Yoko Ono soll MoMA-Kurator retten
Klaus Biesenbach hat als Kurator des Museum of Modern Art in New York so viel kreativen Spielraum wie kaum ein anderer. Doch die Ausstellungsflops häufen sich. Jetzt soll eine Yoko-Ono-Schau die Widersacher besänftigen.
Wer die Bilder verfolgt, die der "Chief Curator at large" fast täglich auf Instagram in die Welt hinausschickt, bekommt einen ziemlich guten Eindruck davon, was es heißt, so einen schmucken Arbeitstitel zu haben. Und für eines der besten Museen der Welt zu arbeiten: Man ist viel und rastlos unterwegs. Dubai, Hongkong, Berlin, Basel. Und man trifft Leute mit Rang und Namen. Auch wenn sich angesichts der vielen Selfies mit Lady Gaga, dem Schauspieler und Kunstliebhaber James Franco und mit der Künstlerin Marina Abramovic der Verdacht aufdrängt, dass Klaus Biesenbach gerne Kontakte mit Menschen pflegt, die er schon kennt.
Die endlose Bilderflut hat dem Kurator des Museum of Modern Art längst tausende von Instagram-Fans und jede Menge Publizität eingebracht. Neulich machte sich das respektable Wall Street Journal darüber her. Überschrift: "Klaus Biesenbachs fabelhaftes Instagram-Leben".
Im Dezember in Miami Beach gab er bei einer Podiumsdiskussion Einblick in das Denken, das dahinter steckt. Klaus Biesenbach, Kurator am Museum of Modern Art, hat einen Persönlichkeitswandel hinter sich. Eine selbstverordnete Psycho-Therapie auf Kosten seines Arbeitgebers.
"Das verändert dich und dein Verhalten und ist ein interessantes Phänomen. Die fiktive Person. Das wirklich Persönliche. Ich habe es früher gehasst, über mein Leben zu reden. Gehasst. Gehasst. Gehasst."
Zielscheibe des Spotts
Extrovertierte Menschen kommen in den USA durchaus gut an. Zumindest bis zu einem bestimmten Punkt: Bis sie selbst negative Schlagzeilen machen. Was bei Klaus Biesenbach der Fall ist. Seit knapp zehn Jahren mischt er im New Yorker Kulturbetrieb mit, kümmert sich um die zeitgenössische Kunst des zum MoMA gehörenden "PS 1" in Queens und – zunehmend – um publikumswirksame Ausstellungen im Haupthaus in Manhattan.
Das machte ihn zur Zielscheibe des Spotts einflussreicher Kritiker. Vor ein paar Wochen beklagten die sich über die Qualität der von ihm organisierten Björk-Retrospektive. Die isländische Sängerin sei nur das letzte Beispiel dafür, dass die Institution "ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzt", meinte etwa Jerry Saltz, der für das vielgelesene "New York Magazine" schreibt. Er stichelt gerne auf Instagram mit ironischen Spitzen und Bildern aus dem großen Topf der Kunstgeschichte. Sein Lieblingsthema: Biesenbachs narzisstisch anmutende Selbstinszenierung.
Manchen geht allerdings der Humor aus. Auf der Plattform Artnet News, die gerne Nachrichten aus dem Kunstbetrieb zuspitzt, forderte Christian Viveros-Fauré unverhohlen: Der MoMa-Kurator solle wegen des "Björk-Debakels" gefeuert werden. Dies sei nur das letzte Beispiel in einer Reihe von kuratorischen Flops.
Das Echo in den Medien spiegelt ein wachsendes Unbehagen im vielköpfigen MOMA-Vorstand wider. Auch dort macht man sich offensichtlich Sorgen, dass das Museum mit seiner Ambition, sich als Publikumsmagnet zu behaupten, einen Wandel vollzieht. Hin zu einer Art Kunstkirmes. Zu einem starfixierten "Planet Hollywood". Darüber hinaus ist das MOMA auch aus anderen Gründen in die Kritik geraten. Für die massiven Ausbaupläne in Midtown Manhattan wurde das architektonisch reizvolle Folk Art Museum gleich nebenan geopfert. Paul Goldberger, der einflussreiche Architekturkritiker von Vanity Fair:
"Das macht einen traurig, wie eine Institution, die man immer bewundert hat, ihren eigenen Werten gegenüber so gleichgültig wird."
Außergewöhnlich wichtiges Ereignis
Angesichts all dessen ist verständlich, dass New Yorks Meinungsmacher über das neue Whitney Museum ins Schwelgen geraten. Hier demonstriert man, dass die Bildende Kunst selbst der Star ist.
MoMA-Chef Glenn Lowry, der seit 20 Jahren die Position bekleidet, bemüht sich, die Situation zu relativieren. Seine offizielle Reaktion auf die Debatten um Klaus Biesenbach lautete neulich:
"Wir unterstützen als Museum Künstler unterschiedlicher Machart. Wir akzeptieren das Risiko, das in diesem Engagement steckt, obwohl wir erkennen, dass manche Projekte nicht mal unsere eigenen Erwartungen erfüllen."
Dass die Erwartungen nun erneut nicht erfüllt werden – diesem Verdacht trat Lowry am Dienstag in einer Pressekonferenz zur Eröffnung der neuen Yoko-Ono-Ausstellung entgegen.
"Diese Ausstellung ist für mich und sicher auch für Christophe und Klaus ein außergewöhnlich wichtiges Ereignis. Es war für uns eine Art von Reise."
Um Kunst geht es Yoko Ono nicht
Klaus Biesenbach saß zusammen mit Co-Kurator Christophe Cherix auf dem Podium und lauschte andächtig, als die 82-jährige Yoko Ono eine halbe Stunde lang mit ausschweifenden Erzählungen und Gedanken mehr Fragen aufwarf als beantwortete. Schon der scheinbar griffige Titel "Yoko Ono, One Woman Show 1960 - 1971" führt komplett in die Irre. Für einen beachtlichen Teil der Exponate, darunter der gesamte Extra-Raum über die Plastic Ono Band, war ihr früherer Mann zumindest mit verantwortlich: John Lennon. Darunter für die Co-Regie im Video "Fly".
Um Kunst geht es Yoko Ono offensichtlich gar nicht. Und offensichtlich auch nicht um das künstlerische Erbe von Lennon. Wenn überhaupt geht es um sie selbst:
"Both, Christophe and Klaus understood what I did in ’71. And I realized they are incredibly sensitive people. Of course, they understood what I was doing."
Christophe und Klaus hätten verstanden, was sie 1971 gemacht habe. Sie seien, betonte Ono, "unglaublich einfühlsame Menschen".
Nun muss es nur noch der nicht minder sensitive New Yorker Kunstbetrieb kapieren. Noch so eine Pleite wie mit Björk kann sich das MoMA nicht leisten.