Onlineplattform Studio Zero

Kleidung leihen statt kaufen

08:17 Minuten
In einem Geschäft steht eine Kleiderstange bestückt mit farbenfroher Kleidung.
Tauschen und Leihen statt ab in den Müll: Die Sharingplattform Studio Zero sagt Wegwerfmode den Kampf an. © Gettyimages / Maskot
Von Katja Bigalke |
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Das Hochzeitskleid, der Designerfummel oder der Anzug – sie hängen meist ungenutzt im Schrank. Auf der Plattform Studio Zero kann man sie gegen eine Gebühr verleihen. Das ist ökologisch – und ermöglicht jedem, hochwertige Markenkleidung zu tragen.
Kennen Sie das? Ein Kleiderschrank, der überquillt, aber trotzdem finden Sie nichts Passendes zum Anziehen für diese Hochzeitsfeier, diesen Empfang, diese erlesene Sommerparty? Für Menschen, die sich für außergewöhnliche Ereignisse nicht extra ein neues Kleidungsstück kaufen wollen, könnte Studio Zero genau das Richtige sein: eine Plattform im Netz, zum Verleihen und Leihen von besonderen Kleidungsstücken.
"Dann gibt es hier einen Filter. Da grenze ich die Suche mal ein: Größe: 36/38." – Es ist mein erster Besuch auf der Seite. Ganz oben gibt es die Neueingänge von Verleiherinnen und Verleihern: ein Paillettenkleid von Julebeau für 16 Euro die Woche, ein Brautkleid von Ela für 50 Euro, ein festlicher Jumpsuit von Inga für neun Euro die Woche. Abfotografiert – manchmal mit, mal ohne Kopf der Anbieterin.

Kleider direkt abholen oder sich schicken lassen

Klickt man auf ein Angebot, sind verschiedene Ansichten des Kleidungsstücks zu sehen, eine detaillierte Beschreibung, Anlässe zu denen es passen könnte, Marke, Originalpreis und Reinigungswunsch. Als potenzielle Leiherin interessieren mich in erster Linie Einträge aus Berlin. Ich hasse es, Pakete zu verschicken – die persönliche Rückgabe ist mir lieber. Also schränke ich die Suche ein.
Angebote gibt es in der Stadt. Mal sehen. "Die hat eine ganz schöne Seidenbluse hier von Pucci, zehn Euro die Woche. Die ist schön. Und ein gemustertes Kleid. Das ist ganz hübsch. Vielleicht schreibe ich dann einfach mal Evin."

Die Bluse für besondere Anlässe

Über das Kontaktformular frage ich an, ob ich Evin mal treffen könnte. Die Antwort kommt innerhalb von wenigen Stunden. Wir verabreden uns bei ihr zu Hause.
Evin, eine 27-jährige Grundschullehrerin, lotst mich in ihre Küche, holt schnell die beiden Kleidungsstücke aus dem Schrank, für die ich mich interessiert hatte. Das Kleid sortieren wir schnell aus – doch nicht ganz mein Stil. Die Seidenbluse passt besser. Asymmetrisch schwarz-grau-weiß gemustert. Eher etwas Besonderes.

"Also, das habe ich von einem Kumpel mal bekommen. Das war tatsächlich mal auf einem Runway von Pucci. Und es hängt halt jetzt schon etwas länger in meinem Kleiderschrank, ohne dass ich es anziehe. Und deswegen dachte ich, dass ich es halt dann einfach da auf der Plattform hochstelle, dass jemand anderes sich das Teil ausleihen kann und das nutzen kann."
Ich probiere die Bluse an, bin überrascht: Selbst zu meinen Jogginghosen sieht sie wirklich gut aus. Evin zeigt mir noch die anderen Kleidungsstücke, die sie inseriert hat. Sie macht bei Studio Zero mit, weil sie sich selbst für außergewöhnliche Anlässe lieber Kleider ausleihen würde, statt sie zu kaufen. Und weil sie selbst Kleider im Schrank hängen hat, die sie zwar nicht ständig trägt, an denen sie aber trotzdem hängt.
Screenshot der Plattform Studio Zero
Teure Designerkleidung kann jeder tragen: Das ist das Konzept der Sharingplattform Studio Zero.© PR / Studio Zero

Ökologisch und sozial soll es sein

Evin liebt die Idee, Kleider weiterzugeben. Sie kauft selbst am liebsten Secondhand ein und verkauft ihre Sachen auch immer wieder auf dem Flohmarkt. Damit ist Evin quasi die idealtypische Userin von Studio Zero.
"Wenn man sich unser Branding so ein bisschen anguckt, denkt man schon eher an Frauen zwischen 20 und 30 oder meinetwegen auch 18 und 30. Wir haben da zum einen die ökologische Ebene, aber auch den sozialen Aspekt, dass es darum geht, Kleidung zu demokratisieren. Also dass man sagen kann: Jeder kann im Endeffekt, wenn man mal Lust hat, ein Prada-Kleid tragen für eine Woche. Dass man damit nicht nur eine bestimmte Gesellschaftsschicht erreicht. Und dass, wenn du eine bestimmte Einkommensklasse hast – Studentin –, du dir eben trotzdem hochwertige Kleidung leisten kannst. Du musst die aber eben nicht besitzen, sondern die kannst du dir einfach für einen gewissen Zeitraum leihen."

Prada oder Gucci für alle

Inga Stange und Lilo Meier sind zwei der drei Gründerinnen von Studio Zero. Sie haben sich bei einem Studiengang für nachhaltiges Management kennengelernt. Die Plattform, die seit Anfang des Jahres online ist, ist ihr erstes gemeinsames Projekt. Im Moment noch ein teures Hobby, sagt Inga Stange.
Gründerinnen der Kleidungstausch-Plattform Studio Zero: Marie Wehinger, Lilo Meier und Inga Stange.
Die drei Berliner Studio-Zero-Gründerinnen Marie Wehinger, Lilo Meier und Inga Stange.© PR / Studio Zero
Corona hat dem Geschäftsmodell wie allen Sharing-Plattformen einen ziemlichen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber die beiden sind überzeugt, dass das Verleihgeschäft langfristig Zukunft hat. Ein Geschäft, das aufbaut auf einem Basis-Satz an Alltagskleidung, den jede Userin und jeder User zu Hause hat, und das sich konzentriert auf die Garderobe für den besonderen Anlass.
"Ganz klassisch Hochzeit. Also nicht nur das Brautkleid, sondern auch als Gast. Aber auch die Sportkleidung. Also spontan Skisachen zu organisieren, ist wahnsinnig teuer, und man trägt die nie wieder. Und die nehmen sehr viel Platz ein."

Plattform ist noch in der Experimentierphase

Ob die Geschäftsidee aufgeht, wird auch davon abhängen, ob in Zukunft noch mehr Userinnen und User Kleidung über die Plattform verleihen – und ob es am Ende wirklich eine große Auswahl an hochwertiger Kleidung in verschiedensten Größen und zu nachvollziehbaren Preisen gibt. Das schwankt zurzeit noch zwischen 15 Euro die Woche für ein Kleid von Zara und 17 für eines von Prada. Die Verleiherinnen legen die Gebühren selber fest. Die Gründerinnen von Studio Zero nehmen zehn Prozent für jede zustande gekommene Transaktion.
Die Preise werden sich aber noch austarieren, sind Lilo Meier und Inga Stange überzeugt. Im Moment sei die Plattform eben noch in der Experimentierphase, in der geguckt werden müsse, was funktioniert und was nicht. Auch die bei Kleidung immer wichtige Frage "Passt mir das?" könne man in Zukunft hoffentlich noch besser beantworten.
"Langfristig wäre es natürlich ideal, wenn man auch mit anderen Start-ups zusammenarbeitet, die diese Avatare anbieten, dass man wirklich aber seine Figur online präsentieren kann und dann genau weiß, wo es passt. Aber jetzt muss man natürlich sich anders behelfen. Und deswegen sind so Maßangaben super hilfreich, um diesen Problemen bisschen entgegenzuwirken."
Ich für meinen Teil bin bei meiner ersten Ausleihaktion am Ende ohne die Pucci-Bluse nach Hause gegangen. Nicht, weil ich sie nicht mochte. Sondern weil ich nicht wusste, wie ich das Zurückgeben in meinem Zeitplan unterbringen sollte. Was ich aber sehr nett fand, war der Austausch mit Evin – das hatte etwas von Shoppen mit einer Freundin. Und die Idee, in Zukunft vielleicht andere mit den geliebten aber oft ungetragenen Schätzen meines Kleiderschranks für eine Woche glücklich machen zu können, die hat mich auch überzeugt. Ich werde verleihen, aber eher nicht ausleihen.
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