"Olympia gehört nicht in Wahlkämpfe"

Michael Vesper im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Michael Vesper spricht sich gegen die Pläne von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) aus, mit der deutschen Hauptstadt für Olympia 2020 zu kandidieren. Man könne "jetzt nicht mit Schnellschüssen" arbeiten, sagte der Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes.
Jan-Christoph Kitzler: In München sind die Tränen inzwischen getrocknet: Es wird also nichts aus Olympia 2018, den Winterspielen. Doch weil wir auch wegen des Frauenfußballs gerade so schön in Sommermärchen-Stimmung sind beziehungsweise waren, weil die Mannschaft ja ausgeschieden ist der Deutschen, wird jetzt schon wieder darüber nachgedacht, Olympia nach Deutschland zu holen: 2020, die Sommerspiele, das wäre doch was, zum Beispiel in Berlin oder in Hamburg.

Heute berät das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes über eine neue mögliche deutsche Bewerbung, mit dabei ist dann auch der Generalsekretär Michael Vesper, mit ihm bin ich jetzt in Frankfurt am Main verbunden. Schönen guten Morgen!

Michael Vesper: Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Olympische Spiele 2020 in Deutschland – was halten Sie denn davon?

Vesper: Nein, das ist ... Also wir haben gleich nach der Entscheidung von Durban, die jetzt ja gerade mal eine Woche vergangen ist, gesagt: Das, was wir jetzt wirklich nicht brauchen, sind irgendwelche Schnellschüsse, und eine Bewerbung für 2020 müsste man bis Ende dieses Monats einreichen und signalisieren gegenüber dem IOC, und jeder, der sich mit solchen Bewerbungen auskennt und jeder, der solche Prozesse schon mal beobachtet hat, der weiß, dass das außerhalb jeder Diskussion steht.

Kitzler: Das heißt, Sie schließen Olympische Spiele 2020 in Deutschland aus, auch obwohl zum Beispiel der Regierende Bürgermeister Berlins kräftig die Werbetrommel rührt?

Vesper: Also zunächst mal: Olympia gehört nicht in Wahlkämpfe, sondern eine Bewerbung – das haben wir ja nun gerade bei der Münchner Bewerbung gesehen – bedarf einer sehr sorgfältigen, langfristigen Vorbereitung. Es bedarf dafür übrigens auch entsprechender finanzieller Mittel, die man aufbringen muss, wenn man das seriös machen will. Also das ist sicher ganz gewiss eine Bitte von uns allen, da nun jetzt nicht mit Schnellschüssen zu arbeiten. Jedenfalls werden wir uns heute ja zum ersten Mal mit dieser Frage im Präsidium des DOSB befassen, und wir wollen das auf jeden Fall in einem sehr abgestimmten und seriösen Prozess tun.

Kitzler: Also 2020 wird es eher nicht, da stellt sich aber trotzdem die Frage: Werden es denn eher Winterspiele oder eher Sommerspiele? Bei den Winterspielen ist man gerade gescheitert. Ist das ein Argument für Sommerspiele, oder versuchen Sie, die erfolgreichen Erfahrungen der Bewerbung mit München, Garmisch jetzt zu wiederholen?

Vesper: Also zunächst mal müssen wir noch mal auswerten, wie unsere Bewerbung verlaufen ist, und dann werden wir sicherlich auch diese Frage diskutieren, aber wie gesagt nicht heute und nicht morgen, sondern das wird ein Prozess sein, der sicherlich viele Wochen und Monate benötigen wird, weil eine solche Bewerbung ein solches Großprojekt ist, dass man es sehr sorgfältig vorbereiten muss.

Kitzler: Bei Pyeongchang, das gegen München gewonnen hat, ging es ja sicherlich oder vermutlich nicht um den Winterzauber, sondern vor allem um neue Märkte für den unterentwickelten Wintersport in Ostasien. Stimmt der Eindruck, dass es dem Internationalen Olympischen Komitee gar nicht unbedingt um die besten Spiele ging, sondern um die nützlichsten Spiele?

Vesper: Nein, es war die – wie wir ja auch schon vorher gesagt haben – Grundsatzentscheidung, nämlich die Frage, ob man mit den Spielen, nachdem sie nur zwei Mal dort waren und beide Male in Japan, mit den Winterspielen wieder nach Asien geht, nachdem ich glaube 19 Mal Spiele in Nordamerika und Europa stattgefunden haben. Das war die Grundsatzentscheidung, und das war auch das Argument, das Pyeongchang für sich in Stellung gebracht hat, und das Argument ist ja nun nicht ganz von der Hand zu weisen, aber das IOC musste diese Entscheidung treffen und hat sie so getroffen.

Kitzler: Das Bewerbungsverfahren ist eine ziemlich teure Angelegenheit, das haben Sie gesagt, auch für ein reiches Land wie Deutschland. Die Bewerbung versinkt, verschlingt Unsummen. Ist es dann gerechtfertigt, wenn man sich wieder irgendwann ins Rennen begibt, auch wenn die Entscheidungen eigentlich eher aus strategischer Hinsicht fallen?

Vesper: Na ja, also Unsummen ist immer eine relative Frage. Wir haben es immerhin geschafft, im Rahmen dieser Bewerbung rund 80 Prozent des Budgets von rund 33 Millionen Euro aus privaten Mitteln einzuwerben. Das ist außerhalb der USA noch nie vorgekommen. Insofern war das sicherlich ein großer Erfolg.

Und wenn Sie heute mit Förderern, die dazu beigetragen haben, diese Mittel aufzuwenden, sprechen, dann erleben Sie zwar Enttäuschung, die spüren wir natürlich alle, aber alle Förderer wissen, dass dieses auch gut angelegtes Geld war, denn die Kampagne, die wir damit verbunden haben und auch die Präsentation, die in Durban ja weltweit ausgestrahlt wurde, die hat schon gewirkt, und das war eine gute Präsentation für unser Land. Und das sind also keine Mittel, die verloren gegangen sind, sondern das sind Mittel, die im Rahmen dieser Bewerbung durchaus sehr positive Prozesse ausgelöst haben.

Kitzler: Wie wichtig ist denn die Strategie des richtigen Zeitpunktes, des richtigen Timings für eine Bewerbung?

Vesper: Ja, das ist ein Punkt, der zu prüfen ist, deswegen ist ja die Diskussion darüber, ob man jetzt einen Schnellschuss macht und dann für 2020 antritt, doch relativ absurd, denn in der Tat muss man prüfen: Was sind die Mitbewerber, die potenziellen? Welche Gesamtsituation ergibt sich? Wo sind die Spiele vorher hingekommen? Also das sind alles Überlegungen, die man sehr seriös unternehmen muss und die man nicht einfach ignorieren kann. Und dafür braucht es einfach Zeit, und die werden wir uns auch nehmen.

Kitzler: Das Timing könnte ja auch wichtig sein für den Präsidenten des Deutschen Olympischen Sportbundes, für Thomas Bach. Er will, so sagt man, den IOK-Präsidenten Jacques Rogge ablösen 2013, und deswegen steht eine Kandidatur für Deutschland jetzt ein bisschen im Weg. Was halten Sie von diesen Gerüchten?

Vesper: Also auch wenn Sie es mir nicht glauben, aber beide Vorgänge haben nichts miteinander zu tun. Eine Bewerbung bringt eine Stadt ein, unterstützt von einem nationalen olympischen Komitee, in diesem Fall dem DOSB, dem Deutschen Olympischen Sportbund. Um die Nachfolge von Thomas Bach bewerben sich einzelne Persönlichkeiten, und alle haben erklärt, dass das jetzt nicht der Zeitpunkt ist, da nun in einen Wahlkampf um die Nachfolge von Jacques Rogge zu gehen. Von daher ist das eine Frage, die im Moment überhaupt nicht ansteht.

Kitzler: Die mögliche deutsche Bewerbung um neue olympische Spiele und auch ein bisschen Bewerbung um die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees, dies war Michael Vesper, der Generalsekretär des Deutschen Olympischen Sportbundes. Heute berät man über eine mögliche nächste deutsche Olympiabewerbung. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Vesper!

Vesper: Gerne!

Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.


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