Online einkaufen und bargeldlos bezahlen – Shoppingvergnügen mit Folgen
Darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute von 9:05 bis 11 Uhr mit Nina Pütz von Ratepay und der Wirtschaftsinformatikerin Sarah Spiekermann. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254 sowie per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de. Besuchen Sie uns auch auf Facebook, Instagram und Twitter.
Shoppingvergnügen mit Folgen
84:03 Minuten
Corona verändert die Einkaufswelt: Die Deutschen – bisher Bargeldfans – shoppen immer mehr online. An den Ladenkassen wird vermehrt digital bezahlt, mit Karte oder Smartphone. Klingt einfach, hat aber auch Folgen: Wir geben dabei viele Daten preis.
Mal schnell vom Sofa aus mit einem Klick Essen bestellen oder einen neuen Pullover, gerade in diesen Coronazeiten ist der Online-Einkauf eine verlockende Alternative. Wenn man in einen Laden geht, bitten viele Betreiber, möglichst digital zu bezahlen – per Karte oder Smartphone. Damit schließen die Deutschen – bisher beharrliche Bargeldfans – zu Ländern auf, die längst in der digitalen Welt angekommen sind.
China: Bezahlen mit einem Lächeln
In Schweden werden über 80 Prozent der Käufe digital abgewickelt. Selbst das Taschengeld können Eltern ihren Kindern per App überweisen. Bis 2030 sollen dort Scheine und Münzen ganz abgeschafft sein. Auch in China hat das Smartphone die Geldbörse abgelöst. Immer mehr Chinesen zahlen zudem per Gesichtserkennung: "Smile to Pay" heißt das Programm, bei dem 3-D-Kameras an den Kassen die Gesichtsmerkmale identifizieren.
"Ich bin eh schon ein gläserner Kunde"
"Wenn wir zehn Jahre vorausschauen, wird es auch hier immer mehr um bargeldloses Bezahlen gehen", sagt Nina Pütz, Chefin des Zahlungsdienstleisters Ratepay. Über Ratepay können Onlinehändler ihre Verkäufe abwickeln. Zuvor war die Betriebswirtschaftlerin in verschiedenen Funktionen bei eBay tätig. Zuletzt war sie Geschäftsführerin bei dem Online-Shopping-Club brands4friends.
Für Nina Pütz ist Einkaufen per Mausklick Alltag, ebenso das Zahlen per Karte oder Smartphone-App. Bargeld hat sie nur für Notfälle dabei. Dass bei all ihren Transaktionen Daten anfallen, nimmt sie in Kauf. "Ich bin eh schon ein gläserner Kunde, deswegen ist mir das völlig egal. Wir leben in Deutschland, nicht in China."
Auch Ratepay arbeite mit Dienstleistern zusammen, um die Kunden besser kennenzulernen, zum Beispiel mit Auskunfteien: Wie ist das Kaufverhalten? Wie wickelt er oder sie normalerweise Käufe ab? Damit wolle man auch Betrug vorbeugen. Dies sei alles datenschutzrechtlich abgesichert.
"Ein Überwachungskapitalismus vom Allerfeinsten"
"Jeder von uns, der im Internet irgendwie unterwegs ist oder ein Smartphone hat, über den werden ungefähr 30.000 Datensätze in Echtzeit in amerikanischen Datencentern gesammelt", sagt Sarah Spiekermann, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Wirtschaftsuniversität Wien. "In deren Datenbanken läuft ein Überwachungskapitalismus vom Allerfeinsten." Die Wissenschaftlerin hat in den 90er-Jahren in verschiedenen Unternehmen im Silicon Valley gearbeitet. Sie habe "die Geburtsstunde der Digitalisierung" miterlebt. Sie kennt deren Vor- und Nachteile und gilt als Expertin für digitale Ethik.
Ihre Mahnung: Mithilfe der Daten könne ein individuelles Profil jedes Nutzers erstellt werden. Mit zum Teil gravierenden Folgen: "Ganz normale, ähnliche Leute zahlen unterschiedliche Preise beispielsweise für Flugtickets, Hotels. Sie werden nicht versichert oder erhalten nie ein bestimmtes Jobangebot." Ihr Gegenmodell beschreibt sie in ihrem aktuellen Buch "Digitale Ethik – Ein Wertesystem für das 21. Jahrhundert".
(sus)