dass die Zuschauerränge nach der Vorrunde geräumt wurden.
Die Zuschauer sind dort in ernsthafter Gefahr von den Geschossen erschlagen zu werden. Dass ein kraftvoll geschleuderter Speer eine Hockeyspielerin im kleinen Nachbarstadion mitten im Spiel erfasste, ist ein bedauernswerter Unfall, er bleibt leider nicht der einzige.
Insgesamt aber bieten die Körper der Sportler echte ästhetische Hochgenüsse. So viele Muskeln waren selten und der Begriff "Übermensch" findet hier seine Vollendung. Ballonartige Brustkörbe verbergen erweiterte Lungen, Schwimmer haben echte Schwimmhäute, Sehnen und Knochen ähneln Maschinenteilen. So auch zu sehen beim 100-Meter-Lauf der Männer – immer noch das Highlight der Spiele.

Sprinter wie Geparden auf der Jagd

Große, langbeinige Männer mit massiven Oberschenkeln schnellen aus den Startlöchern wie Geparden auf der Jagd. Usain Bolt wäre mit seiner Weltrekordzeit hier nicht einmal in den Endlauf gelangt, die Siegerzeit liegt bei 7,2 Sekunden. Zweiter wird ein Mann mit einer beidseitigen Unterschenkelamputation und beeindruckenden Bio-Mechanic-Cyborg-Prothesen.
Nicht alles bei der Freigabe des Doping ist vollends durchdacht. Basketballkörbe müssen auf vier Meter gehängt werden, um das Spiel attraktiv zu halten. Beim Handball werden die Teams um einen Spieler reduziert, sonst hätte es keine Tore gegeben, beim Radrennen auf der Straße ist die Strecke auf 400 Kilometer verlängert.

Ein Genuss für Zuschauer und Sponsoren

Ein unangenehmer Nebeneffekt der Freigabe sind die vielen Kreislaufkollapse, vor allem auf den Langstrecken. Nicht Erschöpfung, sondern Schlaganfälle, Herzinfarkte und Multiples Organversagen sind die Ursachen.
Die Zuschauer und Sponsoren genießen das Spektakel sehr. Befürchtungen, dass solche Übermenschen vom Publikum nicht akzeptiert würden, haben sich nicht bestätigt. Auch die Pharma- und Medizinindustrie ist "happy", denn die Über-Athleten sind ein "Showcase" für das, was ihre Produkte zu leisten vermögen.
Sehr beeindruckend etwa sind die mobilen Blutreserven, welche viele Athleten auf dem Rücken tragen. Angereicherte Eigenblutreserven für den nötigen Turbo im richtigen Augenblick. Sport ist halt mehr als nur der Wettkampf, auch die beste Optimierung des eigenen Körpers kann durchaus honoriert werden.
Es geht um eine gute Show – und das ist es, was das Publikum will. Nur keine Langweile, lieber echte Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten.
Mein Fazit der Spiele nach der Dopingfreigabe: Die Athleten geben hier wirklich alles und das Publikum ist begeistert. Allein darum geht es doch bei Olympia!

Nils Zurawski, geboren 1968, arbeitet als Wissenschaftler am Institut für kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg. Schwerpunkte seiner Arbeit: Überwachung, Polizei, Doping, Stadt. 2013 habilitierte er sich mit einer Arbeit zu Raumwahrnehmung, Überwachung und Weltbildern. Er bloggt unter surveillance-studies.org.

© Foto: Christoph Rau
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