Bayern vor dem Bürgerentscheid
Ob die Olympischen Winterspiele in Bayern ausgetragen werden, entscheidet das IOC. Ob sich Bayern überhaupt bewirbt, das entscheiden die Bürger.
Vor der Firmenzentrale von BMW in München rast ein schnittiger Zweierbob auf einer Schienenanlage vorbei. Vor glitzernder Kulisse präsentiert sich das deutsche Bobfahrerteam mit Verbandspräsident Andreas Trautvetter zum Saisonauftakt.
Andreas Trautvetter: "Das ist so eine typische Sommeranschubstrecke, wo auch der Start eines Bobs geprobt wird. Mit zwei Lichtschranken. Und wer am schnellsten ist, der trägt den Sieg davon."
Einen Sieg möchte auch das Team München 22 davontragen, so heißt die Unterstützergesellschaft für Olympische Winterspiele 2022 in München. Mitbegründer Thomas Muderlak wünscht sich eine erfolgreichere Bewerbung als das gescheiterte Vorhaben für München 2018. Er hofft ...
Thomas Muderlak: "… dass wir einfach aus 2018 auch lernen. Es gab ein paar Themen, die für Diskussionsstoff gesorgt haben. Und es war ganz klar, dass die für 2022 nicht noch mal kommen sollten."
Etwa die fehlende Olympiabegeisterung in der Stadt bei der letzten Bewerbung. Diesmal soll ein frühzeitiger Bürgerentscheid in allen vier möglichen Austragungsstätten dafür sorgen, die gesamte Bevölkerung ins Boot zu holen. Vor allem junge, sportbegeisterte Menschen wie Johannes Pohl, der mit seinem Vater zur Bobanlage in die BMW-Welt gekommen ist.
Johannes Pohl: "Ich hab’ den Bob jetzt angeschoben und geguckt, wie schnell ich bin. Im Gegensatz zu den Profis hier. Ich war genau eine Sekunde langsamer."
Audi ist offizieller Partner
Der 13-jährige Schüler aus Dresden ist begeistert, dass Olympia nach München kommen könnte.
Johannes Pohl: "Ich finde, das passt einfach zu München. München ist einfach eine sportliche Stadt und eine große Stadt. Das haut bestimmt hin. Wäre gut!"
Das Problem: bei der Bobveranstaltung vor der BMW-Welt erfährt Johannes nichts von der Münchner Olympiabewerbung. Kein Plakat, keine Banner. BMW macht nicht mit bei der Unterstützung von Olympia 2022 – genau wie die meisten anderen Münchner Großunternehmen. Christian Thiem von der Bayerischen Akademie für Eventmarketing hat das neulich bei einer Veranstaltung der Wirtschaftskammer Bayern scharf kritisiert:
Christian Thiem: "Wir haben in dieser Stadt acht DAX-Unternehmen. Und wir müssen am Sonntag über 105.000 wahlberechtigte Münchnerinnen und Münchner an die Wahlurnen bekommen. Bisher haben sich die CEO von BMW und Siemens und Linde und Allianz noch nicht groß vor die Kampagne gestellt."
Nicht mal Wahlaufrufe an die eigenen Mitarbeiter hat es bisher im Intranet von beispielsweise BMW gegeben. Wer bei dem Münchner Autobauer nachfragt, erhält die Antwort: zu Olympia 2022 kein Kommentar. Andreas Trautvetter vom deutschen Bob- und Schlittenverband erklärt den Grund:
Andreas Trautvetter: "Das ist nun mal so. Wenn ein Mitbewerber aus der Automobilbranche sich als offizieller Sponsor der Bewerbung geoutet hat, dann sagt man: jawohl, Du bist jetzt der offizielle Partner. Meines Wissens ist so entschieden, dass Audi jetzt im Prinzip die Olympiabewerbungsgesellschaft unterstützt."
Tatsächlich ist Audi offizieller Olympiasponsor. Und der Ingolstädter Autobauer achtet zusammen mit dem IOC eifersüchtig darauf, dass kein Münchner Konkurrent für und mit Olympia Werbung macht. So entsteht der Eindruck, als stünde die bayerische Wirtschaft nicht geschlossen hinter der Bewerbung. Etwa die Münchner Bierbrauer, die befürchten müssen, bei olympischen Winterspielen ihr Bier nicht ausschenken zu dürfen, weil es bereits Sponsorenverträge mit internationalen Braukonzernen gibt. Und Thomas Muderlak muss sich regelmäßig zweiteilen. Denn hauptberuflich ist Muderlak Leiter der BMW-Welt. Fragt man ihn als solchen zu Olympia, wehrt er ab:
Thomas Muderlak: "Ich bin da nicht dabei, eigentlich!"
A gmahde Wiesn - eine sichere Sache
Aber irgendwie ist Muderlak doch dabei - nämlich als Vorstandsvorsitzender der Tourismus Initiative München. In dieser nebenberuflichen Funktion hat Muderlak die Unterstützungskampagne "Olympi-Ja" gemanaged.
Thomas Muderlak: "Wir haben das mit vergleichsweise sehr schlankem Geld gemacht. Weil das in der Kürze der Zeit auch gar nicht möglich war, da jetzt – wie von den Gegnern behauptet – drei Millionen Euro einzusammeln. Wir wären froh gewesen, wenn wir drei Millionen gehabt hätten. Sie können eine Null abziehen. Wir haben effektiv rund 300.000 Euro an Barmitteln gesammelt und investiert. Was aber viel wichtiger ist: der gesamte Werbe- und Kommunikationswert, der liegt tatsächlich bei round about einer Million Euro. Weil eben sehr viele Unternehmen - ohne dass Barmittel fliegen - gesagt haben: ja, da bin ich dabei. Dort lass ich mal einen Bus mitfahren. Dort lass ich mal ein Plakat aufhängen. Da zahl ich auch mal die Druckkosten. Das läuft ja auch gar nicht in einem Topf zusammen, weil es in der Kürze der Zeit gar nicht zu organisieren war."
Mit dem Sponsorengeld beauftragte Muderlak eine professionelle PR-Agentur. Die kreierte ein quietschbuntes Werbeplakat, das der SZ-Journalist Holger Gertz in einer Olympia-Reportage als "Comicheft-Sprechblasenkatastrophe" bezeichnete. "München – O Ja!" steht in der Sprechblase und "Deine Stimme, Deine Spiele." Sunny Gmach hat aber auch noch andere Sprüche zu bieten.
Sunny Gmach: "Also wir haben natürlich ‚München will die Heimspiele’. ‚München will Olympia’. ‚Wir sind pro Olympia’ oder ‚Oh Ja 22’ !"
Sunny Gmach steht an einem regnerischen Tag in München hinter einem Pro-Olympiainfostand und verteilt gelbe Anstecker.
Sunny Gmach: "Die Buttons sind jetzt hauptsächlich für den Bürgerentscheid am 10.11. – da soll jeder zur Wahl gehen und sein Kreuz machen, damit wir die Olympischen Spiele auch bekommen."
Die Stimmung der Münchner Bürger vor ihrem Infostand, sagt Sunny, sei geteilt.
Sunny Gmach: "Es ist potentiell schon eher pro, aber es gibt natürlich immer Gegner. Es wird ja auch schon in ganz München plakatiert. Wir müssen den Bürgerentscheid abwarten. A g’mahde Wiesn is’ no lang ned!"
A gmahde Wiesn, also eine sichere Sache, ist der Bürgerentscheid auch in Garmisch-Partenkirchen noch nicht. Hier, am Fuße der Zugspitze, dreht sich die Diskussion vor allem um gmahde Wiesn. Saftige, grüne Alpenwiesen, die olympischen Sportstätten und Parkplätzen weichen sollen, warnt Axel Döring, der örtliche Mitbegründer der Initiave "NOlympia".
Axel Döring: "NOlympia ist gegen diese Olympiabewerbung, weil sie absolut fremdbestimmt ist. Große Investoren kommen. Große Baumaßnahmen kommen, die eine normale Entwicklung dieser Orte stören. Es sind große Eingriffe in die Natur und die Umwelt zu erwarten."
Ohne Schneekanonen keine Olympischen Spiele
Axel Döring ist Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz. Er wohnt in einem alten, holzverkleideten Haus in Garmisch. Mit Blick auf Kandahar-Skipiste, auf der bei einer erfolgreichen Olympiabewerbung die Abfahrtsrennen stattfinden würden.
Axel Döring: "Kommen Sie doch mal mit auf den Balkon, dann zeig’ ich Ihnen was. Da sehen sie jetzt die Schneekanonen. Und wir haben heute wirklich schönes Wetter. Aber da sieht man, was die für Luftfeuchtigkeit in die Luft bringen. Und wie viel Schnee abgetragen wird von der Piste. Wir hier, wir sind mitten im Ort. Und man hört das hier mit 43 Dezibel in der Nacht. Die heulen also da gegenüber sehr deutlich. Häufig ist es so, dass man da am Berghang eine Nebelwand sieht. Das heißt, die Luftfeuchtigkeit der Schneekanonen bringt wahnsinnig viel Nebel."
Ohne Schneekanonen aber, sagt Döring, seien Olympische Spiele nicht mehr denkbar. Nicht in Garmisch, und schon gar nicht im München des Jahres 2022. Stichwort Klimawandel. Was Döring aber noch viel mehr ärgert, ist der Vertrag, den die Olympiabewerberstadt München mit dem Internationalen Olympischen Komitee abschließen müsste. Der sogenannte Hostcity-Vertrag.
Axel Döring: "Im Hostcity-Vertrag geben die Gemeinden die gesamte Selbstverantwortung ab. Sie dürfen über nix mehr entscheiden. Alles, was gemacht wird, entscheidet das IOC. Das geht so weit, dass man nicht mal mehr entscheiden kann, wen man einlädt. Das macht das IOC. Wenn zum Beispiel die Frau Merkel den Herrn Obama einladen möchte, dann müsste sie das IOC fragen."
Das Merkel-Beispiel klingt griffig, auch wenn Döring seine Behauptung nicht wirklich belegen kann. Denn die Bundesrepublik Deutschland verlöre auch dann nicht ihre staatlichen Hoheitsrechte, wenn sie einem Hostcity-Vertrag zustimmte, wie ihn zuletzt die Stadt London mit dem IOC abschloss. Diesen Vertrag bezeichnet Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender der bayerischen Grünen, als Knebelvertrag.
Ludwig Hartmann: "Einmal, dass die gesamten Kosten und Lasten auf die Kommunen abgewälzt werden. Dass das IOC sich eine komplette Steuerfreiheit gewähren lässt im Gastgeberland. Man muss sich das so vorstellen: weltweit trocknen wir Steueroasen aus. Daran wird gearbeitet. Und das IOC holt sich die Steueroase ins Austragungsland."
Tatsächlich trifft es zu, dass das unternehmerische Risiko von Olympischen Spielen laut Hostcity-Vertrag beim Veranstalter liegt, also etwa der Stadt München, und nicht bei der Organisation, die die Rechte vergibt, also dem IOC. Das ist aber bei allen großen Sportveranstaltungen weltweit so. Und die meisten Olympiastädte sind damit sehr gut gefahren, sagt Ludwig Hartmanns SPD-Oppositionskollege Markus Rinderspacher.
Markus Rinderspacher: "In London beispielsweise haben wir gesehen, dass dort mit den Olympischen Spielen sogar Gewinn gemacht wurde. Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass eine Sportgroßveranstaltung gleichzusetzen ist mit einem hohen Schuldenberg. Das wollen die Grünen suggerieren, das ist aber nicht der Fall."
SPD-Fraktionschef Rinderspacher raunzt die Grünen im Vorfeld des Bürgerentscheides überraschend heftig an. Und auch die dritte bayerische Oppositionspartei, die Freien Wähler, kritisieren die Grünen scharf für ihr Olympisches Nein. Von Knebelverträgen zu reden, sagt der sportpolitische Sprecher der Freien Wähler, Michael Piazolo, sei unverantwortlich.
Michael Piazolo: "Wir sind für Olympische Spiele, trotz der einen oder anderen Kröte, die man dafür schlucken muss. Und jetzt werden wir in den Verhandlungen versuchen, diese Kröte ganz, ganz klein werden zu lassen."
Franz Beckenbauer rührt die Werbetrommel
Die Chancen, dem IOC in Vertragsverhandlungen einige Zugeständnisse abzuringen, stehen gar nicht schlecht. Denn die Frage ist durchaus, ob die Stadt München die Olympischen Spiele mehr braucht als das IOC die Stadt München, sinniert sogar Franz Beckenbauer …
Franz Beckenbauer: " … weil München und Bayern das Beste ist, was man sich für solche Spiele vorstellen kann. Und weil sowohl die Münchner als auch die Bayern ein perfekter Gastgeber sein werden."
Franz Beckenbauer, der Fußballkaiser aus dem Arbeiterviertel Giesing, ist für die Olympiabewerbung München 22 das, was für die Olympia-Bewerbung München 2018 Katharina Witt war. Nämlich das Zugpferd Nummer Eins. Die ostdeutsche Eiskunstläuferin Witt kam allerdings beim IOC besser an als bei der bayerischen Bevölkerung. Deshalb trommelt diesmal Franz Beckenbauer für Olympia in München. Auch wenn er witzelt, dass er keine Körbchengröße D habe. Dafür aber umso größere Überzeugungskraft in seiner Heimat.
Franz Beckenbauer: "Ich glaube, dass man durchkommen wird, wenn die Bürger zur Wahl gehen. Das ist ja immer so bei diesen Abstimmungen: wenn man sich allzu sicher ist oder die Vorhersagen zu eindeutig, dann sagen die Leute: da brauch’ ich gar nicht hingehen. Das Wichtigste ist, die Ja-Sager zu mobilisieren. Das war damals auch mit dem Stadion so: darum hat man ja diesen Weg mit dem Bürgerentscheid genommen."
Mit dem Stadion meint Beckenbauer die Allianz-Arena des FC Bayern München, gegen die es in München anfangs Widerstand gab. Doch ein Bürgerentscheid brachte eine Mehrheit von 65 Prozent für das neue Bayern-Stadion. Und spätestens mit dem Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in eben jener Allianz-Arena waren die letzten Zweifler überzeugt. Beckenbauer beschwört den Geist der Heim-WM auch für die Münchner Winterspiele.
Investition in die Zukunft?
Franz Beckenbauer: "Was hat die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 - was hat das Deutschland gebracht! Das ist gigantisch. Die Leute sprechen heute noch davon, überall, wo ich hinkomme! Ich komme immer noch sehr viel rum in der Welt und werde immer noch drauf angesprochen - was für eine Nachhaltigkeit! Es haben damals 30 Milliarden feststellen können, wie wunderschön unser Land ist."
Es bleibt zwar Beckenbauers Geheimnis, von welchen 30 Milliarden er spricht, wo doch die Welt nur sieben Milliarden Einwohner hat. Aber dennoch hat die Lichtgestalt recht, wenn sie betont:
Peter Schröcksnadel: "Bessere Werbung kann ich, bittschön, nicht haben. Es werden bei Winterspielen vielleicht nicht 30 sein, aber vielleicht 29 oder bisserl weniger. Aber auf jeden Fall genug, um der Welt zu zeigen, dass Deutschland und München und Bayern der richtige Standort ist."
Tatsächlich lässt sich der Werbewert von Olympischen Winterspielen recht genau beziffern. Peter Schröcksnadel, der Präsident des Österreichischen Skiverbandes, richtete im Februar 2013 die Ski-WM in Schladming in der Steiermark aus.
Peter Schröcknadel: "Wir haben über die WM – und das haben wir uns ausrechnen lassen – einen Werbewert errechnet von ungefähr 300 Millionen Euro. Das ist ein unheimlicher Bertrag. Und das ist natürlich bei olympischen Spielen mal zehn, zehn mal so hoch. Weltmeisterschaften - nur alpin- klein. Olympische Spiele: viel, viel größer."
Der Unternehmer Schröcksnadel plädiert dafür, jene 3,3 Milliarden Euro, die München für Olympia 2022 bereitstellen müsste, nicht als Kosten zu sehen, sondern als Investition in die Zukunft.
Peter Schröcknadel: "Großveranstaltungen sind, auch wenn es immer wieder denunziert und heruntergeredet wird, ein Riesengeschäft. Die kosten kein Geld, sondern man kriegt viel mehr Geld, als man eigentlich verbraucht. Die Münchner sollten das kapieren."
Allerdings ist es gerade dieses Argument, das viele Münchner Bürger besonders skeptisch macht. Vor allem jene, die schon jetzt unter hohen Mieten und Immobilienpreisen leiden. Der grüne Antiolympia-Aktionist Ludwig Hartmann sieht in dieser Skepsis seinen stärksten Trumpf:
Ludwig Hartmann: "Der Mehrwert kann durchaus ein Imagegewinn sein. Aber was heißt den Imagegewinn in erster Linie? Mehr Zuzug, steigende Mieten. Genau das kann München nicht gebrauchen."
Aber durch ein neues olympisches Dorf in München, so argumentieren die Befürworter, könnte neuer Wohnraum geschaffen werden. Das war schon 1972 so, bei den Olympischen Sommerspielen in München. Die bayerische Landeshauptstadt profitiert davon noch heute, sagt Thomas Urban, der Sportsamtsleiter der Stadt. Er glaubt an den gleichen Effekt genau 50 Jahre später.
Thomas Urban: "Also ein zusätzliches Argument für München wären eigentlich die 1300 neuen Wohnungen, die hier ganz in der Nähe entstehen würden. Die auch danach nicht überteuert weggegeben würden, sondern in städtische Wohnungsbaugesellschaften überführt werden."
Ludwig Hartmann: "Ich finde es absurd, in einer Stadt wie München, die so eine Wohnungsnot hat, zu hören: wir enthalten den Münchnern 1300 neue Wohnungen zehn Jahre lang vor. Die gibt es zehn Jahre nicht, weil man wartet, bis Olympia kommt. In München kann man sofort Wohnungen an den Mann bringen, das weiß jeder. Der Bund würde die Flächen sofort abgeben, könnten wir sofort umsetzen. Dieses Argument‚ ’nur mit Olympia kriegt München mehr Wohnungen’, das ist wirklich realitätsfern."
"Hochgezüchtet und übertrieben"
Die Diskussion um Wohnungsnot und teure Mieten dürfte das Schlüsselargument sein, wenn die Münchner Bürger am Sonntag an die Wahlurnen treten. Aber München ist nur einer von vier Austragungsorten. Auch in den Landkreisen Berchtesgaden und Traunstein entscheiden die Einwohner mit Ja oder Nein über Olympia. Dort ist die Stimmung traditionell olympiafreundlich. In Garmisch-Partenkirchen dagegen wird es spannend. Umfragen sehen ein Kopf-an-Kopfrennen:
Münchner Bürger:
"Für Olympia! Ich finde, dass die Jugend eine Chance kriegen soll, dass irgendwas weitergeht."
"Ich selber mach Biathlon. Wenn ich’s nach oben schaffe, wäre es natürlich toll, wenn das dann hier wäre!"
"Wenn der Kommerz zu groß wird, bin ich dagegen. Letztes Mal bei der WM, das hat mir nicht gefallen."
"Ich denke, es wäre gut für die Region. Für die beteiligten Gemeinden. Und auch für die Wirtschaft hier in den Gegend."
"Ich bin dagegen. Weil es zu viel Aufwand ist. Und alles hochgezüchtet und übertrieben."
"Da werden ja auch so einige Strukturmaßnahmen mit verbunden sein, was den Straßenverkehr angeht."
"Sicher interessiert mich das. Aber man muss sich schlau machen, was genau gemacht wird!"
In Garmisch-Partenkirchen soll bei Olympia 2022 deutlich weniger gemacht werden als bei der letzten Bewerbung für 2018. Die Veranstalter haben dazu gelernt. Damals fühlten sich viele Bürger der kleinen Marktgemeinde überfordert. Diesmal sind nur zehn Wintersportdisziplinen am Fuße der Zugspitze vorgesehen. Die Langlauf- und Biathlonwettbewerbe haben die Olympiaplaner nach Ruhpolding ausgelagert. Dort gibt sich Josef Zeller, der Sprecher der betroffenen Grundstücksbesitzer, zuversichtlich pro Winterspiele.
Josef Zeller: "Ich seh’s als Zukunft, als Supersache. Und wir sind dabei. Also wir sprechen schon von "wir". Nicht von einem einzelnen."
Auch in Berchtesgaden, wo die Bob- und Rodelwettbewerbe stattfinden würden, stehen die Zeichen auf Olympi-JA. Glaubt auch Franz Beckenbauer.
Franz Beckenbauer: "Dass die meisten mit Ja stimmen, davon bin ich überzeugt. In den Landkreisen ist es vielleicht sogar noch einfacher als in München."
Hoffen auf schlechtes Wetter
Das glaubt auch Thomas Muderlak vom Team München 22. Er hofft, dass der Sonntag ein grauer, trüber Novembertag wird. Dass vielleicht sogar schon ein paar erste Schneeflocken durch die Landeshauptstadt huschen. Damit ein Wintergefühl entsteht, das die Bürger olympiafreundlich stimmt. Dagegen wäre ein strahlendsonniger Herbsttag, an dem die Münchner zum Wandern in die Berge fahren, eher kontraproduktiv.
Thomas Muderlak: "Weil es eben kein Selbstläufer ist. Weil wir viele Menschen an die Urne bringen wollen und müssen. Erstens, um das Quorum zu schaffen. Das sieht im Moment ganz gut aus. Wir haben sehr hohe Briefwählerzahlen. Aber auf der anderen Seite wollen wir von der Pro-Olympiabewegung natürlich, dass auch möglichst viele Menschen dafür sind, damit wir Olympia 22 nach München holen."
Muderlak schaut dem Trainingsbob hinterher, der über die Schienenanlage vor der BMW-Welt rattert. Beim Bürgerentscheid an diesem Wochenende ist es wie beim Viererbobrennen: gewinnen kann nur, wer mit allen vier Fahrern im Ziel ankommt. Sollte auch nur ein Bürgentscheid gegen die Olympiabewerbung ausfallen, ist der Traum von Winterspielen in München ausgeträumt. Und zwar endgültig, sagt die Garmischer Alpin-Skilegende Christian Neureuther.
Christian Neureuther: "Das wird die letzte mögliche Winterbewerbung Münchens sein. Es wird danach keine mehr geben. Denn auch wenn wir jetzt im Wintersport den neuen DOSB-Präsidenten stellen werden – die Sommerverbände haben dort die Übermacht. Und die wollen partout mit Berlin in eine Sommerbewerbung. Also wenn wir noch mal München und Deutschland als Wintersportnation präsentieren wollen, müssen wir’s jetzt machen."
Sollte es am Sonntagabend tatsächlich viermal "Olympi-JA" heißen, wird München schon zwei Tage später seine Bewerbung an Thomas Bach abschicken, den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees. Denn am 14.November ist Einsendeschluss – und danach liegt die Entscheidung beim IOC.