Online-Shopping in Kenia

Engelsgeduld mit Kunden und Verkehr

Autoschlange in Nairobi, Kenia, aufgenommen 2006
Autoschlange in Nairobi, Kenia © picture alliance / dpa / epa Stephen Morrison
Von Linda Staude |
Online-Shopping in Kenia funktioniert ganz anders als bei uns: Bezahlt wird Cash und wenn der Kunde kein Bargeld hat, nimmt der Bote die bestellte Ware gleich wieder mit. Dafür wartet er geduldig, wenn die Käufer die bestellte Ware erst einmal anprobieren.
Großes hallo in einem Büro des Frachtterminals am Flughafen von Nairobi. Zwei der Angestellten packen Pakete aus: Große Flachbildfernseher, frisch geliefert. Die Kollegen sehen zu – ein bisschen neidisch. Kriege ich auch einen, ruft einer. Wir haben nicht geglaubt, dass die geliefert werden, ein anderer. Davis Ndegwa hat es besser gewusst. Er hat seinen Fernseher im Internet bestellt – und das nicht zum ersten Mal
"Ich habe schon drei Tablet-PCs bestellt und zwei TVs. Die Tablets sind vor zwei Wochen gekommen. Und es sieht so aus, als wäre ein Fernseher jetzt hier."
Der einzige Anbieter heißt Jumia, Geschäftsführerin Parinaz Firozi:
"Wir verkaufen jede Art von Ware aufgeteilt in 15 verschiedene Kategorien. Zuallererst Elektronik, und die beliebtesten Produkte da sind Handys. Was man sich denken kann, weil die Kenianer mobiles Telefonieren lieben. Wir haben Computer, Tablets, jede Menge Mode, jetzt sogar Alkohol, den wir express ausliefern. Wir verkaufen Kondome – einfach alles, was man sich vorstellen kann."
Jumia gehört zur Africa Internet Holding, das Netzwerk bietet von der Essensbestellung über Hotelbuchungen bis hin zum Autoverleih so ziemlich alles an, was online geordert werden kann. Der virtuelle Einkauf ist den meisten Kenianern noch fremd. Sagt Ken Murogori.
"Ich hab es noch nie gemacht. Ich müsste den Laden vorher sehen und wissen, wo die Sachen herkommen. Und ich bin auch nicht so beschäftigt, dass ich online kaufen müsste. Einkaufen macht mir Spaß und es macht mir nichts aus, in einen Laden zu gehen."

Konkurrenzlos günstige Preise

Jumia bietet allerdings neben lokalen Produkten auch einige internationale Marken an, die man sonst in Kenia nicht bekommen kann und setzt auf konkurrenzlos günstige Preise. Samson ist trotzdem misstrauisch, weil er schon von Betrügern im Internet gehört hat.
"Leute haben Schecks geschickt oder auf ähnliche Weise bezahlt. Man kann nicht sicher sein, dass das Geld in sicheren Händen landet. So was kann passieren."
Die Skepsis ist nicht so leicht zu überwinden. Bei Jumia kann man deshalb nicht nur wie sonst in der Welt per Kreditkarte oder Paypal im voraus zahlen.
Am Flughafen sind die Fernseher inzwischen ausgepackt und eingestöpselt. Alles funktioniert. Seine Kollegin zahlt bargeldlos per Handy, Davis Ndegwa zückt die Geldbörse
"So lange ich erst zahle, wenn die Ware geliefert ist, bin ich nicht misstrauisch. Ich hab ja schon früher bestellt und die haben mich noch nie hängen lassen."
Selbst sein skeptischer Kollege ist überzeugt. Ich werde da auch kaufen, ruft er dem Olivera hinterher, dem Fahrer von Jumia.
Oliver hat geduldig gewartet, bis die Kunden ihre Fernseher ausprobiert haben. Jetzt steckt er das Geld ein und macht sich wieder auf den Weg
"Wenn wir Bargeld kriegen, bringen wir das sofort zur nächsten Bank. Wir fahren nicht lange damit rum, aus Sicherheitsgründen."
Oliver fährt einen Van, vollgestopft mit sperrigen und eher hochpreisigen Waren: Fernseher, Kühlschränke, ein Kochherd. Sein Wagen ist neutral weiß und trägt kein Firmenlogo – damit Diebe nicht sofort wissen, dass dort etwas zu holen ist. Das hat ihm allerdings schon mal selbst Ärger mit der Polizei eingebracht.
"Sie haben gefragt, warum bist Du mit diesen Fernsehern unterwegs. Wir sind Dir schon eine ganze Weile gefolgt. Aber ich habe ihnen die Rechnungen gezeigt. Und dann haben sie mich weiterfahren lassen."

Online-Shopping kennen nicht mal die Behörden

Der Umweg zur Polizeistation hat ihn einen halben Nachmittag gekostet. Online-Shopping kennen eben nicht mal die Behörden in Kenia, sagt er achselzuckend.
Fragen haben die potenziellen Kunden dann aber immer noch. Parinaz Firozi:
"Viele verstehen das Konzept des Online-Shoppings nicht so richtig. Wir werden immer wieder gefragt: Wo ist Euer Laden? Wir müssen rüberbringen, dass alles im Cyberspace auf einer Website zu finden ist. Das ist ein langer Erziehungsprozess."
Name, Lieferadresse, Bestellung – alles wird überprüft. Aber die wichtigste Frage ist die nach der Telefonnummer. Ohne die sind die Fahrer nämlich aufgeschmissen bei der Auslieferung im Straßenwirrwarr von Nairobi. Straßenschilder sind selten, Hausnummern pure Glücksache.
"Meistens bekommen wir Wegbeschreibungen über das Telefon. Es gibt Gegenden, die sehr schwierig sind. Und Nairobi ist die Hölle, wenn es Staus gibt. Manchmal schafft man nur eine Lieferung am Tag, wenn man nicht aufpasst."
Zu einem bestimmten Zeitpunkt liefern, ist da fast unmöglich. Oliver ruft seinen nächsten Kunden von einer Tankstelle aus an. Die Adresse ist direkt um die Ecke. Aber mit der Lieferung wird es heute trotzdem nichts.
"Er hat mir gesagt, dass er das Geld für die Ware hatte. Aber er hat es ausgegeben."
Kein Geld, keine Ware. Ansonsten ist der Service weit besser, als man es zum Beispiel in Deutschland gewohnt ist. Kein Paketbote, der die Ware irgendwo beim Nachbarn abgibt. Die firmeneigenen Fahrer wie Oliver liefern persönlich.
"Ich hab mal Schuhe ausgeliefert, jede Menge Kartons. Und die Kundin hat anprobiert und anprobiert. Fast drei Stunden lang. Und Du musst natürlich noch mehr Sachen liefern. Die anderen Kunden waren sehr verärgert."

"Der Kunde hat immer Recht"

Aber das Warten gehört zum Service, egal wie lange es dauert. Die Fahrer nehmen Ware, die nicht gefällt oder die nicht passt gleich wieder mit. Oder sie holen sie innerhalb einer Woche wieder ab. Ausnahmen vom Rückgaberecht gibt es nicht
"Nein, nein, nein. Der Kunde hat immer Recht. Wenn Sie heute ein Hemd kaufen und morgen Ihre Meinung ändern, nehmen wir es zurück. Wir können nicht sagen, das ist kein guter Grund, weil man nie weiß, ob er nicht morgen etwas anderes bestellt. Manchmal zahlt es sich aus, Geduld mit den Kunden zu haben."
Shadrak Musyoka ist der Leiter des größten Auslieferungslagers in Baba Dogo, einem Stadtteil im Osten von Nairobi. Am Eingang des fensterlosen Baus herrscht hektische Aktivität.
Fahrer drängen sich durch den vergitterten Eingang, vorbei an einem strengen Sicherheitscheck. Telefone müssen sie abgeben. Jacken oder große Taschen sind nicht erlaubt.
"Handys sind ein gutes Geschäft für uns. Jemand könnte sein altes gegen ein neues austauschen. Der zweite Grund ist Zeit. Wir wollen keine Privatgespräche, weil wir schnell arbeiten und das meiste aus den Arbeitsstunden herausholen müssen."
Die Fahrer holen sich ihre Waren aus einem Verteilerfach direkt hinter der Gittertür. Die meisten tragen einen armvoll Tüten. Klein genug, dass sie auf eins der vielen Motorräder vor dem Eingang passen. Die Piki-pikis, wie sie hier genannt werden, sind schnell, bleiben nicht im Stau hängen und werden für die meisten Lieferungen benutzt, immer in einem bestimmten Bereich der Stadt, erklärt Shadrak Musyoka
"Ein paar von diesen Zonen sind ziemlich groß. Aber das ist nur die Fläche. Die Größe hängt von der Liefermenge ab. Das Gebiet in der Innenstadt zum Beispiel sieht ziemlich klein aus. Aber dorthin liefern wir jeden Tag eine Menge Waren."
Das Lagerhaus platzt aus allen Nähten. Gut 120 Leute wuseln durcheinander, registrieren Waren im Computer, bringen sie ins unterirdische Lager, sortieren sie für die Auslieferung, öffnen Boxen für die Qualitätskontolle. Es gibt sogar ein kleines Fotostudio, wo jeder Artikel für die Internetseite von allen Seiten abgelichtet wird.
"Als wir angefangen haben, konnten wir kaum das Verteilerfach für eine Zone voll machen. Die ganze Halle war ziemlich leer. Es gab hier einen Angestellten und da einen zweiten. Aber jetzt ist das anders. Wir stellen immer mehr ein. Sogar der Lagerraum ist ein Problem."
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