Olympionike Trojanow und Schwimmer von Düffel

Warum Schriftsteller die Schönheit des Sports preisen

Die Schriftsteller Ilija Trojanow (l.) und John von Düffel
Die Schriftsteller Ilija Trojanow (l.) und John von Düffel © picture alliance / dpa / Jens Kalaene - picture-alliance / dpa / Rolf Vennenbernd
Illja Trojanow und John von Düffel im Gespräch mit Joachim Scholl |
Der Schriftsteller Illja Trojanow hat alle 80 olympischen Disziplinen trainiert. Warum? Er wollte die Schönheit des Sports wiederentdecken. Auch der Autor John von Düffel braucht den Ausgleich. Er sagt: Sport kann viel geistiger und Schreiben viel körperlicher sein, als man gemeinhin so denkt.
Der Schriftsteller und Dramaturg John von Düffel wurde mit seinem Roman "Vom Wasser" berühmt. Jetzt hat er eine "Gebrauchsanweisung fürs Schwimmen" geschrieben. Bei seinem Kollegen Illja Trojanow denkt man nicht sofort an Sport, sondern an große welthaltige Romane. Doch auch er hat sich nun intensiv mit Sport befasst. Für sein neues Buch: "Meine Olympiade - Ein Amateur, vier Jahre, 80 Disziplinen" hat er alle olympischen Disziplinen trainiert.
Auszüge aus dem Interview mit den beiden Autoren:
Joachim Scholl: Der Untertitel verrrät das Mammutprogramm, Herr Trojanow. Sie haben tatsächlich vier Jahre damit zugebracht, in allen 80 olympischen Disziplinen zu trainieren. Ziel: Halb so gut wie die entsprechenden Olympiasieger zu sein. Was ist denn in Sie gefahren, welcher olympische Geist?
Illja Trojanow: (lacht) Der richtige! "Dabei sein ist alles" kann ja nur bedeuten, dass man die ganze Voyeure vor dem Fernsehschirm in Aktive verwandeln muss. Und genau das war der Gedanke, dass eigentlich die Schönheit des Sports verschwendet wird an die Couchpotatoes. Die Schönheit des Sports muss von uns allen wiederentdeckt werden. Und als Schriftsteller ist man ja manchmal in der Aufgabe, dass man mit gutem Beispiel vorangeht.
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"Nur ein klitzekleiner Bruchteil der Faszination einer Sportart"

Joachim Scholl: Jetzt aber doch mal grundsätzlich an Sie beide: Wie geht das zusammen, der Sport und die Literatur?
John von Düffel: Es ist ein Ausgleich, es ist auch eine Gegenwelt. Gleichzeitig muss man sagen, ist das Schreiben eigentlich auch als Prozess, als Vorgang sehr viel körperlicher als man denkt, und auch der Sport in gewisser Weise sehr viel geistiger. Also, man denkt immer sozusagen, es geht nur darum, Körper und Geist auszugleichen. Und ich denke auch, dass man so etwas braucht wie einen gesunden Körper für den kranken Geist. Also auch für das, was man sich da geistig da teilweise antut und für die Tunnel, die man da durchschreiten muss.
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Illja Trojanow: Es ist so, dass wir bei der Fernsehübertragung wirklich nur einen klitzekleinen Bruchteil der Vielfalt und Faszination einer Sportart entdecken. Es ist eigentlich eine Banalisierung, eine Verkleinerung. Die Faszination, die Leistung kommt gar nicht rüber. wenn Sie zum Beispiel Langstreckenschwimmen nehmen. Das ist eine unendlich einsame Tätigkeit. Die Willensstärke, die Sie da brauchen, die Fähigkeit, in sich ruhend eine automatisierte Bewegung über … - ich vermute, dass sie gelegentlich Stunden sogar trainieren. Das ist etwas, was man sehr, sehr schwer nachvollziehen kann, wenn man dann kurz reinzappt, sieht, die paddeln immer noch. Dann nach einer Stunde sind sie näher am Ziel. Ich glaube, dass es sehr, sehr schwer ist, ohne literarische Zuwendung oder Beschreibung viele dieser versteckten oder unsichtbaren Reize zu erspüren.
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"Stirb-oder-lebe-Situation, die jedem eine gewisse Gänsehaut abnötigt"

Joachim Scholl: David Foster Wallace hat mal ein professionelles Tennismatch beschrieben, hat gesagt, Leute am Fernseher könnt ihr es vergessen. Jetzt werden wir aber im August wieder vorm Fernseher hängen, von morgens bis abends. Und jetzt will ich doch mal die kritischen Sportintellektuellen ansprechen, die Sie als Schriftsteller auch immer sind. Dieses ganze internationale Großbusiness des Leistungssports, also der Dopingsumpf, jetzt aktuell mit den Russen, das ganze sportppolitische Gehacke, IOC, FIFA, wohin man schaut, Geschacher, Big Money, Korruption. Was denken Sie beide eigentlich darüber. Man muss doch inzwischen eigentlich die Birne völlig ausschalten, um vorm Fernseher noch richtig Spaß zu haben, oder?
John von Düffel: Es ist natürlich eine mediale Verwertungskette auch. An deren Ende stehen wir, als Sportkonsumenten der Medien. Ich denke auch, das mittlerweile eine Art Scheuklappentrick funktionieren muss, damit man bei der ganzen Sensationsmache…. Und was Herr Trojanow meinte, ich würde sagen, es ist wirklich eine Metrisierung des Sports, man bricht es runter auf die nackte Zahl. Auch das erzählt ja was über die Krankheit unserer Zeit, dass ja nur die Zahl mehr zählt. Insofern muss man sagen, es ist natürlich diese typische Verengung und der Showdown sozusagen.
Es gibt einen Punkt, wo ich sagen muss, da kriegt mich dieses Ereignis aber trotzdem immer. Und dafür habe ich auch - bei allem, was man weiß, eine Bewunderung - das ist der Moment. ich glaube, das auch einer der kapitalen Unterschiede zwischen Sport und Schreiben. Im Schreiben kann ich immer wieder korrigieren, immer wieder neu lesen, es immer wieder neu anfassen. Im Sport muss ich in diesem Moment, in diesem Stadion zu dieser Zeit die maximale Leistung bringen. Und das ist, glaube ich, so eine Hop-oder-Top, Stirb-oder-lebe-Situation, die jedem eine gewisse Gänsehaut abnötigt.
Illja Trojanow: Ich glaube, das Faszinierende ist tatsächlich, dass wir es da mit einen Moment haben, der sowohl erhöht ritualisiert ist als auch eigentlich dem Theater eher entspricht. Sport ist dann am faszinierendsten, wenn es Theater ist, also auf den Punkt gebracht.
Richtigstellung in der Überschrift: Wir haben die Überschrift "Warum Schreibtischtäter die Schönheit des Sports preisen" in "Warum Schriftsteller die Schönheit des Sports preisen" korrigiert. Ein User hatte uns auf die falsche Verwendung des Begriffs "Schreibtischtäter" hingewiesen. Laut Duden ist dies "jemand, der von verantwortlicher Position aus ein Verbrechen o. Ä. vorbereitet oder veranlasst und von anderen ausführen lässt".
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