Ein Mausklick für das gute Gewissen
Latschdemos sind out - das finden viele, vor allem junge Leute. Sie protestieren lieber in Form von Events oder im Internet. Doch ist "Klicktivismus" wirklich die Lösung? Und was braucht es für erfolgreichen Protest? Das haben wir den Soziologen Dieter Rucht gefragt.
Kriege, soziale Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung, Diskriminierung: Es gäbe viele Gründe, auf die Straße zu gehen und zu protestieren - aber das wird offenbar für viele, gerade junge Leute immer unattraktiver.
Sogenannte "Latschdemos" wie die traditionellen Ostermärsche wirkten inzwischen "ein bisschen angestaubt", sagt der Bewegungsforscher Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin. "Viele der jungen Leute, die wollen sich selbst auch irgendwie betätigen, die wollen das Gesicht bunt bemalen, die wollen auch ein Stück feiern."
Oder sie organisieren Protest im Internet: "Man sitzt zuhause, ein Mausklick - und dann hat man was für das Gewissen getan." Inwieweit dieser "Klicktivismus" traditionelle Protestformen ersetzen kann, ist Rucht zufolge allerdings umstritten: "Es gibt durchaus Diskussionen, auch unter den Organisatoren, unter den Aktivisten, dass dieser Klicktivismus im Grunde schädigend ist."
Denn alle Beteiligten - auch die Medien - wüssten, dass es relativ sei, einhundert- oder zweihunderttausend Klicks zu erreichen. Und damit hätten diese Aktionen "keinen großen Effekt".
"Reizfigur" Trump löst Straßenprotest aus
In den USA treibt das liberale Waffenrecht derzeit allerdings Hunderttausende junge Menschen auf die Straße, zum Beispiel beim "March for Our Lives" am 24. März in Washington.
Dort seien die Bedingungen derzeit anders als hierzulande, meint Rucht: "Donald Trump ist für viele Leute, auch für junge Leute, eine Reizfigur. Und da ballen sich jetzt viele Themen."
Ob dieser Protest in eine breite soziale Bewegung münden wird, ist derzeit offenbar noch schwer einzuschätzen.
"Ich bin ja auch durch die USA gereist vor einigen Monaten, habe mit vielen Aktivisten gesprochen. Und da ist es schon so, dass im Moment noch die Einzelthemen - also Armut, die Benachteiligung von Schwarzen, die Benachteiligung von Frauen -, also eine Vielzahl von Problemen durchaus bearbeitet wird", so Rucht.
"Aber etwas Übergreifendes, was diese Themen noch mal bündeln könnte und eine gemeinsame Vision auch hervorbringen könnte, das ist zurzeit noch nicht sichtbar in den USA."
(uko)