Online-Junkies – Wenn das Internet zur Sucht wird - darüber diskutiert Julius Stucke heute von 9 Uhr 05 bis 11 Uhr mit Birgit Kimmel und Bert te Wildt. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 0800 2254 2254, per E-Mail unter gespraech@deutschlandfunkkultur.de – sowie auf Facebook und Twitter.
Wenn das Internet zur Sucht wird
Ransetzen und Surfen? - So einfach läuft es nicht mit dem Internet, denn Abhängigkeiten und falsches Vertrauen können zu massiven Persönlichkeitsveränderungen führen. Wir sprechen über Therapiemöglichkeiten für Internetsüchte und maßloses Surfen.
Eine Welt ohne Internet, Computer oder Smartphone – für viele ist das unvorstellbar. Wir chatten, spielen, arbeiten und lernen längst online, wir erledigen unsere Einkäufe, Bankgeschäfte oder Urlaubsbuchungen per Mausklick. Weltweit werden an jedem Tag 55 Milliarden WhatsApp-Nachrichten und 281 Milliarden E-Mails verschickt. Im Schnitt schauen wir 120 Mal täglich auf unser Smartphone, ob sich etwas Neues bei Facebook & Co getan hat. Mittlerweile verbringen allein die 14- bis 29-Jährigen hierzulande viereinhalb Stunden mit digitalen Medien, auch die Älteren holen auf.
"Wenn das ganze Denken davon beherrscht ist, ständig etwas im Internet zu checken, dann ist höchste Eisenbahn", sagt Dr. Bert te Wildt. Der Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen ist Experte für Internetabhängigkeit. Er hat sich dafür eingesetzt, dass die Computerspielsucht als Krankheit anerkannt wird – und damit besser behandelt werden kann. Der Psychotherapeut warnt vor den Anfängen der Online-Abhängigkeit, die oft zu wenig beachtet würden – und vor den Folgen: "So wie unsere trinkfeste Gesellschaft gerne die Kollateralschäden des Alkoholismus ausblendet, verliert die Netzgesellschaft diejenigen aus dem Blick, die im Internet ihr zumeist noch junges Leben digital vor die Wand fahren."
Eltern gehen mit schlechtem Beispiel voran
Oft gingen Eltern schon mit schlechtem Beispiel voran: "Wenn die Erwachsenen bei jeder Gelegenheit auf die Bildschirme ihrer Smartphones starren und tippen, haben sie schlechte Karten, ihrem Nachwuchs ein gesundes Maß und Manieren im Umgang mit elektronischen Medien beizubringen."
"Eltern tun sich schwer, Regeln zu setzen und sich abzustimmen: Wo bleibt nachts das Handy? Darf es mit ins Kinderzimmer?", sagt Birgit Kimmel. Sie ist pädagogische Leiterin bei "klicksafe"; die EU-Initiative setzt sich für Medienbildung bei Kindern ein und gibt Informationen für Eltern und Schulen heraus.
Forderung nach einem festen Unterrichtsplatz für Netzthemen
Ihre Beobachtung: Eltern wollten nichts falsch machen; ihre Kinder sollten nicht ausgegrenzt werden. "Das führt dazu, dass die Kinder sich immer früher mit Medien beschäftigen. Und die Eltern haben aber keine Ideen, wie sie gut und fürsorglich damit umgehen sollen." Die Pädagogin fordert seit langem, den Umgang mit Medien und dem Internet fest im Unterricht fest zu verankern: "Das Internet nach seinen individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten zu nutzen, ist eine der größten Herausforderungen, denn dies setzt voraus, Internetdienste einschätzen und kritisch hinterfragen zu können sowie Gefahren frühzeitig zu erkennen und sich entsprechend zu schützen."
Was bedeutet es, dass Smartphone & Co immer mehr unseren Alltag bestimmen? Wo hört die sinnvolle Nutzung auf, wo fängt die Abhängigkeit an? Und wie können Nutzer jeglichen Alters, Eltern, Schulen und die Politik mit der wachsenden Dominanz der digitalen Medien umgehen?