Die neue Bescheidenheit der Spiele
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Olympische Spiele sind immer auch architektonische Großereignisse: Stadien, Sportanlagen, Trainingsgelände und Olympische Dörfer werden neu gebaut. Wie sieht es in Tokio aus, wo nun die Olympiade beginnt?
Wenn nun die Olympischen Sommerspiele mit einem Jahr Verspätung in Tokio beginnen, begleitet die Architektur der Sportstätten die Bilder von den Wettkämpfen. Architekturkritiker Nikolaus Bernau hat sich die Gebäude im Internet angesehen. Dabei ist ihm aufgefallen, dass diese Spiele deutlich bescheidener daherkommen als bei vergangenen Olympischen Spielen. "Man hat wirklich versucht, sich zurückzuhalten", sagt er.
Diese Entwicklung sei vermutlich auf die Vorgeschichte zurückzuführen. Die Bewerbung fand nämlich in zeitlicher Nähe zum Tsunami und der Reaktorkatastrophe in Fukushima statt und war auch deswegen schon damals von erheblichen Protesten begleitet. Hinzu kam noch die Diskussion darüber, ob die Spiele wegen der Coronapandemie überhaupt stattfinden sollten. Offenbar, so Bernau, wurde die Kritik "zumindest ansatzweise berücksichtigt".
Rudern im Hafenbecken
So sei geplant, viele Gebäude nach den Spielen weiterzunutzen, etwa als Messezentren, erläutert Bernau. Zudem wurde auf bestehende Bauten zurückgegriffen. "Man hat wirklich das Riesenpathos der Olympischen Spiele runtergedimmt auf das, was es architektonisch eigentlich sein sollte: schlichtweg die Rahmung der Wettbewerbe."
Man habe in Tokio versucht, die Spiele in die Stadt zu integrieren. So gebe es drei Hauptzenten: Den Kaiserpalast, wo – symbolisch wichtig – die Marathonwettbewerbe enden; die sogenannte "Heritage Zone", wo die älteren Sportanlagen der Spiele von 1964 aufgefrischt wurden; und die sogenannte "Bay Zone", wo im Rahmen eines städtischen Umbauprojektes relativ viel neu errichtet worden sei.
Unter anderem wurde in der Bay Zone ein Hafenbecken für die Ruder- und Kajakwettkämpfe stillgelegt und umgebaut. In diesem Gebiet befindet sich auch die neue Ariake-Arena von Kume Sekkei, die architektonisch eher unprätentiös daherkommt: "Dafür würde niemand nach Tokio fahren", urteilt Bernau.
Der Architekturkenner weist zudem darauf hin, dass man sich in Japan offenbar damit durchsetzen konnte, bestehende Gebäude für die Spiele zu nutzen. Viele seien aus den 1990er- und 2000er-Jahren – "das ist nun leider nicht die glücklichste Periode der japanischen Architekturgeschichte gewesen", so Bernau.
Neben vielen kitschigen Bauten gehört zu den nun übernommenen auch das Tokio Metropolitan Gymnasium von Fumihiko Makis, das zuerst in den 1950er-Jahren errichtet und dann in den 1990er-Jahren "erfrischt" worden sei. Dort werden die Turn- und Gymnastikwettbewerbe stattfinden.
Zurück in die Zukunft
Ein Wiedersehen werde es zudem mit einigen Sportstätten der bereits erwähnten Olympischen Spiele von 1964 geben. Darunter sind die Nippon-Budokan-Halle von Mamoru Yamada oder die Gebäude von Kenzo Tanges. "Es ist schon erstaunlich, dass man sich jetzt Bauten von 1964 anschaut und sagt: Ja, das ist doch eigentlich die Zukunft", so der Architekturkritiker.
Doch es gebe auch ein architektonisches Highlight: die Gymnastikhalle von Nikken Sekkei in der Bay Zone, freut sich Bernau. Wenn man den Fotos glaube, sei diese "großartig". Ein Holzbau mit einer schlanken außenliegenden Konstruktion und einem weitgespannten Dach, der sich gut in die Umgebung einpasst.